Integrationskurs
Populistische Integrationspolitik nach Kassenlage
Bundesregierung verschlechtert Integrationskursangebot und verweigert eine gerechte Entlohnung der Lehrkräfte - Sevim Dağdelen kommentiert die Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage zur Finanzierung der Integrationskurse.
Von Sevim Dağdelen Dienstag, 13.09.2011, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 14.06.2015, 20:22 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Infolge der letztjährigen Sparmaßnahmen bei Integrationskursen ist es zu einem Rückgang der neuen Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Jahr 2010 im Vergleich zum Vorjahr um 23,6 Prozent gekommen (nur noch 88.629 statt zuvor 116.052 Personen). Die Zahl der neu begonnenen Sprachkurse ist im zweiten Halbjahr 2010 gegenüber dem Vorjahreszeitraum ebenfalls um über 20 Prozent gesunken. Die Bundesregierung behauptet zwar, es habe keine Einschränkung beim Integrationskursangebot gegeben, doch die Zahlen strafen sie Lügen. Dies sind wesentliche Erkenntnisse aus der Antwort der Bundesregierung auf die parlamentarische Anfrage der Fraktion DIE LINKE. zu den Auswirkungen der Sparmaßnahmen bei Integrationskursen und zur unzureichenden Bezahlung der Lehrkräfte (BT-Drs. 17/6820).
Eine weitere wesentliche Erkenntnis ist, dass die durchschnittlich gezahlten Honorare für Lehrkräfte im Integrationskursbereich auf niedrigem Niveau zuletzt noch einmal leicht auf aktuell 18,14 Euro pro Unterrichtseinheit gesunken sind. Dessen ungeachtet weigert sich die Bundesregierung ausdrücklich, Maßnahmen für eine bessere Entlohnung der Lehrkräfte zu ergreifen, obwohl dies zuletzt selbst die Integrationsministerkonferenz gefordert hatte. Da sich die durchschnittliche Kursgröße von 14,5 auf 12,5 Personen verringert hat – und damit auch die Pauschalvergütung an die Sprachkursträger – ist mit einer Anhebung der Dumpinglöhne auf HARTZ IV-Niveau im Integrationskursbereich in absehbarer Zeit nicht zu rechnen.
Die Verschlechterung des Integrationskursangebots ist umso skandalöser, als die Bundesregierung keine Gelegenheit auslässt, Migrantinnen und Migranten mit vorwurfsvollem Unterton zum Deutsch-Lernen aufzufordern. Sie tut geradezu so, als wenn sie dies nicht täten und sie hierzu erst gezwungen werden müssten und schürt damit Vorurteile. Zugleich werden Aufenthaltsrechte zunehmend vom Nachweis deutscher Sprachkenntnisse, und damit vom sozialen Status, dem Alter und dem Bildungshintergrund der Betroffenen abhängig gemacht. Nachdem Deutschkenntnisse seit 2007 bereits im Ausland nachgewiesen werden müssen, um zu einem hier lebenden Ehegatten ziehen zu dürfen, ist infolge einer Gesetzesverschärfung seit Juli 2011 sogar ein Sprachnachweis auf hohem Niveau erforderlich, bevor eine längerfristige Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Kein anderes EU-Land kennt derartig hohe Sprachhürden im Aufenthaltsrecht. Dass grundlegende Rechte von individuellen Sprachnachweisen abhängig gemacht werden, ist nach meiner Auffassung menschenrechtswidrig und inakzeptabel.
Allerdings passt diese Entwicklung ins Bild: Die Bundesregierung verengt seit jeher die Debatte um Integration auf den Aspekt des individuellen Spracherwerbs. Sie lastet entsprechende Defizite nicht etwa einem selektiven und ausgrenzenden Bildungssystem an, sondern in der Regel den Betroffenen bzw. deren angeblich nicht an der Bildung ihrer Kinder interessierten Eltern. Aktuelle Studien belegen allerdings genau das Gegenteil: Insbesondere türkische Migrantinnen und Migranten messen der Bildung ihrer Kinder den höchsten Stellenwert bei. Der Bundesregierung ist es jedoch wichtiger, rechtspopulistische Zerrbilder angeblicher „Integrationsverweigerung“ weiter zu befördern, in der öffentlichen Debatte wie durch entsprechende Gesetzesverschärfungen. Unter dem Label der „Integration“ wird zumeist Des-Integration und Ausgrenzung betrieben. Betroffen sind vor allem jene, die als „unnützer Ballast“, „unnütz“ bzw. ökonomisch nicht „verwertbar“ betrachtet und dargestellt werden. Sarrazin lässt grüßen…
Skandalös ist auch der Umgang der Bundesregierung mit den zumeist auf Honorarbasis arbeitenden Lehrkräften im Integrationskursbereich, von denen bezeichnenderweise 85 Prozent Frauen sind. Nicht einmal mehr als Lippenbekenntnis strebt die Regierung noch deren bessere Bezahlung an, obwohl die prekäre Beschäftigungssituation der Lehrkräfte natürlich auch die Qualität der Sprachkurse beeinträchtigt. Die Regierung rühmt sich der Integrationskurse als „Erfolgsgeschichte“ – doch die überaus qualifizierten Lehrkräfte, die diese Geschichte tagtäglich schreiben (müssen), werden mit Hungerlöhnen abgespeist. DIE LINKE unterstützt deshalb die Lehrkräfte und Gewerkschaften in ihrer Forderung nach einem Mindesthonorar in Höhe von 30 Euro pro Unterrichtseinheit. Die Erhöhung der Honorare würde endlich dazu führen, dass viele Lehrkräfte trotz aufwändiger Lehrtätigkeit nicht mehr auf aufstockende Hilfen angewiesen wären.
Die für das Jahr 2012 geplante geringfügige Anhebung der Mittel für Integrationskurse um 6 Mio. Euro auf 224 Mio. Euro ist jedenfalls vor diesem Hintergrund völlig unzureichend. Zwar soll es keine direkten Zulassungsbeschränkungen wie im Jahr 2010 mehr geben. Wirksam sind allerdings nach wie vor die strukturellen Verschlechterungen des Kursangebots, gegen die Sprachkursträger und Lehrkräfte energisch protestiert hatten. Zu Verschlechterungen gehören etwa die restriktivere Praxis bei der Zulassung von Teilzeit- und Alphabetisierungskursen, bei der Fahrkostenerstattung und bei der Kinderbetreuung. Das Integrationskursangebot wird nicht dem tatsächlichen Bedarf entsprechend ausgestaltet, sondern umgekehrt: das Angebot wird soweit verschlechtert, bis die unzureichenden Haushaltsmittel „ausreichen“, weil sich weniger Interessierende zu einem Kurs anmelden. DIE LINKE fordert im Gegenteil eine Anpassung an den tatsächlichen Bedarf und damit eine erhebliche Aufstockung der Finanzmittel für ein uneingeschränktes, qualitativ hochwertiges Sprachkursangebot und eine faire Entlohnung der Lehrkräfte. Dies ist eine Frage der sozialen Gerechtigkeit. Leitartikel Meinung
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Es ist auch nicht nur eine Frage von Bezahlung: das gesamte Integrationskurskonzept mit der Alternative 5*5 Unterrichsstunden unterm Tag (vorm. od. nachmi.) – alternativ mindestens 12,5 h /Woche – also 4 * 3h abends – ist für den typischerweise prekär beschäftigten AusländerIn nicht regelmäßig erreichbar. Es braucht hier dynamischere, Internet unterstützte Angebote.
Der Karren ist alles in allem so verfahren, allein vor Ort wollten wir ihn auch nicht herausziehen, also bei uns in Bad Reichenhall gibt es keine Kurse mehr, die Ausländerbehörde verpflichtet mangels erreichbarem Angebot auch niemand mehr. Das sollte Schule machen.
Sehr geehrte Frau Dagdelen,
ich bedanke mich sicher auch ihm Namen vieler KollegInnen für Ihren engagierten Artikel. Im Zusammenhang mit der heute aufgekommenen Diskussion, Deutschland habe im Vergleich zu anderen europäischen Ländern 10 % weniger Akademiker, möchte ich mich gern weitergehend dazu äussern. Wozu Akademiker werden, jahrelang studieren, Zusatzausbildungen, egal ob vom BAMF oder einer anderen Institution gefordert. Meine eine Tochter ist eine SozPäd, mies bezahlt und mit einer die Seele sehr beanspruchenden Arbeit, die andere ist Reiseverkehrskauffrau, diese beiden verdienen ungefähr das gleiche. Ich die Mutter, Akademikerin (Germanistik und Geschichte) Marketingfachkauffrau, Lektorin, Korrektorin, Nachhilfelehrerin habe auch im Angestelltenverhältnis noch nie mehr als 3.200 € verdient, wohlgemerkt, ich werde in diesem Jahr noch 60. Meine Rente ist minimal klein, ich habe meine Kinder allein erzogen. Ein männliches Mitglied meiner Familie, Volljurist, abeitet in der Politik, noch ziemlich unten, und muss sich mit seiner Frau überlegen, ob sie sich ein zweites Kind leisten können. Ich verdiene doch nichts, ich bekomme 621 € Rente, ja wofür denn das Ganze?? Viele in meiner Familie haben studiert, Bildung war meinen Eltern sehr wichtig, aber keiner hat es bisher auf die wohlhabenden Ebene geschafft. Wir werden miserabligst bezahlt, wir Akademiker!!!!! Ob es etwa auch daran liegt, dass wir so wenige Akademiker haben???
Und noch etwas. Mit ausländischen Akademiker können wir bereits heute die Straßen pflastern, wenn wir in deren Sprachkenntnisse großzügig investieren würden, dann hätten wir die Fachleute doch schon längst vor Ort, nach denen unsere ach so realitätsnahen Politiker schreien? Ach übrigens kommen die eigentlich alle mit perfekten Deutschkenntnissen hierher?????????? In diesem Sinne wünsche ich eine gute Zeit, Eva Reichow
Na, wenn man Germanistik und so´n Quatsch studiert muß man sich nicht wundernd daß man am Hungertuch leidet.. Die meisten Muslime studieren so einen Unsinn. Technik ist gefragt in Deutschland. Das unser Staat Islamwissenschaftler bezahlt ist nicht im Sinne des Steuerzahlers.