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Sprachstand

Namen sind Schall und Schrift

Journalistin Canan Topçu beklagt sich darüber, dass viele Menschen türkischer Herkunft ihre Namen der deutschen Phonetik anpassen und so „verhunzen“. Das sei zu viel der Integration. Die Sprachwissenschaftler Stefanowitsch und Goschler sind anderer Meinung.

Von und Dienstag, 15.10.2013, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 12.01.2016, 14:14 Uhr Lesedauer: 7 Minuten  |  

In der Sendung „Ortszeit: Politische Feuilleton“ im Deutschlandradio war vor einigen Tagen die Journalistin Canan Topçu zu Gast und beklagte sich darüber, dass viele türkischstämmige Menschen in Deutschland ihre türkischen Vor- und Nachnamen falsch aussprächen (oder, wie sie sagt, „verhunzen“): „Sie rollen das r nicht mehr, machen aus einem ı ein i, dehnen Vokale und betonen falsche Silben.“ Das „nerve“ sie so sehr, dass sie ihren Ärger nicht mehr für sich behalten wolle: „Ich verstehe nicht, warum Menschen türkischer Herkunft ihre Namen der deutschen Phonetik anpassen! In meinen Ohren klingt das nach Anbiederei. Das ist mir zu viel der Integration!“ Würde ein Kind deutscher Eltern mit dem Namen Achim, fragt sie weiter, in Italien, Frankreich oder der Türkei „die Buchstaben [seines] Namens der landestypischen Phonetik anpassen“ und „aus sich einen Akim, Aschim oder Adsch-him machen“? Sie glaubt, dass das niemand tun würde. Überhaupt hält sie die phonetische Anpassung von Namen überhaupt für ein typisch türkisches Verhalten: Sie sei „weder hier noch anderswo Amerikanern, Italienern, Franzosen oder Spaniern begegnet, die sich namentlich angepasst hätten.“

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Die Bereitschaft, den eigenen Namen der Sprache des Landes anzupassen, in dem man lebt, variiert sicher stark zwischen Sprachgemeinschaften und einzelnen Personen. Allerdings fanden die Italiener, Franzosen, Spanier und vielen anderen, die über die Jahrhunderte in die USA eingewandert sind, ganz offensichtlich nichts dabei, die Aussprache ihrer Namen (und sogar die Namen selbst) ans Englische anzupassen. So wird aus einem Heinz Alfred schnell ein Henry Alfred, und beim Nachname Kissinger wird aus der deutschen Aussprache „Kiss-ing-er“ ein englisches „Kiss-in-dscher“.

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Aber selbst, wenn jemand nicht so weit gehen will, wie der in Fürth geborene ehemalige Außenminister der USA, wird die „korrekte“ Aussprache seines Namens durch Menschen mit einer anderen Muttersprache immer nur eine Annäherung sein. Selbst, wenn nicht-türkischsprachige Deutsche mehr über die türkische Rechtschreibung wüssten deshalb das c in Canan ohne zu Zögern wie das dsch in Dschungel aussprächen, wäre es genau genommen immer noch ein „deutsches“ dsch (im Vergleich zur türkischen Aussprache z.B. zu „weich“). Noch schwieriger sind die feinen Unterschiede zwischen Vokalen: Ein deutsches und ein türkisches a klingen nur ungefähr gleich, und das von Topçu erwähnte ı hat im Deutschen keine bessere Entsprechung als eben das i (annähern kann man sich der korrekten Aussprache in dem man ein u ausspricht und dann die gerundeten Lippen breit macht). Wie schwer es ist, eine Fremdsprache korrekt auszusprechen, wissen wir alle: Genau diese Schwierigkeit spiegelt sich im charakteristischen Akzent wider, den wir auch mit viel Übung selten vollständig loswerden. Nur wer ab frühester Kindheit zwei oder mehr Sprachen spricht, hat dieses Problem nicht.

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Und was für alle anderen Wörter einer Fremdsprache gilt, gilt auch für Namen. Insofern ist es illusorisch zu erwarten, dass wir alle jeden türkischen, russischen, vietnamesichen oder auch deutschen Namen völlig „korrekt“ aussprechen können, selbst mit noch so viel gutem Willen und noch so großer Bemühung. Das zwingt natürlich niemanden dazu, auch den eigenen Namen der jeweiligen Phonetik der Sprache anzupassen, in der man sich gerade verständigt – und das ist es ja, was Topçu besonders aufregt. Aber auch hierfür gibt es aus sprachwissenschaftlicher Sicht gute Gründe, die viel trivialer sind als die unterstellte „Anbiederung“ oder das „Zu Viel“ an Integration. Namen werden ja normalerweise nicht für sich ausgesprochen, sondern im Zusammenhang längerer Äußerungen. Die Sprache diese Äußerungen hat dann auch einen Einfluss auf die Aussprache des Namens, denn Sprecher/innen bewegen sich in einer Äußerung normalerweise (und weitgehend unbewusst) innerhalb dessen, was das Lautsystem der jeweiligen Sprache hergibt. Wir kennen das auch von den vielen englischen Lehnwörtern im Deutschen – die sprechen wir in einem deutschen Satz anders aus als in einem englischen (z.B. Baby entweder als „Bebi“ oder als „Bey-bi“).

Neben den kleineren Anpassungen an das deutsche Lautsystem, die türkischstämmige Menschen nach Topçus Beobachtung selbst vornehmen, stört sie aber auch, dass nicht-türkischstämmige Deutsche oft nicht einmal annäherungsweise wissen, wie man ihren Namen ausspricht (nämlich – sehr ungefähr! – Dschänan Tooptschu). Sie heiße „weder Sanan Topkuh, noch Kanan Topsu“, und darauf weise sie „freundlich und höflich, aber auch resolut“ hin. Hier ist das Problem ja nicht die Aussprache im engeren Sinne, sondern die Zuordnung von Buchstaben zu Lauten. Das c wird im Deutschen normalerweise als „k“ (wie in Coburg) oder „ts“ (wie in Celle) ausgesprochen, in Englischen Lehnwörtern häufig als „s“ (wie in Celebrity); das ç gibt es gar nicht. Dass c im Türkischen für „dsch“ und ç für „tsch“ steht, weiß kaum jemand, der kein Türkisch kann.

Hier gäbe es die Möglichkeit, die Schreibweise des Namens der deutschen Orthographie anzupassen. Das scheint unter türkischstämmigen Deutschen aber absolut unüblich zu sein, außer dort, wo aus technischen Gründen (z.B. auf deutsch eingestellten Tastaturen) Buchstaben wie ı oder ç nicht zur Verfügung stehen und deshalb durch i oder c ersetzt werden. Menschen mit türkischen Namen haben ja auf den ersten Blick den Vorteil, dass das Türkische, wie das Deutsche, das lateinische Alphabet verwendet. So kann die Originalform zunächst scheinbar problemlos beibehalten werden. Diese Möglichkeit haben viele andere Zugewanderte oder deren Nachkommen nicht: Wenn ihre Sprachgemeinschaft ein anderes Schriftsystem verwendet – z.B. die arabische, kyrillische oder vietnamesische Schrift –, müssen die Namen in Deutschland in das lateinische Alphabet übertragen werden.

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Das kann nach zwei Prinzipien erfolgen. Entweder man versucht, Buchstabe für Buchstabe eine möglichst passende Entsprechung zu finden (man nennt das „Transliteration“). Das in einigen Fällen einfacher, in anderen schwieriger ist. So würde etwa aus dem serbisch-kyrillischen Стефановић das lateinische Stefanović. Das wird dann aber von denen, die nicht wissen, dass das v hier als w und das ć (genau wie ç) als „tsch“ ausgesprochen wird, im Zweifel als „Schte-fa-no-fitz“ ausgesprochen. Man kann sich deshalb bei der Übertragung ins lateinische Alphabet auch gleich an der korrekten Aussprache orientieren und diese bestmöglich in dem anderen Schriftsystem wiedergeben (das nennt man „Transkription“). Aus Стефановић würde im Deutschen dann eben Stefanowitsch, im Englischen Stefanovich usw. Auch das bleibt nur eine Annäherung – das st, zum Beispiel, wird von Deutschsprachigen automatisch als „scht“ ausgesprochen, und es gibt keine Möglichkeit, mit den Mitteln der deutschen Rechtschreibung das eigentlich korrekte „s-t“ darzustellen.

Menschen mit türkischen Namen mag die Möglichkeit der Transkription zunächst ungewöhnlich vorkommen, weil die türkische und die deutsche Version des lateinischen Alphabets so ähnlich scheinen. Da die Ähnlichkeit aber eben nur scheinbar ist, kommt es dann zu den Problemen, die Canan Topçu beschreibt. Hätte ein beherzter Beamter sich bei ihrer Einbürgerung ohne groß nachzufragen für eine Transkription entschieden (wie im Fall von Großmutter Стефановић, die in den letzten Tagen des zweiten Weltkriegs als Flüchtling nach Österreich kam), hieße sie heute Dschanan Toptschu. Ob ihr das besser gefiele als „Sanan Topkuh“ oder „Kanan Topsu“, wissen wir nicht. Aber eine Transliteration oder die Beibehaltung einer fremdsprachigen Version des lateinischen Alphabets gehen eben auf Kosten der Aussprache, während eine Transkription auf Kosten der ursprünglichen Schreibweise geht. Irgendetwas geht immer verloren. Das mag man bedauern, aber wie gesagt: Viele Migrant/innen haben hier wegen der grundsätzlich anderen Schriftsysteme ihrer Muttersprachen ohnehin keine Wahl.

Was wir am Ende als „verhunzt“ oder „schön“ – oder auch nur als respektvoll und angemessen – empfinden, wird individuell bleiben. Wir alle sollten uns bemühen, unserem Gegenüber gerecht zu werden, indem wir zumindest den Versuch unternehmen, den Namen so auszusprechen, wie er oder sie sich das wünscht – ob nun Cora, Cindy, Cicero, Canan oder Charlotte. Das gilt auch, wenn jemand die ursprüngliche Schreibweise beibehalten möchte und sich trotzdem eine annähernd „korrekte“ Aussprache wünscht. Aber auf jeden Fall wären gegenseitiges Interesse und Freude an Variation hilfreicher als Vorschriften, Vorwürfe der Anbiederung und „Fehler“-Korrektur. Und wenn dabei sogar alle etwas über unterschiedliche Sprachen und Schriftsysteme lernen würden, hätten wir als Sprachwissenschaftler/innen natürlich nichts dagegen. Gesellschaft Meinung

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  1. Nils sagt:

    Ein schöner und informativer Artikel!

  2. Die Emotionale sagt:

    ….und wegen einem Buchstaben so ein „Aufstand“:

    Deutsch und Türkisch verwenden als Grundlage das lateinische Alphabet.

    1 .1 Türkisches und deutsches Alphabet
    Das türkische Alphabet hat 29 Buchstaben:
    A a / B b / C c / Ç ç / D d / E e / F f / G g / Ğ ğ / H h / I ı / İ i / J j / K k / L l / M m / N n / O o / Ö ö /
    P p / R r / S s / Ş ş / T t / U u / Ü ü / V v / Y y / Z z.

    Das deutsche Alphabet hat 30 Buchstaben
    A a / Ä ä / B b / C c / D d / E e / F f / G g / H h / I i / J j / K k / L l / M m / N n / O o / Ö ö / P p / Q q / R r / S s / ß / T t / U u / Ü ü / V v / W w / X x / Y y / Z z.

    Während das türkische Alphabet immer mit den oben angeführten Buchstaben aufgelistet wird, gibt es unterschiedliche Schreibtraditionen beim deutschen Alphabet. Oft werden die Buchstaben überhaupt nicht im Alphabet aufgenommen.

    Wie aus der obigen Aufstellung ersichtlich ist, gibt es sehr viele Buchstaben, die im deutschen und türkischen Alphabet identisch sind, aber auch solche, die es nur im türkischen oder nur im deutschen Alphabet existirien:

    Im deutschen Alphabet nicht existierende türkische Buchstaben
    Ç ç ; Ğ ğ ; ı ; İ ; Ş ş

    Im türkischen Alphabet nicht existierende deutsche Buchtaben
    Ä ä ; Q q ; ß ; W w ; X x.

  3. Rolf sagt:

    Die Angleichung der Ausprache ist doch das deutlichste Zeichen dafür, dass für viele türkischstämmige Menschen Deutschand und die deutsche Sprache der wichtigste Bezugspunkt sind. Polen in Deutsch machen das seit Generationen so. Wolfgang Kubicki würde sonst „Kubitzki“ ausgesprochen – wobei er vermutlich selbst gar keinen Bezug mehr zu Polen hat. Aber selbst die Tennisspielerin Sabine Lisick, deren Eltern erst 10 Jahre vor ihrer Geburt nach Deutschland kamen, spicht ihren Namen „deutsch“ aus.

  4. Dilettant sagt:

    Vielen Dank für diesen erhellenden Beitrag. Im Wesentlichen stimme ich zu. Ich habe (als Träger eines konsonantenreichen deutschen Familiennamens) während eines mehrjährigen Aufenthalts in Spanien wohl schon am ersten Tag die Hoffnung aufgegeben, die Einheimischen würden meinen Namen jemals auch nur annähernd „korrekt“ aussprechen. Es hat mich aber auch nicht weiter gestört, wobei ich natürlich konzedieren muss, dass man als Deutscher in Spanien in keiner Weise Diskriminierungserfahrungen ausgesetzt ist wie TürkInnen und Türkischstämmige in Deutschland.

    Insofern ist IMHO durchaus nachvollziehbar, dass diese Menschen sich an der phonetischen Germanisierung ihrer Namen stören, weil sie darin ein weiteres Moment wenn nicht der Diskriminierung, so doch der Respektlosigkeit sehen: Denn einerseits gelten die Deutschen als ein Volk, das sich große Mühe gibt, fremdsprachige Namen und Wörter „korrekt“ auszusprechen, wohingegen Angelsachsen und Romanen sich darum in der Tat meist einen feuchten Kehricht scheren. Das gelingt zwar nicht immer, doch der Wille ist da. Andererseits zeigt das nähere Hinsehen, dass sich dieses Bemühen meist nur auf Sprachen bezieht, deren Kenntnis unter gebildeten Deutschen als erstrebenswert gilt: Englisch, Französisch, Italienisch, zunehmend auch Spanisch (wohingegen vor 20 Jahren gebildete Deutsche spanische Namen gerne französisch aussprachen – da wäre eine deutsche Aussprache meist näher am Original gewesen). Hingegen macht sich tatsächlich kaum jemand die Mühe, sich auch nur zu fragen, wie russische, polnische oder türkische Namen in der jeweiligen Sprache ausgesprochen werden. Das deutsch-gründliche Bemühen um „korrekte“ Aussprache ist für Sprachen mit Hauptverbreitungsgebiet östlich von Oder-Neiße-Linie und Adria kaum anzutreffen.

    Das ändert aber alles nichts daran, dass man sich als in Deutschland lebender Mensch mit türkischem Familiennamen wohl damit abfinden muss, dass dieser Name hierzulande meist mehr oder weniger deutsch ausgesprochen werden wird. An dieser Tatsache für sich kann ich auch nichts Schlechtes finden, und die zu bekämpfende Diskriminierung packt man besser gleich an der Wurzel statt an Nebenkriegsschauplätzen wie diesem hier.

  5. Monicat1 sagt:

    Hallo!
    Ob man meinen Vornamen „Mónica“ in Deutschland wie „Monika“ ausspricht oder das offener ausgesprochenen“o“ für „ó“ wählt, ist mir gleich (solange niemand auf die Idee kommt, das „c“ wie ein „c“ und nicht wie ein „k“ auszusprechen). Ich lebe auch gut damit, meinen Vornamen in Deutschland immer buchstabieren zu müssen – was ich in spanisch oder portugiesisch sprechenden Regionen sicherlich mit meinem deutschen Nachnamen tun müsste. Mich ärgert aber schon etwas, dass es Jahrzehnte gebraucht hat, dass der Akzent auf dem „o“ in meinen Ausweis Einlass fand. Im Führerschein wie auch auf vielen anderen Dokumenten muss ich nach wie vor darauf verzichten.
    Viel ärgerlicher ist es, dass die Verwaltung einer großen deutschen Stadt es fertig gebracht hat, bei meiner Schwester und mir die früher korrekte Angabe einer großen Stadt als Geburtsort irgendwann in die Angabe eines ihrer Stadtteile als Geburtsort abzuändern. Ich habe das mit viel Kampf und unter Konsulatseinschaltung rückgängig machen können. Bei meiner Schwester, die da schon verheiratet war, geht das angeblich bis heute nicht (mehr).
    Man stelle sich bitte vor, zunächst wurde in Ihren Papieren angegeben, Sie seien in Berlin oder in Köln geboren. Auf einmal würde beschlossen, dass Sie ja nicht dort, sondern stattdessen in Kreuzberg bzw. in Nippes (Stadtteile der beiden Städte) geboren seien.
    Manche Leute aus meinem Sprachkurs müssen übrigens einiges Geld hinlegen, damit sie und ihre Kinder die gleiche Schreibweise ihrer (russischen) Namen im Deutschen bekommen. Das die Namen verschieden geschrieben wurden/werden, lag dann vorher einfach an verschiedenen Sachbearbeiterinnen, die jeweils eine andere Schreibweise in unserem Alphabet für richtig hielten.

  6. bewitchedmind sagt:

    So sehr ich Herrn Stefanowitsch schätze, muß ich doch widersprechen. Soviel Integrationsleistung sollten wir deutsche Muttersprachler schon fertigbringen, die – gar nicht allzu schweren – türkischen Ausspracheregeln zu berücksichtigen. Bei französischen, spanischen, etc. Namen geht das ja auch, ohne aus einem Francois einen „Fronswah“ zu machen.
    Wenigstens Medienschaffende sollten sich die Mühe machen, mal eine halbe Stunde im Ausspracheteil eines deutsch-türkischen Wörterbuchs zu blättern – vor allem bei Fußballreportern schüttelt’s mich regelmäßig bei dem, was die mit türkischen Spielernamen veranstalten.

  7. Ariane sagt:

    Interessante Diskussion! Ich kann mir aber gut vorstellen, dass sich das in ein oder zwei Generationen noch stärker vermischen wird.
    Ich denke, heute wäre es bei Stefanowitsch nicht mehr unbedingt nötig, aus -vic ein -witsch zu machen, da die Endung schon recht weit verbreitet ist und es zb auch einige Prominente wie Ibrahimovic gibt, so dass es nicht mehr so fremdartig wirkt und viele es kennen und wissen, wie man es ausspricht.

  8. Helge sagt:

    Ich arbeite als Lehrer (im Ausland) und frage bei Namen, deren Aussprache sich mir nicht direkt ergibt, beim Erstkontakt (als Lehrer hat man ja meist eine schriftliche Form schon vorliegen, bevor man mit dem echten Menschen Bekanntschaft machen darf) eigentlich fast immer nach, welche Aussprache der/diejenige bevorzugt und bemühe mich, dem dann möglichst gerecht zu werden. Möglichst bedeutet hierbei, den Klang eben nicht völlig zu verhunzen. Umgekehrt stört es mich überhaupt nicht, wenn meine Kollegen oder SchülerInnen meinen Namen phonetisch an das Klanginventar ihrer Muttersprache anpassen. Ich weiß doch, wer gemeint ist und es spricht sich für viele einfach flüssiger, wenn sie nicht mitten im Satz fremdsprachliche Klänge einbauen müssen. Ich sehe daran keinerlei Ignoranz. Das ist mir bislang in fremdsprachlichen Ländern (ich sage ausdrücklich nicht „Ausland“, denn das ist Deutschland für viele türkischsprachige Menschen nicht) immer so gegangen und ich fand es immer ok.
    Bei polnischen Familiennamen ergibt sich übrigens genau dasselbe Bild. Viele haben die Schreibung (Polnisch schreibt auch mit lateinischen Lettern) angepasst („Schimanski“ statt „Szymański“) und damit oft auch die Aussprache, andere haben es nicht getan, da muss man dann eben nachfragen (ich habe mich als Kind lange gefragt, wie man die Namen „Ostrzecha“, „Wawrczek“ oder „Chreszinski“ denn nun eigentlich aussprechen muss), bei manchen Schreibungen weiß ich es bis heute nicht („Cziotec“).
    Ein Bekannter von mir verwendet im anglophonen Ausland seinen zweiten Vornamen „Dirk“ („Döörk“) statt seines ersten Vornamens, den dort keiner aussprechen kann. Kein Problem.

  9. Vielen Dank für die Kommentare bis hier. Ein Punkt, der hier mehrfach aufgebracht wird, und der mich doch sehr wundert, ist die Behauptung, Deutsche würden sich bei der Aussprache englischer, französischer oder spanischer Namen mehr Mühe geben, als bei der Aussprache türkischer, russischer oder polnischer Namen. Das entspricht in keiner Weise meiner eigenen Wahrnehmung. Gerade beim Englischen wundert mich das immer besonders, da die durchschnittlichen Englischkenntnisse deutscher Muttersprachler/innen ja höher sein dürften als die Kenntnisse aller anderen Fremdsprachen.

    Und trotzdem werden selbst die englischen Namen oft nicht mal annähernd korrekt ausgesprochen, die auch von deutschsprachigen Eltern für ihre Kinder gerne gewählt werden. Da wird aus Jeremy eben „Scheremi“, wenn es gut läuft, mit einem stimmhaften „sch“ aber immer mit einem deutschen „r“, und aus Celine „Selien(e)“, gerne mit stimmhaftem „s“. Und wenn aus solchen Namen internationale Namen werden, ist es ja auch ganz natürlich, dass sie in jeder Sprache anders ausgesprochen werden. Ich habe sogar mal einen Deutschen getroffen, der überzeugt war, dass er „Dschoffri“ heißt, weil seine Eltern ihm den Namen „Geoffrey“ gegeben haben. Dass das nur eine andere Schreibweise für „Jeffrey“ ist und „eigentlich“ „Dscheffri“ ausgesprochen werden soll, wollte er mir nicht glauben und wurde richtig wütend, als ich darauf bestand. Und zu recht, denn wer bin ich, ihm zu sagen, wie er heißt.

    Uns geht es auch weniger darum, ob es ein Recht darauf gibt, so genannt zu werden, wie man genannt werden möchte, sondern darum, welche Wege dorthin es gibt und mit welchen Vor- und Nachteilen diese verbunden sind. Und es geht uns darum, dass wir alle bei unserer Erwartung, „korrekt“ angesprochen zu werden, etwas Realismus walten lassen sollten. Wer seinen Namen der Phonetik der Landessprache anpasst, ist nicht anbiedernd, sondern hat vermutlich einfach keine Lust, jede Nennung seines Namens in eine Fremdsprachenlektion ausufern zu lassen.

  10. posteo sagt:

    Ich kannte mal einen Herrn mit dem Vornamen „Dschim“. Er sei nach einem Amerikaner benannt worden, der seinem Vater im 2. Weltkrieg das Leben gerettet hätte. Ob der Name versehentlich oder absichtlich so eingetragen wurde, weiß ich nicht, so wurde er jedenfalls immer korrekt ausgesprochen.