Paris fordert legale Fluchtwege
Berlin und London schließen Abkommen gegen Schleuser
Bundesinnenministerin Faeser will Schmugglern, die Menschen in Schlauchbooten über den Ärmelkanal nach Großbritannien schicken, das Handwerk legen. Vorbereitet werde das auch in Deutschland. Frankreich fordert von Großbritannien eine Neuausrichtung seiner Migrationspolitik – und warnt.
Dienstag, 10.12.2024, 10:55 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 10.12.2024, 10:56 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Deutschland und Großbritannien wollen im Kampf gegen Schleuser enger zusammenarbeiten. Bundesinnenministerin Nancy Faeser unterzeichnete bei einem Besuch in London ein Abkommen mit ihrer britischen Amtskollegin Yvette Cooper, wie das Innenministerium in Berlin mitteilte. Am Ärmelkanal kommen immer wieder Menschen ums Leben, die versuchen, von Frankreich nach England überzusetzen.
„Diese Banden, die Menschen mit Drohungen und Gewalt in Schlauchboote pferchen und über den Ärmelkanal schicken, setzen Menschenleben aufs Spiel“, teilte SPD-Politikerin Faeser mit. Die logistische Vorbereitung für diese Taten finde oft in Deutschland statt. „Gegen dieses skrupellose Geschäft mit der Not von Menschen gehen wir jetzt gemeinsam noch stärker vor.“
Menschenrechtlern zufolge geben sich Menschen aus Mangel an legalen Fluchtwegen in die Hände von Schleppern. Europäische Staaten machten ihre Grenzen zunehmend dicht. Damit ließen sie Geflüchteten keine andere Möglichkeit, als auf gefährlichen Fluchtwegen ihr Leben zu riskieren. Schlepper nutzten die Not und Situation dieser Menschen zwar aus, ihr Geschäftsmodell werde aber durch die Abschottung der Grenzen erst ermöglicht.
Welche Rolle Deutschland spielt
Erst vergangene Woche waren Ermittler in Deutschland gegen ein Schleusernetzwerk vorgegangen. Die Verdächtigen sollen Geflüchtete in minderwertigen Schlauchbooten nach Großbritannien geschleust haben. Die Boote beziehungsweise Bauteile dafür sollen sie sich in Deutschland teilweise illegal beschafft haben.
Faeser kündigte nun eine engere Kooperation zwischen Deutschland und Großbritannien an. Sicherheitsbehörden sollen Informationen bestmöglich austauschen. Man müsse etwa auch über Geldströme an die Hintermänner kommen. Der gemeinsame Aktionsplan von London und Berlin gibt als ein übergreifendes Ziel aus, das Geschäftsmodell von Schmugglerbanden zu zerschlagen und die „irreguläre“ Migration – gemeint sind Menschen, die mangels legaler Fluchtwege Grenzen ohne gültige Einreisedokumente passieren – in beiden Staaten zu reduzieren.
Paris fordert von Großbritannien Kurswechsel
Zuletzt hatte Frankreichs Innenminister Bruno Retailleau von London einen Kurswechsel in der Flüchtlingspolitik gefordert. „Wenn so viele Flüchtlinge den Ärmelkanal überqueren wollen, dann liegt das daran, dass das britische Modell sehr attraktiv ist“, sagte Retailleau Ende November im nordfranzösischen Ambleteuse. Wenn Großbritannien seine Attraktivität für Geflüchtete nicht reduziere, werde die Zahl der Bootsflüchtlinge weiter steigen.
💬 "Il y a un bras de fer à engager"
Traversées de la Manche: Bruno Retailleau pointe du doigt les Britanniques "qui n'ont jamais rien fait pour que l'attractivité de leur modèle ne soit remise en cause" pic.twitter.com/BbKwCmj5eW
— BFMTV (@BFMTV) November 29, 2024
Retailleau übte aber auch Kritik mit anderen Vorzeichen: Großbritannien müsse legale Einwanderungsmöglichkeiten schaffen, sagte der Innenminister. Die Beziehung zwischen Frankreich und dem Vereinigten Königreich könne sich nicht darauf beschränken, das Großbritannien seinen Grenzschutz an Frankreich auslagere. Nötig sei ein neuer Rahmenvertrag zwischen beiden Ländern zum Umgang mit Geflüchteten. Das Problem löse sich nicht mit mehr Geld oder zusätzlichem Polizeieinsatz. „Wenn wir weiter machen wie bisher, wird es weitere Tote geben.“
In diesem Jahr kamen bei Überfahrten nach Großbritannien nach Polizeiangaben bereits 72 Menschen ums Leben. Großbritannien versucht, die Migration über den Ärmelkanal seit Längerem auch mit französischer Hilfe einzudämmen und zahlt dafür Millionensummen an Paris.
Zuwanderung nach Großbritannien sinkt
Die frühere britische Regierung hatte versprochen, die Zuwanderung stark einzudämmen und mehrere Maßnahmen ergriffen. Weil das nicht in größerem Maße geschah, geriet sie unter Druck. Wie aktuelle Zahlen jedoch zeigen, greifen die Maßnahmen zunehmend. So zogen zwischen Juli 2023 und Juni 2024 rund 728.000 Menschen mehr ins Vereinigte Königreich als weg, wie das Statistikamt ONS Ende November mitteilte. Das waren etwa 20 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Als Grund gilt vor allem, dass Studierende und Pflegefachkräfte keine Angehörigen mehr mitbringen dürfen.
Am Dienstag wollen Faeser und Cooper auch mit Vertretern der sogenannten Calais-Gruppe über das Thema beraten – dazu gehören neben Großbritannien und Deutschland auch Frankreich, die Niederlande und Belgien. (dpa/mig) Aktuell Politik
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