Schleswig-Holstein

Grüne und SPD fordern Abschaffung der Residenzpflicht

Die Grünen im Schleswig-Holsteinischen Landtag fordern (17/110) die Abschaffung der Residenzpflicht für Flüchtlinge und Asylsuchende. Unterstützt wird die Initiative von der SPD und der SSW. CDU und FDP stemmen sich dagegen – die Residenzpflicht stelle die Rückführung sicher.

„In keinem anderen Land der Europäischen Union existiert eine Residenzpflicht. Bei dieser räumlichen Beschränkung handelt es sich um eine Form der Kontrolle des Aufenthaltsortes von Flüchtlingen und Asylsuchenden durch die zuständige Ausländerbehörde.“, heißt es in der Antragsbegründung der Grünen im Schleswig-Holsteinischen Landtag zur Abschaffung der Residenzpflicht für Flüchtlinge und Asylsuchende.

MiGbox: Die Residenzpflicht ist eine Auflage für in Deutschland lebende Ausländer, insbesondere für Asylbewerber und AusländerInnen im Status der Duldung (Geduldete). Sie verpflichtet den Ausländer sich nur in dem von der zuständigen Behörde festgelegten Bereich aufzuhalten.

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Viele Flüchtlinge und Asylsuchende würden aus Unwissenheit die bestehende Regelung verletzen, die dann im schlimmsten Fall sogar in einer Gefängnisstrafe münden könne. Nach der geltenden Rechtslage begeht beispielsweise ein Flüchtlingskind, der Mitglied im örtlichen Fußballverein wird, beim ersten Auswärtsspiel, eine Ordnungswidrigkeit und beim zweiten u.U. schon eine Straftat. Auf diese Weise würde, so die Grünen weiter, zudem die sog. Ausländerkriminalität in der Kriminalitätsstatistik erhöht mit der Folge, dass Asylsuchende und Flüchtlinge öffentlich von Teilen der Bevölkerung als kriminell dargestellt würden.

SPD: Residenzpflicht ist integrationsfeindlich
Unterstützung bekamen die Grünen von der SPD. Die integrationspolitische Sprecherin der Sozialdemokraten im Landtag, Serpil Midyatli, begrüßte den Antrag der Grünen. Sie stellte den Nutzen der Residenzpflicht in Frage und betonte auch den diskriminierenden Charakter: „Die Betroffenen werden dadurch isoliert und in ihren Integrationsbemühungen nicht nur räumlich, sondern auch sozial eingeschränkt.“ In anderen Bundesländern sei der Geltungsbereich der Residenzpflicht daher auf das gesamte Bundesland festgelegt. Dies solle auch in Schleswig-Holstein möglich sein: „Was sollen Eltern ihren Kindern sagen, wenn sie ihrem Kind erklären müssen, dass sein Freund aus der KiTa zwar ihn besuchen darf, er jedoch nicht zu dessen Kindergeburtstag kann, da er in der falschen Straße wohnt, in Kronshagen und nicht in Kiel.“

Immer höre man, wie wichtig es sei, dass die betroffenen Gruppen ihren Beitrag zur Integration leisten sollen. Dann müsse man diesen Menschen auch die rechtlichen Rahmenbedingungen schaffen. Midyatli weiter: „Gerade in den ländlichen Bereichen ist das Angebot jedoch oft sehr dünn. Wer in Heikendorf wohnt, kann zwar die Kurse der Kreisvolkshochschule in Plön oder in Preetz besuchen, wenn er denn dort hinkommt, da das mit dem ÖPNV ohne Umsteigen in Kiel einer Weltreise gleichkommt. Das Angebot in Kiel, ein paar Busstationen weiter, darf er nicht nutzen, das ist dann Verwaltungsunrecht.“

Es sei immer leicht zu behaupten, der oder die lebt schon seit 3, 4 oder 5 Jahren in Deutschland und könne noch kein Wort Deutsch, die oder der sei daher integrationsunwillig. Die Sozialdemokratin weiter: „Wie denn auch, wenn diese Menschen bereits schon in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden.“

CDU und FDP halten an Residenzpflicht fest
Anders beurteilt Astrid Damerow (CDU) die Residenzpflicht und wirft den Antragstellern Unsachlichkeit vor. Bei Geduldeten Ausländern handele es sich um Menschen, die verpflichtet seien, das Land zu verlassen. Hier habe die Residenzpflicht wiederum den Zweck, die Rückführung sicherzustellen: „Es muss verhindert werden, dass sich der Ausreisepflichtige dieser Verpflichtung entzieht“.

MiGbox: Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP auf Bundesebene heißt es: „Die Residenzpflicht soll so ausgestattet werden, dass eine hinreichende Mobilität insbesondere im Hinblick auf eine zugelassene Arbeitsaufnahme möglich ist; …

Auf der anderen Seite sei es aber auch richtig, dass die Aufenthaltsbeschränkung eine Härte darstelle. Daher sollten Beschränkungen auf das notwendige Maß begrenzt werden, um eine Akzeptanz bei den Betroffenen zu erreichen. Der Erlass des Innenministers vom 31. März vergangenen Jahres gehe den vernünftigen Weg einer individuellen Differenzierung. Damit, so die FDP, könnten „in Einzelfällen Ausnahmegenehmigungen erteilt werden“.

SSW: Eine verhängnisvolle wechselseitige Abhängigkeit
Dem Argument der CDU entgegnet Silke Hinrichsen vom Schleswigschem Wählerverband (SSW), dass bis heute nicht der Beweis erbracht worden sei, „dass die Residenzpflicht und das ihr innewohnende Mobilitätsverbot das Untertauchen eines einzigen ausreisepflichtigen Geduldeten verhindert“ habe.

„Ausbildungsplatz- und Arbeitssuche gestalten sich für Geduldete per se als sehr schwer; oftmals scheitern die Bemühungen schließlich an der Residenzpflicht. Aus diesem Grund können viele Geduldete gar nicht die so genannte Altfallregelung in Anspruch nehmen, weil diese einen Arbeitsplatz zur Voraussetzung eines dauerhaften Bleiberechts macht. So wird eine verhängnisvolle wechselseitige Abhängigkeit zu Lasten der Betroffenen konstruiert: ohne Arbeit kein Aufenthaltsrecht. Ohne Aufenthaltsrecht keine Arbeit.“