„Wir stammen alle aus einer Migrationsbewegung“
Migration ist fast so alt wie der Mensch selbst. Das zeigt eine Sonderausstellung im Neanderthal-Museum über Wanderungsbewegungen der Menschheit. Sie vermittelt dabei neue Perspektiven auf die aktuelle Flüchtlingsdebatte.
Von Andreas Rehnolt Montag, 15.05.2017, 4:20 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 15.05.2017, 22:07 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
„Alle heute lebenden Menschen sind ganz eng miteinander verwandt“, ist der Direktor des Neanderthal-Museums in Mettmann, Gerd Christian Weniger, überzeugt. „Wir stammen alle aus einer Migrationsbewegung von Ostafrika“, erklärt Weniger zur Samstag startenden Sonderausstellung „Zwei Millionen Jahre Migration“ in seinem Museum. Die Ausbreitung des modernen Menschen liege etwa 70.000 Jahre zurück.
Die Schau solle mit Blick auf die früheste menschliche Entwicklungsgeschichte zeigen, dass Mobilität und Migration selbstverständliche Bestandteile des Menschseins und kein modernes Phänomen seien, erläutert Kuratorin Melanie Wunsch. Der Plan zu der Ausstellung entstand im Jahr 2015, auf dem Höhepunkt der jüngsten Flüchtlingsbewegung. Als „echte Wanderausstellung“ wird die Schau nach ihrem Ende im Neanderthal-Museum am 5. November auch in anderen Orten in Deutschland zu sehen sein.
Die Schau präsentiert zunächst die Wurzeln der Menschheit: Anschaulich erzählt die Ausstellung mit unterschiedlichen Exponaten davon, wie sich vor etwa zwei Millionen Jahren in Ostafrika der Homo erectus entwickelt hat. Vertreter des Homo erectus und später anatomisch moderne Menschen kamen aus Afrika nach Asien und Europa und haben sich von dort weiter ausgebreitet.
Pro Generation zogen die ersten Menschen laut den Ausstellungsmachern etwa zwei Kilometer in ihren „Schweifgebieten“ weiter. Vor 1,8 Millionen Jahren hätten sie so Eurasien, vor 1,2 Millionen Jahren dann Südostasien und Spanien erreicht. Ursache für die frühen Wanderungsbewegungen seien immer auch abrupte Klimawechsel gewesen, erklärt Kuratorin Wunsch. Europa und Asien seien noch vor 200.000 Jahren „risikoreiche Randgebiete der frühen Menschen“ gewesen.
Erst vor rund 7.000 Jahren wanderten Ackerbauern und Viehzüchter aus der heutigen Türkei nach Europa ein, wie Museumsdirektor Weniger erläutert. Sie vermischten sich mit der hier ansässigen Bevölkerung. „Man duldete sich anscheinend und kam sich gegenseitig nicht ins Gehege“, sagt Melanie Wunsch. Ob die Jäger und Sammler und die frühen Bauern mit Zurückhaltung, Verwunderung oder Neugier auf die Fremden reagierten, sei nicht bekannt. Auf jeden Fall gebe es „keine Belege für Konflikte mit den neuen Nachbarn.“
Info: Die Ausstellung ist dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Orte Neanderthal Museum – Talstraße 300 – 40822 Mettmann
Vor 4.000 Jahren gab es laut Wunsch erneut eine Wanderung von Menschen aus den östlichen Steppen Richtung Westen. Auch in dieser Zeit kam es zu einer „Vermischung und zum Kulturaustausch.“ In mehreren Koffern zeigt die Schau, was die ganz frühen Migranten auf ihrer Wanderung nach Europa im Gepäck hatten: Einfache Werkzeuge, Nahrungsmittel, manchmal sogar schon Spielzeuge oder frühe Waffen. All das wurde dann immer auch als Tauschgegenstand genutzt.
Die interaktive Ausstellung informiert auch über die Hintergründe der frühen und der heutigen Wanderungsbewegungen. Motivation für eine Abwanderung an einen anderen teilweise auch weit entfernten Ort waren „immer auch Klimaveränderungen, Hunger, Krieg, Seuchen oder aber Abenteuerlust“, sagt Kuratorin Wunsch. Besucher erfahren auch, dass die „Balkanroute“ für Migranten wegen ihrer günstigen Geografie bereits seit Tausenden von Jahren eine beliebte und sichere Route gewesen ist. Migration „muss uns keine Angst machen, und das wird uns auch nicht umbringen“, erklärt Wunsch: „Wir haben das als Mensch immer schon geschafft und schaffen das auch heute noch.“ (epd/mig) Aktuell Feuilleton
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