Buchtipp zum Wochenende
Allah Unser: Der Dialog
Eine Muslimin und eine Christin, beide Studentinnen, treffen sich im Zug. Zwischen ihnen entspinnt sich ein sehr privates Gespräch über das Leben nach dem Tod, den Sinn des Lebens, die Liebe und über gegenseitige religiöse Vorbehalte. Trotz der unterschiedlichen Welten entdecken sie verblüffende Übereinstimmungen. MiGAZIN bringt einen Auszug aus dem Buch:
Freitag, 22.03.2013, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 26.03.2013, 7:51 Uhr Lesedauer: 11 Minuten |
Alisa: Mag sein, dass es viele Gemeinsamkeiten zwischen unseren Religionen gibt. Trotzdem sind da einige Dinge bei euch, die ich überhaupt nicht verstehe. Zum Beispiel die Sache mit der Dreifaltigkeit. Wenn wir Muslime beten, dann beten wir zu Allah und nicht etwa zu einem Propheten. Ihr Christen betet zu Gott, dem Vater, zu Jesus, seinem Sohn, und zum Heiligen Geist. Dann sagt ihr, dass ihr wie wir an einen Gott glaubt.
Britta: Dreifaltigkeit heißt nicht, dass es drei Götter gibt. Es gibt nur ein göttliches Wesen, das sich den Menschen in drei unterschiedlichen Personen nähern kann. Als der Vater, als Jesus, der Sohn, oder als der Heilige Geist. Du kannst dir die Dreifaltigkeit als Kleeblatt vorstellen. Es hat zwar drei Blätter, aber sie bilden miteinander einen Klee.
Zu Gott, dem Vater, bete ich als meinem Schöpfer. Zu Jesus bete ich wie zu einem Freund, der mich durch mein Leben begleitet. Er war genauso Mensch, wie ich Mensch bin, und versteht mich deshalb in allen Lebenssituationen. In Jesus begegnet Gott mir sozusagen auf Augenhöhe. Zum Heiligen Geist bete ich als göttlicher Kraft und göttlicher Liebe, die mein Handeln und die Welt leitet. Er ist in mir, in meinem Herzen, wenn ich es zulasse.
Alisa: Bei uns drücken sich die verschiedenen Beziehungen, die wir zu Allah haben können, durch Allahs 99 Namen aus.
Britta: Diese 99 Namen haben auch für unsere Gottesbeziehung Bedeutung. Alle Beziehungen zwischen Allah und den Muslimen, die darin ausgedrückt sind, gelten ebenso für die Beziehungen zwischen Gott und den Christen. Ich verstehe aber auch einige Dinge am Islam nicht. Muslim zu sein, heißt zum Beispiel, sich in allen Dingen Allahs Willen zu unterwerfen. Im Christentum strebt Gott eine echte Beziehung zu den Menschen an, die Freiheit voraussetzt. Es gibt keinen Zwang.
Alisa: Um Allahs Wohlgefallen zu erlangen, müssen wir Menschen versuchen, Erlaubtes und Verbotenes mit dem Verstand, den Allah uns gegeben hat, zu unterscheiden und danach zu leben. Das hat nichts mit Zwang zu tun. Wenn ich Allah als Liebe und Barmherzigkeit wahrnehme, ist die Suche nach seinem Wohlgefallen keine Unterwerfung. Das sagt schon die deutsche Übersetzung des Wortes »Islam«. Es bedeutet so viel wie »freiwillige Hingabe an Gott«.
Ich gebe allerdings zu, dass die Sache für uns Muslime etwas schwieriger ist als für euch Christen. Ihr könnt zum Beispiel einfach sündigen. Es reicht, wenn ihr danach beichtet und euch der Priester die Absolution erteilt. Schon ist wieder alles in Ordnung.
Im Islam würde sich das ein Geistlicher nie anmaßen. Das heißt nicht, dass bei uns Sünden nicht vergeben werden. Urteilen kann aber nur Allah und wir müssen ihn selbst um Vergebung unserer Sünden bitten. Es reicht bei uns nicht, in einer Moschee über unsere Sünden zu sprechen und das wars dann. Es geht bei uns darum, ehrliche Reue zu zeigen. Wenn ein Muslim das tut, vergibt ihm Allah.
Britta: Ich stand der Beichte früher auch kritisch gegenüber. Ich dachte immer, dass ich keinen Priester zur Vergebung meiner Sünden bräuchte und alles mit Gott selbst ausmachen könnte. Je intensiver meine Beziehung zu Gott wurde, desto mehr habe ich meine Fehler und meine dunklen Seiten gesehen. Ich war nicht mehr sicher, ob Gott mir wirklich vergab. Also setzte ich mich mit der Beichte auseinander.
Gott will, dass wir immer wieder mit uns und unseren Mitmenschen versöhnt sind. Das ist der Kern der Beichte. Deshalb hat Jesus seinen Aposteln, deren Nachfolger die Bischöfe sind, den Auftrag gegeben, Menschen in Gottes Namen von ihren Sünden loszusprechen. Die Bischöfe gaben diesen Auftrag auch an die Priester weiter.
Zur Vergebung gibt es in der Bibel die Geschichte von einem Vater, der zwei Söhne hat. Der jüngere will die weite Welt kennenlernen und fordert seinen Erbteil, was damals als Anmaßung galt. Der Vater lässt ihn trotzdem damit ziehen. Der Sohn bringt das ganze Geld durch und landet in der Gosse. Als er Schweine hüten muss und nicht einmal Schweinefutter zu essen bekommt, überlegt er, zu seinem Vater zurückzugehen und ihn zu fragen, ob er als Knecht für ihn arbeiten könne, gegen Essen als Entlohnung. Doch der Vater empfängt ihn mit offenen Armen. Statt ihn zu maßregeln oder ihm Vorhaltungen zu machen, feiert er ein Fest und schlachtet sein bestes Kalb. Wie dieser Vater seinen Sohn, so empfängt uns auch Gott immer wieder mit offenen Armen.
Zu Weihnachten vor einem Jahr legte ich zum ersten Mal eine Lebensbeichte ab, von der ich dir schon erzählt habe. Alles offen auszusprechen kostete mich eine ziemliche Überwindung und anfangs weinte ich viel dabei. In dem Moment, als ich so vor Gott meine Sünden aussprach, wurden sie neu gegenwärtig.
Dass ich manchmal Geheimnisse ausplauderte, gehörte dazu, dass ich über andere schlecht redete und urteilte oder dass ich Dinge, statt sie in Ordnung zu bringen, einfach liegen ließ. Ich konnte all das nun nicht mehr unter den Teppich kehren und ich empfand tiefe Reue. Die ausgesprochene Zusage des Priesters, dass Gott mir meine Sünden vergeben hat, war ein Geschenk. Von da an konnte ich wieder unbelastet leben. Ich wollte einiges ändern, um nicht die gleichen Fehler wieder zu machen. Der Sinn der Beichte besteht ja nicht darin, alles aufzusagen und dann weiterzumachen wie bisher. Vor Kurzem habe ich in einem Buch ein Zitat gelesen, das mein Gefühl nach der Beichte ziemlich genau wiedergibt.
Die Sekunde nach der Lossprechung ist wie eine Dusche nach dem Sport. Wie die frische Luft nach einem Sommergewitter. Wie das Aufwachen an einem strahlenden Sommermorgen. Wie die Schwerelosigkeit eines Tauchers. So wie der verlorene Sohn bei seiner Rückkehr vom Vater mit offenen Armen wieder aufgenommen wird, so heißt Versöhnung: Wir sind wieder mit Gott im Reinen.
Es gibt da noch etwas, das ich am Islam nicht ganz verstehe. Bei euch ist alles von Allah vorherbestimmt. Ein Muslim hat keine Gestaltungsmöglichkeiten in seinem Leben. Da stellt sich die Frage, ob Allah auch die bösen Dinge vorherbestimmt hat.
Alisa: Meinem Islamverständnis nach müssen wir zwischen Schicksal und unserem eigenen Bewusstsein unterscheiden. Einerseits ist tatsächlich alles vorherbestimmt, andererseits hat Allah den Menschen Verstand gegeben, um zwischen Gut und Böse unterscheiden zu können. Würde uns allein das Schicksal leiten, hätte uns Allah den Verstand gar nicht gegeben.
Wir haben unser Gewissen. Wir wissen genau, dass uns nichts und niemand zu unseren Handlungen und Entscheidungen zwingt. Es gibt Dinge, die uns beeinflussen, aber nichts nimmt uns jeden Spielraum. Wir entscheiden selbst, was wir essen, wohin wir gehen oder wie oft wir beten. Wir können aber nicht über das Geschlecht eines Kindes entscheiden oder über den Zeitpunkt unseres Todes. Die Dinge, die wir nicht beeinflussen können, sind Schicksal, und das Schicksal bestimmt Allah.
Es gibt noch einen Punkt, den ich am Christentum nicht verstehe. Ihr habt mit dem Papst einen Menschen, der unfehlbar und sündenfrei sein soll. Aktuell Feuilleton
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Immer geht es um die Ähnlichkeiten zwischen Islam und Christentum. Sehr schön, aber nicht alle sind gläubig. Ich warte mit Spannung darauf, bis endlich ein politischer, nicht theologischer Dialog zwischen Muslimen und Atheisten stattfindet.