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Skandalurteil

Richter und AfD-Mitglied verbietet Extremismusforscher NPD-Kritik

Ein Urteil des Dresdner Landgerichts schlägt hohe Wellen: Ein Richter und AfD-Mitglied hat einem renommierten Extremismusforscher verboten, NPD-kritische Äußerungen zu wiederholen. Forscher sehen die Wissenschaftsfreiheit in Gefahr.

Freitag, 20.05.2016, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 26.05.2016, 21:34 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Politikwissenschaftler in ganz Deutschland haben das Verbotsurteil des Dresdner Landgerichts zu NPD-kritischen Aussagen kritisiert. „Der Beschluss des Landgerichts beschneidet die Wissenschaftsfreiheit“, erklärte die Deutsche Vereinigung für Politische Wissenschaft am Donnerstag in Osnabrück. Die Forscher reagierten damit auf eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Dresdens, die dem Dresdner Extremismusforscher Steffen Kailitz die Wiederholung NPD-kritischer Äußerungen untersagt. (AZ: 3 O 925/16 EV)

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Forschungsergebnisse öffentlich darzustellen, gehöre zu den zentralen Aufgaben von Wissenschaftlern, hieß es in einer Stellungnahme der Vereinigung für Politische Wissenschaft. Natürlich dürften sowohl die Forschung als auch darauf beruhende Schlussfolgerungen kritisiert werden. „Aber deren Veröffentlichung gerichtlich zu unterbinden, schränkt die Freiheit der Wissenschaft unzulässig ein“, betonten die Politologen.

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Am Mittwoch war bekanntgeworden, dass das Dresdner Landgericht dem Wissenschaftler untersagt hat, bestimmte kritische Aussagen über die rechtsextreme NPD zu wiederholen. Erlassen wurde das Urteil bereits am 10. Mai durch den Richter am Landgericht, Jens Maier. Maier ist Mitglied der rechtspopulistischen AfD und soll dem Antrag des NPD-Anwalts Peter Richter vollständig gefolgt sein, ohne das Verbot jedoch zu begründen. Kailitz war im März im NPD-Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe als einer von vier Sachverständigen aufgetreten. Er gilt als einer der renommiertesten Extremismusforscher in Deutschland.

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„Unser Kollege Kailitz darf nicht mehr öffentlich und in Fachpublikationen vertreten, dass die NPD ‚rassistisch motivierte Staatsverbrechen‘ plane und ‚acht bis elf Millionen Menschen aus Deutschland vertreiben‘ wolle, darunter ‚mehrere Millionen deutscher Staatsbürger mit Migrationshintergrund‘, hieß es in der Stellungnahme der Politologen. Diese Äußerungen beruhten auf seiner jahrelangen wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit politischem Extremismus im Allgemeinen und mit der NPD im Speziellen.

Geradezu grotesk wirke der Beschluss des Landgerichts Dresden vor dem Hintergrund, dass Kailitz vom Bundesverfassungsgericht Anfang März als Sachverständiger im NPD-Verbotsverfahren angehört wurde, so die Vereinigung. Aufgrund der angedrohten weitreichenden Konsequenzen erscheine es schwer verständlich, weshalb der Unterlassungsbeschluss ohne mündliche Verhandlung erging, und dass eine Begründung der Entscheidung nicht vorliegt. „Wir haben volles Vertrauen, dass der Beschluss des Landgerichts Dresden korrigiert werden wird, so dass auch zukünftig eine politikwissenschaftlich fundierte Kritik extremistischer Parteien möglich bleibt“, erklärten die Forscher.

Auch Kailitz sprach in einem epd-Gespräch von einem „Skandalurteil“. Der 47-jährige Politikwissenschaftler am Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung in Dresden hat mittlerweile über seinen Anwalt Berufung gegen die einstweilige Verfügung eingelegt.

Im epd-Gespräch kritisierte der Forscher, dass das Dresdner Landgericht allein durch den Einzelrichter Maier das Urteil ohne eine mündliche Anhörung sowie ohne Urteilsbegründung gefällt habe. Dies sei „sehr ungewöhnlich“, sagte der Forscher. Sollte das Urteil Bestand haben, sieht Kailitz seine Karriere als Wissenschaftler gefährdet. Weitere seiner Artikel, Gutachten, Studien und Analysen über die NPD dürfte er dann nicht mehr weiterverbreiten. Auswirkungen auf das laufende NPD-Verbotsverfahren in Karlsruhe sieht der Extremismusforscher indes nicht. (epd/mig) Leitartikel Recht

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  1. aloo masala sagt:

    Schande über Euch Migazin, dieser Artikel schadet langfristig der guten Sache gegen den Rechtsextremismus.

    Der Artikel verfälscht im gleichen Stil wie die Berichterstattung der Mainstream-Medien den Sachverhalt. Warum, werde ich gleich sagen. Was aber gar nicht geht ist, dass man ohne Belege einen Richter aufgrund seines AfD Parteibuchs in die Nähe der NPD rückt. Das hat mit Aufklärung nichts mehr zu tun und fällt in die Kategorie plumper Agitation.

    So wie der Sachverhalt im Artikel dargestellt wird, sieht es tatsächlich so aus, dass der AfD-Richter dem Wissenschaftler den Mund verbietet und die Meinungsfreiheit unzulässig einschränkt.

    Doch der Artikel zitiert die umstrittenen Aussagen von Kailitz selektiv, so dass die Argumentation von einem Skandalurteil Sinn macht und man das Gerichtsurteil völlig zu recht kritisieren muss. Selektiv zitieren ist jedoch in diesem Fall eine Manipulation, um der eigenen Sichtweise das nötige Fundament zu verleihen.

    Worum geht es tatsächlich? Kailitz schrieb in einem Gastbeitrag die folgenden Zeilen:

    *** Die NPD lässt jedoch in ihren Programmen keinen Zweifel daran, dass sie die demokratische Grundordnung Deutschlands durch eine völkische Diktatur ersetzen würde. Unmissverständlich plant sie rassistisch motivierte Staatsverbrechen. Sie will acht bis elf Millionen Menschen aus Deutschland vertreiben, darunter mehrere Millionen deutscher Staatsbürger mit Migrationshintergrund. Erst durch die Vertreibung aller ethnischen Nichtdeutschen entsteht aus Sicht der NPD die herbeigesehnte „nationale und soziale Volksgemeinschaft“.***

    Die NPD reagierte auf diese Aussage mit einer Unterlassungsklage. Die Argumentation der NPD ist, dass Kailitz falsche Tatsachen über das Programm der NPD verbreitet. Kailitz hätte deutlich machen müssen, dass es sich um seine eigene Bewertung, nicht um den Inhalt des Parteiprogramms handelt. Damit werde die Partei „als Verbrecherin gebrandmarkt.

    Die NPD fordert in ihrem Programm beispielsweise eine „gesetzliche Rückführung der derzeit hier lebenden Ausländer“, wobei der Begriff „Ausländer“ ethnisch definiert anstatt nach Staatsangehörigkeit. Dass die NPD „rassistisch motivierte Staatsverbrechen plane“ und eine „völkische Diktatur“ errichten will, klingt mehr als plausibel, ist auch für sich genommen eine zulässige Meinungsäußerung, kann jedoch definitiv nicht dem Programm entnommen werden.

    Genau hierin besteht der Streit, über das ein Gericht entscheiden muss: Ist Kailitz Äußerung eine persönliche Bewertung des Parteiprogramms oder verbreitet er falsche Tatsachen über das Programm der NPD, die nicht mehr durch die freie Meinungsäußerung gedeckt sind? Sagt Kailitz, im Programm stehe, dass die NPD eine völkische Diktatur errichten will oder kommt Kailitz zum Schluss, dass die NPD eine völkische Diktatur errichten will? Das sind zwei völlig unterschiedliche Dinge für die Rechtsprechung.

    Dieser Artikel verfälscht den Sachverhalt. Der Bezug, den Kailitz zum NPD Programm direkt herstellt wird nicht zitiert, der eigentliche Verhandlungspunkt wird dem Leser nicht erklärt und stattdessen attackiert man den Richter wegen seines Parteibuchs. Nicht der Richter ist befangen und korrupt, wir sind es mit unseren Falschdarstellungen.

    Das ist Journalismus der schäbigsten Art. Wenn wir unaufrichtig und unglaubwürdig sind, dann schaden wir langfristig unser eigenes Engagement gegen den Rechtsextremismus. Wir tragen dazu bei, dass sich Rechtsextreme, Pegidisten und AfD-Anhänger in ihrem Lügenpresse-Vorwurf bestätigt sehen. Warum sollte beispielsweise ein Flüchtlingsgegner noch irgendetwas über inhaltlich korrekte Darstellungen der Medien über die verheerende Situation der Flüchtlinge glauben? Schande über Euch, Migazin.