Sprichwörter
Mediale Bilder in den Köpfen – selbstgepflanzt und kräftig gedüngt
Ein türkisches Sprichwort lautet, „adın çıkacağına canın çıksın“ und beutet so viel wie: Ehe dein Name (im negativen Sinne) bekannt wird, stirbst du lieber. Wie wahr!
Von Ekrem Şenol Montag, 25.07.2011, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 27.07.2011, 0:28 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Kurz nach dem Anschlag in Oslo und waren sich nahezu alle Medien sicher: „Ein islamistischer Terrorakt ist nicht auszuschließen.“ Eine leere Phrase! Denn zu diesem Zeitpunkt konnte man nicht einmal ausschließen, ob die Detonation von Aliens ausgelöst wurde.
Aber nein, es wurde darüber spekuliert, ob es Islamisten gewesen sind. Über andere Täterkreise wurde nicht einmal spekuliert. Das würde ja nicht in das Bild in den Köpfen passen, das die Medien selbst eingepflanzt und bei jeder sich bietenden Gelegenheit kräftig gedüngt haben. Und die Wahrscheinlichkeit – dachten sich wohl die „Experten“ – dass man mit Islamisten einen Treffer landet, ist viel größer. Falsch spekuliert. Denn von den 249 Terroranschlägen im Jahr 2010, die auf europäischem Boden verübt wurden, wurden lediglich drei von islamistischen Terroristen begangen – Quelle: Europol. Dennoch. Wenn es mal schnell gehen muss, zieht man bekannte Schablonen aus der Schublade und berichtet auf Lücke, so wie wenn man keine Zeit hat, sich ordentlich auf eine Prüfung vorzubereiten und das vermeintlich Wichtigste lernt.
Rund 24 Stunden nach den Anschlägen in Norwegen belegt ein Suchlauf im Internet, wie nahezu die gesamte Medienlandschaft Deutschlands durchgefallen ist. Die Suchphrasen „Islamist“, „Terror“ und „Oslo“ ergaben 2 563 Artikel, die seit dem Anschlag veröffentlicht wurden. Gleich mehrere Suchläufe mit den Begriffen „Christ/christlich/rechtsextrem/Rechts“ in Kombination mit „Terror“ und „Oslo“ hingegen brachten es zusammen gerade einmal auf insgesamt 43 Suchergebnisse. Nicht falsch verstehen! Es geht um die Zahl 2 563, die nachdenklich stimmen sollte und nicht um die 43. Noch einmal: das Ganze 24 Stunden nach dem Anschlag!
Denn zu diesem Zeitpunkt hatte die norwegische Polizei den Täter längst gefasst: ein blonder, rechtsextremer, konservativer, christlicher Islamhasser – blauäugig obendrauf, so wie die hiesigen Medien. Noch peinlicher ist aber, dass eine Reihe „seriöser“ Medien ihre schnellen „nicht auszuschließen“-Berichte, die mit gefährlich aussehenden vollbärtigen Männern geschmückt wurden, mittlerweile wieder gelöscht haben – kommentarlos! Gelesen und gesehen wurden sie ja bereits – zu einem Zeitpunkt, als das Interesse am größten war.
Was wohl gewesen wäre…
Und nun stelle man sich vor, was wohl gewesen wäre, wenn die norwegische Polizei den Täter nicht so schnell oder überhaupt nicht gefasst hätte. Hätte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich dann auch verkündet, dass sich aus dem Anschlag in Norwegen für Deutschland keine Veränderung der Sicherheitslage ergibt? Weil es in Deutschland keine Rechtsextremisten oder Christen gibt? Nein, natürlich nicht. In Deutschland gibt es Rechtsextremisten genauso wie Christen und sogar welche, die rechtsextrem und christlich zugleich sind = Gefahr². Nein, natürlich nicht.
Die Reaktion des norwegischen Ministerpräsidenten Jens Stoltenberg auf den Terrorakt: „Die Anschläge werden Norwegen verändern. Die Antwort des Landes muss sein: noch mehr Demokratie und Offenheit“.
Der Grund für die nüchterne und sachliche Bewertung Friedrichs liegt allein darin, dass es vollkommen überzogen wäre, aus einem Anschlag eines „fanatisierten Einzeltäters“ – so wie er ihn beschreibt – gleich eine erhöhte Gefahrenlage zu konstruieren. Insofern wäre es auch überzogen gewesen, wenn er ein Antiterrorpaket geschnürt und Gesetzesverschärfungen gefordert hätte – wie nach dem Anschlag auf zwei US-amerikanische Soldaten am Frankfurter Flughafen geschehen. Und überzogen wäre es auch gewesen, wenn er von den christlichen Kirchen und rechtsextremen Gruppierungen eine Distanzierung und Verurteilung der Tat verlangt hätte. Das würde nichts bringen: Zum einen würden sie sich zu Recht unter Generalverdacht gestellt und beleidigt fühlen und zum anderen dürften sie wohl kaum Einfluss darauf haben, dass irgendwann irgendein Geisteskranker nicht doch wieder Amok läuft.
Nein, das zu verhindern, ist primäre Aufgabe des Staates. Ihm obliegt die Sicherheit im Staatsgebiet. Und da steckt Deutschland leider noch tief in den Kinderschuhen. Wie tief, lässt sich anhand einer Antwort – lesen! – des bayerischen Verfassungsschutzes auf eine parlamentarische Anfrage zum Internetportal Politically Incorrect – ein Internetportal, die vergleichbar ist mit Seiten, in denen der Täter häufig gegen den Islam gehetzt hat – entnehmen. Aber immerhin war dem Bayerischen Innenministerium der Name überhaupt ein Begriff. Das CDU-geführte Bundesinnenministerium hatte auf eine ähnliche Anfrage einmal geantwortet, dass noch nicht einmal Erkenntnisse vorliegen.
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Die „nicht-auszuschließen“-Artikel die du erwähnst, hatten bei uns in Bergkamen Konsequenzen. Aufgrund der voreiligen Berichterstattungen, so vermute ich zumindenst, hat man einen Brandanschlag auf unsere Moschee versucht. Wahrscheinlich als Racheaktion.
Mittlerweile ist dieser Artikel erschienen:
http://www.igmg.de/nachrichten/artikel/2011/07/25/brandanschlag-auf-igmg-moschee-in-bergkamen.html
Naja, mit Seiten wie „dawa-news.de“, oder „salafimedia.net“, wo übel gehetzt wird gegen alle Andersgläubigen und -denkenden bis hin zu Terrorverherrlichung, und den entsprechenden Vereinen tut sich der Staat ja auch ungemein schwer.
Das hat jedenfalls nichts mit „auf dem rechten Auge blind“ zu tun.
„Ein islamistischer Terrorakt ist nicht auszuschließen.“
Herr Senol,
dass Sie so kurz nach diesem abscheulichen Verbrechen hier Ihren Frust ablassen müssen, mag verständlich sein. Es ist aber doch sehr pietätslos und etwas unappetitlich. Sei Sie doch mal ehrlich: auch Sie werden nicht ausgeschlossen haben, dass es „Islamisten“ waren.
Ich persönlich hatte mehr an Gaddafi gedacht, wobei man streiten kann, ob Gaddafi ein „Islamist“ ist.
Selbst in einer türkischen Zeitung war in einem Kommentar davon die Rede, dass viele (Muslime!) einen Seufzer der Erleichterung ausgestossen haben, als bekannt wurde, dass es ein „Christ“ war. Der Kommentar nahm dies als Zeichen für die Neurose (mein Wort), die bereits um den Kampf gegen den Terror entstanden ist. Dieser Interpretation stimme ich zu.
Was mir bei Ihrem Kommentar nicht behagt, ist, dass Sie einerseits versuchen, Kapital aus diesem entsetzlichen, an Bösartigkeit kaum zu übertreffenden Verbrechen zu ziehen und im selben Atemzug anprangern, dass Ihre „Lieblingsfeinde“ genau das gemacht hätten, wenn es denn ein „Islamist“ gewesen wäre.
Wenn Sie doch nur geschwiegen hätten … !!!
Übrigens Herr Senol,
sehen Sie den Täter doch mal als den entwurzelten, gescheiterten jungen Mann, der er war. Die Eltern geschieden, seit er ein Jahr alt ist. Ein Diplomatenkind – verstoßen. Erfolglos. Orientierungslos.
Im Internet hat er wohl die „Freunde“ (und Anerkennung?) gefunden, die er im richtigen Leben nicht hatte. Irgendwann muß er die Scheinwelt des Internet für das richtige Leben gehalten haben. Er hat den Quatsch, den er dort las, für die „Wahrheit“ gehalten.
Die Hetzseiten, die Sie anprangern, haben seinen Anfangshaß immer wieder neu genährt. Zum Ende war er so vernebelt, ja besessen, dass er nicht nur ein schlimmes Verbrechen begangen hat, er meint sogar, eine „Heldentat“ vollbracht zu haben.
Auch Migazin wird von vielen instabilen, Oriertierung-suchenden jungen Menschen besucht. Ich finde – und das habe ich bereits früher bemängelt – auch bei Migazin wird ein Zerrbild der deutschen Gesellschaft gezeichnet. Auch hier wird Haß geschürt und zu selten Wege in die erfolgreiche Integration in die deutsche Gesellschaft aufgezeigt.
Werden Sie Ihrer Verantwortung gerecht und stellen Sie endlich hier Deutschland als das Land der vielen Möglichkeiten dar, das es ist – für alle Menschen, die hier leben. Führen Sie zusammen und spalten Sie nicht!
@ Werner:
Zu diesem Kommentar:
„sehen Sie den Täter doch mal als den entwurzelten, gescheiterten jungen Mann, der er war. Die Eltern geschieden, seit er ein Jahr alt ist. Ein Diplomatenkind – verstoßen. Erfolglos. Orientierungslos.“
Diese Aussage kann man nur als heuchlerisch und verharmlosend bezeichnen. Warum wird bei einem nicht-christlichen Terroristen die Familiengeschichte nicht betrachtet? Was bewegt wohl diese Menschen zu solch unmenschlichen Taten? Etwa der Glaube? Oder doch eher die Wille nach Rache für eine von den westlichen Mächten „zerbombte“ Familientragödie.
Persönlich finde ich, dass momentan versucht wird, diesen fundamentalistisch-christlichen Terroristen als einen verstörten und pshychischkranken Einzeltäter darzustellen.
Soni
Es gibt keine „fundamentalistisch-christlichen Terroristen“. Diese Behauptung ist nichts anderes als grenzdebiles Gesabbel.
Hallo DBB
wissen Sie was ich sehr interessant finde? Diejenigen, die vorher stets mit den Fingern auf den Islam gezeigt haben, finden sich nun selbst in der Verteidigungspossition. Da es mir , Gott sei Dank, nicht an der Empathiefähigkeit fehlt, kann ich momentan Ihre Situation bestens nachvollziehen.
Aber Soni,
ich greife doch hier an und verteidige nichts. Wie käme ich dazu, Herrn Breivick zu verteidigen? Ich greife die Art und Weise an, wie hier ständig der Haß von Leuten genährt wird, die auch entwurzelt, orientierungslos und leicht beeinflußbar sind.
Und, wieso unterstellen Sie mir, dass ich mich bei islamistischen Tätern nicht für ihre Familiengeschichte interessiere?
> Etwa der Glaube? Oder doch eher die Wille nach Rache für eine von
> den westlichen Mächten “zerbombte” Familientragödie.
An welchen Terroristen denken Sie? An welches Verbrechen? Da müssen Sie schon konkreter werden, wenn Sie das diskutieren wollen.
Aber hier geht es doch um das, was Herr Senol schreibt! Und da finde ich, dass er dringend in sich gehen muß und sein Verhalten überprüfen!!!