Befreiung des KZ Dachau
Ein Jubelschrei der KZ-Häftlinge begrüßte die US-Soldaten
Dramatische Szenen spielten sich vor 75 Jahren ab bei der Befreiung des KZ Dachau, des "Musterlagers" der Nazis. Heute erinnert eine Gedenkstätte auf dem ehemaligen KZ-Gelände an diese gnadenlose Vernichtungsmaschinerie.
Von Achim Schmid Dienstag, 28.04.2020, 5:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 27.04.2020, 13:02 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Für die Häftlinge des KZ Dachau war ihre lange Leidenszeit erst unmittelbar vor dem Kriegsende vorbei. In den späten Nachmittagsstunden des 29. April vor 75 Jahren befreiten amerikanischen Soldaten das KZ, das von den Nazis bereits 1933 direkt nach ihrer Machtübernahme als „Musterlager“ für alle weiteren Konzentrationslager installiert worden war.
Mit einem „jubelnden, langanhaltenden Schrei“ begrüßten die über 30.000 Häftlinge die anrückenden GIs, Tausende stürmten lachend und weinend den Soldaten entgegen, beschrieb der ehemalige Dachauer KZ-Gefangene Nico Rost den Augenblick der Befreiung. Noch unmittelbar davor war es zu dramatischen Szenen gekommen. Die „beklemmende Stille“ sei plötzlich von Maschinengewehrfeuer und dem Geknatter von Handfeuerwaffen unterbrochen worden, „das von den SS-Wachtürmen aus lebhaft beantwortet wurde“, hielt Rost in seinem Tagebuch fest.
Zuvor war in den völlig überfüllten Baracken das Gerücht umgegangen, die SS-Wachen wollten die Häftlinge ermorden, um alle Zeugen ihrer Verbrechen zu beseitigen. Noch am 26. April 1945 wurden 7.000 Häftlinge auf dem Appellplatz zusammengetrieben und von den SS-Wachmannschaften auf einen „Todesmarsch“ Richtung Süden geschickt – weg von den anrückenden US-Truppen. Zwischen 1.000 und 3.000 dieser Häftlinge fanden auf dem Marsch den Tod. Wer zurückblieb, wurde gnadenlos erschossen. Als der Elendszug kurz vor Bad Tölz ankam, machten sich die SS-Leute vor den herannahenden amerikanischen Panzern aus dem Staub.
„Jetzt wissen wir, wofür wir gekämpft hatten“
Bei den jungen US-Soldaten, die sich in den letzten Kriegstagen bis in das südliche Bayern vorgekämpft hatten, hinterließ der Anblick der befreiten KZ-Häftlinge einen tiefen Eindruck. „Wir haben Dachau gesehen. Jetzt wissen wir, wofür wir gekämpft hatten“, beschrieb das Nachrichtenblatt der 45. US-Infanterie-Division die Stimmung unter den Soldaten. Die schrecklichen Bilder, wie die von wohl über 2.000 Leichen in einem Häftlingszug, der aus dem KZ-Buchenwald kurz vorher in Dachau angekommen war, rissen US-Soldaten zu Gewalttaten hin: Sie erschossen SS-Leute, die sich bereits ergeben hatten.
Die unbändige Freude über die Befreiung war für die Gefangenen auch von tragischen Ereignissen überschattet: Häftlinge, die in ihrer Begeisterung den Befreiern entgegen stürmten, verfingen sich in den noch scharfen, tödlichen Elektrodrähten der Lagerbefestigung. Eine Reihe der völlig ausgemergelten Gefangenen vertrugen nicht die gute, kalorienreiche Kost, die ihnen die amerikanischen Soldaten aus ihren eigenen Beständen gaben.
40.000 Menschen kamen qualvoll zu Tode
Die US-Armee zwang die Bauern in der Umgebung, diese toten Häftlinge und die übrigen Leichen, die im Lager lagen, auf Friedhöfen in der Nähe beizusetzen. Insgesamt kamen im KZ Dachau seit 1933 mehr als 40.000 Menschen qualvoll zu Tode.
Direkt nach der Befreiung fand der Appellplatz inmitten des KZ, auf dem Häftlinge in den Jahren zuvor häufig stundenlang in Kälte und Regen stehen mussten, eine ganz neue Bestimmung: Am 1. Mai 1945 feierten die überlebenden Gefangenen dort einen „Tag der Befreiung, der Freundschaft und Verbrüderung“, auf Transparenten hatten sie als Motto geschrieben: „Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!“
Warnung aus dem Gestern
In den folgenden Jahren kamen ehemalige Häftlinge aus vielen Ländern zu den Jahrestagen ihrer Befreiung in die KZ-Gedenkstätte. Wegen der Corona-Pandemie in diesem Jahr bleibt den inzwischen hochbetagten Zeitzeugen die Feierlichkeit in der KZ-Gedenkstätte Dachau verwehrt.
Allerdings wird die Gedenkstätte mit Online-Angeboten an das historische Ereignis erinnern. Denn die „Warnung aus dem Gestern dient dem Frieden von Morgen“, wie Stiftungsdirektor Karl Freller sagt. Die Errichtung einer Gedenkstätte als bleibender Ort der Erinnerung ging auf eine Initiative der ehemaligen Häftlinge zurück. Das Comité International de Dachau (CID) setzte sich dafür ein, dass ab 1965 Ausstellungsräume und ein Besucherzentrum geschaffen wurden. Heute informieren sich dort jährlich rund 800.000 Menschen aus vielen Ländern über das KZ Dachau, den Prototypen der Vernichtungsmaschinerie der Nazis. (epd/mig) Aktuell Feuilleton
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