50-Jahre VIKZ
Steinmeier: Islam hat Wurzeln geschlagen in Deutschland
Der Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) in Deutschland feiert Jubiläum. Bundespräsident und Landesregierung gratulieren zum 50. Es gibt deutliche Worte gegen Islamfeindlichkeit und viel Anerkennung.
Sonntag, 17.09.2023, 14:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 17.09.2023, 13:34 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und andere Politiker haben beim 50. Gründungsjubiläum des Verbands der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) die Verankerung des Islam in Deutschland betont. „Der Islam, die muslimische Religion, das muslimische Leben, die muslimische Kultur haben Wurzeln geschlagen in unserem Land“, sagte Steinmeier am Samstag in Köln. Gleichzeitig wurde Feindseligkeit in Teilen der Gesellschaft gegenüber Muslimen kritisiert. Die Oberbürgermeisterin der Stadt, Henriette Reker, kritisierte, bei der Debatte um Muezzinrufe habe es teils Vorurteile und blanken Hass gegeben.
Steinmeier sagte, Religionsfreiheit heiße gerade nicht, dass Deutschland frei von Religion sei, sondern den Religionen Raum zu geben und die Freiheit aller Gläubigen zu schützen. Er verurteile es andererseits zutiefst, „wenn Religion missbraucht wird, um Andersgläubige abzuwerten oder unseren Staat und unsere demokratischen Werte in Frage zu stellen. Sei es Muslimfeindlichkeit, Antisemitismus oder Christenhass.“ Auch religiösen Zwang dürfe es nicht geben. Wer sich wie die mutigen Frauen im Iran dagegen auflehne, verdiene Respekt.
„Wir riefen Arbeitskräfte, und es kamen Menschen.“
VIKZ-Präsident Ali Yılmaz bezog sich in einer Rede auf das Max-Frisch-Zitat über die sogenannten Gastarbeiter: „Wir riefen Arbeitskräfte, und es kamen Menschen.“ Yilmaz sagte: „Es kamen junge Menschen, unsere Mütter und unsere Väter, mit ihren vollgepackten Koffern, mit ihren Träumen von einer besseren Zukunft und mit ihrer Kultur und Religion, in ein für sie fernes und fremdes Land.“ Aus dieser Fremde sei jetzt eine neue Heimat für viele von ihnen und ihre Nachkommen geworden.
Der VIKZ gehört neben Ditib, Islamrat und Zentralrat der Muslime zu den großen islamischen Verbänden in Deutschland. Er wurde 1973 in Köln gegründet. Die sunnitische Religionsgemeinschaft betreibt mehr als 300 Moscheegemeinden und Bildungseinrichtungen in Deutschland, gut 120 davon sind in NRW. Neben sozialen Aufgaben nimmt die Religion einen zentralen Platz ein. So bildet der VIKZ etwa Imame aus.
„Platz in der Mitte unserer Gesellschaft ein“
„Ich kann Sie alle nur weiter ermuntern: Nehmen Sie Ihren Platz in der Mitte unserer gemeinsamen Gesellschaft ein“, sagte Steinmeier dazu. Religiöses Vorbild des Verbands ist der 1959 gestorbene konservative Religionsgelehrte Süleyman Hilmi Tunahan. Der Glaube nahm auch bei dem Festakt am Samstag eine große Rolle ein. Neben Koranrezitationen gab es Gesänge, die teils in Deutsch gehalten wurden und in denen auch Moses und Jesus vorkamen, also Figuren, die im Islam wie auch im Christentum vorkommen.
Der Besuch der Politikerinnen und Politiker beim VIKZ war nicht unumstritten, im Vorfeld hatte es auch Kritik gegeben. Die frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Lale Akgün etwa sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, Politiker sollten aufhören, als Brückenbauer und Türöffner für Vertreter des konservativen Islams aufzutreten.
„Brücke zwischen den Kulturen und Religionen“
NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) sagte, der VIKZ sei ein starker Partner der Landesregierung, etwa beim Thema islamischer Religionsunterricht. Auch Vertreter der beiden großen christlichen Kirchen würdigten den Verband. Als „geschätzten Dialogpartner“ für die katholische Kirche bezeichnete der Augsburger Bischof Bertram Meier den VIKZ. Der Verband habe daran mitgewirkt, dass in Deutschland in den vergangenen fünf Jahrzehnten ein vielfältiges muslimisches Leben entstanden sei und baue bis heute „so manche Brücke zwischen den Kulturen und Religionen“, sagte der Vorsitzende der Unterkommission für den Interreligiösen Dialog der Deutschen Bischofskonferenz.
Für die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) richtete der rheinische Präses Thorsten Latzel ein Grußwort an den VIKZ. Nach dem Zuzug vieler Muslime im Zuge der Arbeitsmigration der 60er Jahre und den Regelungen zum Familiennachzug 1973 sei die Gründung des Verbandes damals ein wichtiges Signal gewesen, sagte Latzel. In dieser Zeit habe auch der christlich-islamische Dialog mit ersten Gesprächskreisen begonnen: „Die späteren Islambeauftragten vieler Landeskirchen und Kirchenkreise stammen aus dieser Arbeit.“
„Vorurteile und blanker Hass kamen zum Vorschein.“
Kölns Oberbürgermeisterin Reker sagte, islamische Kulturzentren stünden als Orte der Mahnung für das Land, „das wir eigentlich sein wollen“: Ein Land, in dem nicht zähle, wo jemand herkomme, sondern ausschließlich wo der- oder diejenige hinwolle und welcher Beitrag zur Gesellschaft geleistet werde. „Aber dort sind wir noch nicht angekommen, leider immer noch nicht“, sagte sie.
Mit Blick auf die Debatte um Muezzinrufe in Köln sagte Reker, leider sei die Reaktion eines Teils der Öffentlichkeit auf die Durchsetzung dieses Grundrechts geradezu aufrüttelnd gewesen. „Vorurteile und blanker Hass kamen zum Vorschein.“ Andere Moscheen hätten ihr Interesse an Muezzinrufen daraufhin zurückgezogen. „Das hat mich aufgerüttelt und zur Erkenntnis gebracht: Wir stehen an einem gesellschaftlichen Kipppunkt“, sagte Reker. „Wer rechtsextremistisch wählt, dessen Stimme müssen wir nicht als Protest romantisieren oder als Denkzettel nachträglich verklausulieren“, sagte sie.
An der Zentralmoschee der Türkisch-Islamischen Union Ditib ruft seit vergangenem Herbst ein Muezzin zum Gebet – für höchstens fünf Minuten in einem Zeitraum von drei Stunden, nur hörbar in unmittelbarer Umgebung, wie Reker betonte. Im Vorfeld hatte es viele Diskussionen um den per Lautsprecher übertragenen Gebetsruf gegeben. Reker hatte das auf zwei Jahre angelegte Pilotprojekt 2021 mit Hinweis auf die im Grundgesetz verbriefte Freiheit der Religionsausübung ins Leben gerufen. (dpa/epd/mig) Aktuell Panorama
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