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Falsche Zahlen

Keine Belege für Armutszuwanderung aus Bulgarien und Rumänien

Eine Meldung des Deutschen Städtetages sorgt für Wirbel: Die Kommunen seien mit der wachsenden „Armutszuwanderung“ aus Rumänien und Bulgarien allein gelassen. Dabei waren die Zahlen überzogen. Das zeigen Recherchen des Mediendienstes Integration.

Freitag, 22.02.2013, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 28.02.2013, 10:10 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

„Armutszuwanderung aus Südosteuropa braucht Lösungen“, warnte der Deutsche Städtetag vergangene Woche und forderte Bund, Länder und EU zum Handeln auf. Die Kommunen seien mit der wachsenden „Armutszuwanderung“ aus Rumänien und Bulgarien allein gelassen.

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Das Ausmaß des Problems schilderte der Städtetag in einem zehnseitigen Positionspapier mit alarmierenden Zahlen des Statistischen Bundesamtes: Demnach seien 2011 aus Rumänien und Bulgarien 147.091 Personen eingewandert, während es 2007 noch 64.158 waren. Schon jetzt stehe fest, dass die Zuwanderung aus diesen Ländern im ersten Halbjahr 2012 um 88.000 und damit um 24 Prozent gestiegen ist.

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Härteres Vorgehen
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sprang gleich ein und forderte ein „härteres Vorgehen“ gegen Armutszuwanderer aus Osteuropa. Ein Teil dieser Zuwanderer komme nur deshalb nach Deutschland, um Sozialleistungen zu bekommen. Sie täuschten und missbrauchten das deutsche Sozialsystem. Man müsse über eine „gezielte Einreisesperre“ nachdenken, so Friedrich im ZDF-„heute journal“. Zahlreiche Medien gaben die Zahlen des Städtetages und die Worte Friedrichs wieder.

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Wie Berechnungen des Mediendienstes Integration (MDI) jetzt zeigen, zu Unrecht. Die Zahl des Statistischen Bundesamtes von rund 147.000 Zuzügen aus Rumänien und Bulgarien in 2011 ist durchaus korrekt. Unterschlagen werden dabei sowohl vom Städtetag als auch von den Medien jedoch die Fortzüge in die beiden Länder. Berücksichtigt man die Zahl der Abwanderer, kamen 2011 lediglich 58.350 Menschen aus den beiden neuen EU-Mitgliedsstaaten nach Deutschland. Also deutlich weniger. Hinzu kommt: In die Brutto-Zahl der Zuzüge von 147.000 Personen werden auch viele Saisonarbeiter eingerechnet – Personen also, die nur für kurze Zeit nach Deutschland kommen.

Unklare und unvollständige Zahlen
„Der Bundesagentur für Arbeit zufolge kamen allein 2011 rund 200.000 Saisonarbeiter und Schaustellergehilfen aus Bulgarien und Rumänien nach Deutschland, die teilweise auch in die Zuzüge eingerechnet werden. Das Bundesministerium für Arbeit hatte wegen eines steigenden Arbeitskräftebedarfs die Arbeitserlaubnis EU und das Kontingent für diesen Personenkreis erhöht. Der größte Teil dieser Arbeiternehmer unterliegt der Meldepflicht in den Gemeinden, allerdings gibt es in sechs Bundesländer Ausnahmen. Deshalb ist hier unklar, wie viele in der allgemeinen Zu- und Fortzugsstatistik erfasst wurden“, so der MDI.

Problematisch sei darüber hinaus, dass der Städtetag diese Zahlen mit einer „Armutszuwanderung“ in Verbindung bringe. „Gerade aus Bulgarien kamen viele Studierende. So waren im Wintersemester 2011/2012 an deutschen Universitäten allein 7.000 Studenten mit bulgarischer Staatsangehörigkeit eingeschrieben. Auch die Beschäftigungsstatistik gibt keine Hinweise auf eine frappierende ‚Armutszuwanderung‘“, so der MDI weiter.

So stieg die Zahl der in Deutschland lebenden Staatsangehörigen aus Bulgarien und Rumänien von rund 201.000 in 2010 auf rund 253.000 in 2011, also um 25,7 Prozent. Im selben Zeitraum stieg aber auch die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten aus beiden Ländern von rund 56.000 auf rund 70.600 Personen an, also ebenfalls um 25 Prozent.

Das ist falsch
Migrationsforscher und Politikberater Prof. Klaus J. Bade sagte dem MiGAZIN: „Solche Drohgebärden gehören ins Arsenal der symbolpolitischen Ersatzhandlungen, die in der Bevölkerung fahrlässig Abwehrhaltungen gegenüber unerwünschten Zuwanderungen bestärken. Die werden dann auf eine besonders diffamierte Gruppe projiziert, so als ob es, wie die FAZ titelt, ‚vorwiegend Roma aus Bulgarien und Rumänien‘ wären, die da ins Paradies in der Mitte Europas streben. Das ist falsch.“

Die Recherchen des MDI haben nach Einschätzung von Bade „den hysterischen Diskurs in luftigen Höhen auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt“. Ergebnis: „Die Zahlen sind zwar auch bei nüchterner Betrachtung erheblich und verlangen gezieltes Engagement, zu Hysterie aber gibt es keinen Anlass“, so Bade. (es) Leitartikel Politik

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  1. AI sagt:

    „Es gibt nichts bösartigeres als die deutschen Medien“ (M. Gorbatschow)

  2. Paul sagt:

    So siehts aus ich kenne viele Rumänen in meinem Umfeld und ich weiß die meisten sind hierher gewandert um eine Arbeit aufzunehmen. Genauer gesagt werden sie gemolken von den Leihfirmen oder schlecht bezahlte Jobs. Ich rede hier vom großteil, es gibt natürlich auch Kriminelle aber nur aus dem Grund weil sobald ein Osteuropäer aufällig wird, die Medien ein riesen wribel darum machen. Fazit: Riesenpropaganda zu unwahren Tatsachen

  3. Metscher sagt:

    Man muss sich nur mal in gewisse Viertel begeben um zu sehen, dass der Städtetag das nicht einfach nur mal so aus purem Spass an der Freude rausgehauen hat.

  4. Lukas sagt:

    Bade wurde heute zu diesem Thema auf Kulturzeit interviewt. Er wiederholte die Zahlen des MDI und warnte vor Panickmache. Das Interview war sehr sachlich und nüchtern. Von dieser Sachlichkeit und Nüchternheit wünscht man sich bei solchen zum Populismus einladenden Themen noch mehr.

  5. AI sagt:

    @Metscher: Der Städtetag macht auch auf marode Autobahnen (-brücken), Schliessung und Verkauf kommunaler Gebäude aufmerksam. Wir brauchen ungelernte und unterbezahlte Zuwanderung. Alle Anderen wollen sowieso nicht hierher. Und noch was: In diesen Vierteln leben Menschen die sich diesem Problem engagiert widmen, und nicht polemisch und populistisch drauf einschiessen. Aber von denen hört man wenig bis gar nichts. Fallen Sie doch nicht auf diesen (wahltaktischen) Schwachsinn rein. Zumal muss man sagen, wenn die ansässige Bevölkerung tatsächlich soviel auf ihr soziales Umfeld gibt, wieso investiert sie dann (das grösste Privatkapital weltweit) lieber an der Costa del Sol, in der Toskana, auf Lesbos oder in Antalya.

  6. johann Nepuk sagt:

    400.000 Menschen werden – zumeist über Plovdiv/ Bulgarien – nach Deutschland geschleust: Kinder, Jugendliche, vor allem Minderjährige und junge Frauen. Von Deutschland aus nehmen über 200.000 Menschen ihre „weiteren Weg“ in Kauf: Niederlande, Belgien, GB, Skandinavien.
    Bevorzugt sind (wenn auch in Minderheit) Roma; mit ihnen kann man machen, was man will, weil sie in ihren Herkunftsländern in einer Kultur leben, die das Scheitern als Lebensmodell führt.
    Zwangsprostitution, Menschenhandel, „Leiharbeiter“ aus diesen Ländern (Moldavien, Bulgarien, Rumänien, Ukraine, Belarus, usw.), das ist alles reale Praxis in Deutschland, bis in die höchsten Kreise von Politik und Wirtschaft.
    In Dortmund beschäftigten „Zuwanderer“ aus Bulgarien jahrelang die Politik und vor allem die Polizei: in nur wenigen Monaten nahm der Straßenstrich um mehr als 200% zu, die Frauen hatten im Hintergrund ihre Familien und andere Loddels zu ernähren. Tausende dieser Frauen gehören zur „Wandertruppe“ der Roma – wenn „hier“ nichts mehr geht, ab in die nächste Stadt.
    Machen wir uns nichts vor: solange Männer nach solchen Frauen freiern und dafür bezahlen, wird es sie geben. Solange wir Menschen aus diesen Ländern für Hungerlöhne beschäftigen, werden sie kommen – es ist immer noch mehr, als sie zuhause verdienen können.
    Solange wir in der EU nicht bereit sind, die Defizite an Erziehung und Bildung in den „randständigen“ Ländern zu beseitigen helfen, werden wir mit diesen kulturellen Erscheinungen leben müssen.
    Nicht die Menschen sind das Problem- die Politik ist es.

  7. Benedict sagt:

    Niemand wird hysterisch, niemand gibt sich irgendwelchen Drohgebärden hin.
    Die Stellen, die kommunal mit der Migration und Integration befasst sind, sind vor allem froh, dass dieses Thema endlich einmal bundesweit diskutiert wird. Zuvor hat man es teils totgeschwiegen.

    Die Botschaft des Städtetages war vor allem: „Lasst uns mit diesem Problem nicht allein – wir können es (vor allem) finanziell nicht alleine lösen.“

    Ein Jeder, der näher mit der Situation befasst ist in einer solchen Kommune, zum Beispiel Dortmund, Duisburg oder Mannheim wird dies unterschreiben können.
    Von bloßer Zahlenspielerei hat niemand etwas.

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