Berliner Rede zur Religionspolitik
Justizminister Maas will Staatsvertrag mit Muslimen
Staatsverträge könnten Muslime enger an die deutsche Verfassung heranführen. Deshalb plädiert Bundesjustizminister Maas für einen Staatsvertrag mit Muslimen und warnt davor, den Islam pauschal abzuqualifizieren.
Freitag, 29.05.2015, 8:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 01.06.2015, 16:45 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hat sich für einen Staatsvertrag mit den muslimischen Gemeinschaften in Deutschland ausgesprochen. Staatsverträge könnten ein wichtiger Schritt sein, „um die muslimischen Gemeinschaften enger an den Verfassungsstaat und seine Werte heranzuführen“, sagte Maas am Mittwochabend laut Redemanuskript in der Berliner Humboldt-Universität. Der Minister sieht in einem solchen Vertrag eine Chance für die Entwicklung eines deutschen Islam.
Maas zog dabei eine Parallele zum kirchlichen Arbeitsrecht. Bislang habe die katholische Kirche Mitarbeiter regelmäßig entlassen, wenn diese nach Scheidung wieder geheiratet hätten oder eine homosexuelle Lebensgemeinschaft eingegangen seien, sagte Maas. Diese Praxis war in der Gesellschaft zunehmend auf Ablehnung gestoßen. Inzwischen hat die Kirche Änderungen angekündigt. „Solche positiven Einwirkungen des staatlichen Rechts auf die Binnenorganisation der Religionsgemeinschaften kann ich mir auch bei den Muslimen gut vorstellen“, sagte Maas.
In der „Berliner Rede zur Religionspolitik“ der Juristischen Fakultät kritisierte Maas zudem radikale Islamkritik, die diese Religion pauschal als demokratiefeindlich abqualifiziert. Sie sei verfehlt und gefährlich, sagte Maas. Der Justizminister forderte die deutschen Muslime aber auch dazu auf, ihren Teil zu einer Anerkennung durch Staat und Gesellschaft beizutragen. Sie müssten sich noch besser mitgliedschaftlich organisieren, sagte Maas. Zudem forderte er einen regelmäßigen Widerspruch der Verbände gegen Extremismus und Antisemitismus unter Muslimen.
Maas verteidigte das Verhältnis zwischen dem Staat und den Religionsgemeinschaften in Deutschland und kritisierte einen „neuen Gefallen am Laizismus“. Viele verstünden die negative Religionsfreiheit falsch, sagte Maas. Sie gebe niemandem ein Recht darauf, die Religionsausübung anderer nicht sehen oder hören zu müssen. Eine Verbannung der Religion aus dem öffentlichen Raum halte er für falsch, weil sie auch Diskriminierung zur Folge habe. „Laizismus ist letztlich kein Idealfall staatlicher Neutralität, sondern die Dominanz der Areligiösen über die Religiösen“, sagte Maas.
Religionen blieben wichtig, sagte Maas und verteidigte in dem Zusammenhang auch den Sonntagsschutz. Wenn die Geschäfte geschlossen blieben, sei das auch eine Erinnerung daran, „dass unser Leben nicht nur aus Konsum und Arbeit besteht.“ (epd/mig) Aktuell Politik
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Ich kann nur nicht zustimmen, dass “Laizismus letztlich kein Idealfall staatlicher Neutralität ist, sondern die Dominanz der Areligiösen über die Religiösen”. Der Laizismus bietet allen Menschen Freiheit, umgekehrt funktioniert das leider nicht.
Tragisch, dass manche Leute immer noch nicht verstehen, dass man mit Sonderrechten und Privilegien für Religionen eben keinen Frieden schafft.
Das ist die Dummheit, die Michael Schmidt-Salomon beklagt. Ein erworbene Denkschwäche, durch religiöse Indoktrination in der Kindheit, die einem den objektiven Blick auf Religionen und deren Problematiken verwehrt.
Eine total verschobene Sichtweise auf die Welt: Wenn Religiöse nicht mehr dominieren dürfen, wird das als Dominanz der Areligiösen bezeichnet.
(Wenn es wirklich so sein sollte, ist mir die Dominanz der Areligiösen wesentlich lieber, da die Dominanz der Religiösen schon zu unglaublich viel Greueltaten und Unterdrückung geführt hat).
Herr Maas: Wenn Sie Religionsanhängern Privilegien geben, führen die sich noch mehr bestärkt, sich als bessere Menschen zu sehen. Geben Sie Religionen den kleinen Finger und sie reißen Ihnen den Arm aus.
Ich wäre für ein Modell ähnlich wie in Österreich. Religion soll und darf nicht als Machtinstrument benutzt werden. Diese Erfahrung hat Europa leider durch die Kirche machen müssen. Darin ging es nicht, die Menschen zu einem gerechten Leben zu führen, sondern sie zu kontrollieren.
Schaut man sich die Staaten Saudi-Arabien und Iran an, ist die Anwendung von Peitschenhieben (siehe den Fall Bawadi) nicht konform mit der islamischen Überlieferung: „Allah ist dem nicht barmherzig, der den Menschen nicht barmherzig ist.” (Gabir Ibn Abdullah; Buchari, Muslim) und sicherlich noch vielen Anderen.
Leider sehe ich in Deutschland eine Stärkung der eher konservativen Kreise. Problematisch ist das in dem Sinne, das eine Gesellschaft sich immer erneuern muss. Schließlich hatte auch der Prophet Mohammed das damalige System revolutioniert und die Situation für die Menschen verbessert. Sollte diese Vorstellung nicht weiter verfolgt werden?
In dem Fall S.A.S vs. France hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte völlig zu Recht das Burka-Verbot bekräftigt, denn eine Gesellschaft sollte sich um den Hunger in der Welt kümmern und nicht um das Tragen einer Burka. Die Herausforderung ist, die Kriege zwischen Menschen zu beenden. Eine Religion schafft das nur bedingt, da der Mensch immer geneigt ist, sich die Lorbeeren zu nehmen.
Nur beobachte ich nur zu oft einen Aufschrei, wenn es die eigene Gruppe betrifft. Als in Kenia 150 Menschen starben, interessierte es kaum jemand. Wer spricht heute noch ernsthaft über die Muslime in Myanmar oder in Yarmouk? Scheinbar passen die Menschen dann nicht mehr in das Modell, wenn politische Ziele einzelner Vereine und Gruppen dadurch nicht erreicht werden können.
Die Frage ist für mich daher immer, ob es manchen Menschen ernsthaft um ein friedliches Zusammenleben geht oder mehr darum, wer am Ende mehr Rechte gegenüber anderen Menschen hat. Ich hoffe sehr, die Menschheit ist schlau geworden aus all den Ereignissen der letzten Jahrzehnte. Manchmal bezweifel ich das jedoch ernsthaft!