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Fortschrittsbericht 2012 zum Fachkräftekonzept beschlossen

Bei der Integration von Migranten in den Arbeitsmarkt gibt es laut Fortschrittsbericht 2012 zum Fachkräftekonzept „weiterhin hohen Handlungsbedarf“. Was fehlt, ist ein Konzept, kritisiert die Opposition. Heiße Eisen würden nicht angepackt.

Donnerstag, 24.01.2013, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 30.01.2013, 0:21 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Das Bundeskabinett hat am Mittwoch den Fortschrittsbericht 2012 zum Fachkräftekonzept beschlossen. Dieser zeigt Erfolge auf. So jedenfalls die wohlwollend formulierte Bilanz der Bundesregierung. Die Erwerbsbeteiligung sei gestiegen und ausländische Fachkräfte könnten leichter zuwandern. „Doch es gibt auch in Zukunft noch viel zu tun, um den Fachkräftebedarf zu sichern“, heißt es in einer offiziellen Mitteilung der Bundesregierung.

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Deutschland könne seinen Platz als führende Wirtschaftsnation nur halten, wenn auch in Zukunft Fachkräfte mit den gefragten Qualifikationen und in ausreichender Zahl vorhanden seien. „Es zahlt sich aus, diesem wichtigen Thema mit einer langfristigen Strategie zu begegnen, die systematisch alle Potenziale im In-und Ausland erschließt“, so Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU).

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Qualifizierte Zuwanderer willkommen!
Mit Potenzialen im Ausland sind vor allem die Qualifizierten gemeint. Diese Zuwanderer seien willkommen. Um die Attraktivität Deutschlands für diese Menschen zu erhöhen, habe die Bundesregierung bereits zahlreiche Maßnahmen umgesetzt: die Blaue Karte EU, kommunale „Welcome-Center“ oder Internetangebote mit Informationen zum Standort Deutschland. Ob diese Maßnahmen tatsächlich reichen werden, um qualifizierte Fachkräfte anzulocken, wird sich noch zeigen müssen.

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Bei der Aktivierung der Inlandspotenziale ist das Bild nicht anders. Auch hier wird sich noch zeigen müssen, ob beispielsweise das jüngst beschlossene Gesetz zur Anerkennung von ausländischen Qualifikationen greifen wird. Laut Grünen-Arbeitsmarktpolitikerin Brigitte Pothmer kommt aber ausgerechnet das „nicht in die Gänge“. Dabei haben über 70 Prozent aller arbeitslos gemeldeten Ausländer dem Bericht zufolge keinen anerkannten Berufsabschluss – nicht wenige darunter, die auf eine Anerkennung ihrer ausländischen Abschlüsse warten.

Hoher Handlungsbedarf
Auch sonst ist der Status quo alles andere als rosig. Entsprechend groß ist das Verbesserungspotenzial. Bei der Integration von Migranten in den Arbeitsmarkt gebe es „weiterhin hohen Handlungsbedarf“, heißt es in dem Bericht. Danach sind vor allem Frauen mit Migrationshintergrund erwerbslos – nur jede Zweite habe einen Job. Bei den Müttern ohne Migrationshintergrund seien es dagegen 72 Prozent.

Laut Fortschrittsbericht war die Arbeitslosigkeit von Ausländern Ende vergangenen Jahres doppelt so hoch wie bei den Deutschen. Während 2011 rund 76 Prozent aller möglichen Erwerbstätigen einem geregelten Job nachgingen, waren es bei den Migranten nur 68 Prozent. Insgesamt attestiert der Bericht „erhebliche Defizite“.

Ohne Konzept gegen Diskriminierung
Eine stärkere Beteiligung der Migranten am Arbeitsleben sei jedoch „volkswirtschaftlich geboten“. Jede zehnte Person zwischen 15 und 64 Jahren in Deutschland habe inzwischen einen ausländischen Pass. Wie die Integration in den Arbeitsmarkt aber gelingen soll, geht aus dem Bericht aber nicht hervor.

Download: Der Fortschrittsbericht 2012 zum Fachkräftekonzept der Bundesregierung kann hier kostenlos heruntergeladen werden.

Hier setzt die Kritik des migrationspolitischen Sprechers der Bundestagsgrünen, Memet Kılıç, an: „Es ist schon lange bekannt, dass unter Einwanderern die Arbeitslosigkeit konstant doppelt so hoch ist, wie unter Deutschen ohne Migrationshintergrund.“ Der Grünen-Politiker verweist auf eine Studie der Universität Konstanz aus dem Jahr 2010. Danach würden selbst hochqualifizierte Menschen mit Migrationshintergrund am Arbeitsmarkt benachteiligt. Kılıç weiter: „Es fehlt nicht an Feststellungen und Kenntnissen, sondern an Konzepten.“

Parallelgesellschaft Öffentlicher Dienst
Deutschland müsse Diskriminierungen abbauen. Hier sollte die öffentliche Hand mit gutem Beispiel vorangehen und Menschen mit Migrationshintergrund entsprechend ihres Bevölkerungsanteils im Öffentlichen Dienst beschäftigen. „Der Öffentliche Dienst ist bislang die größte Parallelgesellschaft in Deutschland“, so der Grünen Politiker. Als Maßnahme käme beispielsweise die Einführung von anonymen Bewerbungen Betracht.

Von diesem bereits mehrfach – auch von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes – erfolgreich getesteten Bewerbungsverfahren ist aber weder in den offiziellen Erklärungen der Bundesregierung noch im Fortschrittsbericht die Rede. Dabei hatte ein jüngst bekannt gewordenes Forschungsprojekt der FH Bielefeld gerade in puncto Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt klare Befunde:

Keine Chance mit Kopftuch
Danach erlebt etwa jede dritte Migrantin Diskriminierung im Berufsleben. „Am stärksten wird diskriminiert, wenn es darum geht, im Arbeitsleben Fuß zu fassen“, hatte Projektleiterin Swetlana Franken die Forschungsergebnisse zusammengefasst. „Mit einem ausländischen Namen wird man oft nicht mal zum Bewerbungsgespräch eingeladen“, so ihr Fazit. Und das größte Misstrauen zögen Musliminnen mit Kopftuch auf sich, schon Praktikumsplätze seien für sie fast unerreichbar.

Nach Ansicht Brigitte Pothmers ist Arbeitsministerin von der Leyen Teil des Problems. „Die notwendige dreijährige Förderung von Umschulungen im Erziehungsbereich wird weiter verschleppt, obwohl der Kita-Rechtsanspruch auch am mangelnden Personal zu scheitern droht. Die Erwerbspotenziale von Frauen werden nicht ausgeschöpft, stattdessen wurden die Minijobs ausgeweitet“, so die Grünen-Politikerin. Die bittere Konsequenz aus diesen Versäumnissen sei, dass der Fachkräftemangel in immer mehr Branchen und Regionen zum Problem werde.

Thema zur Chefsache machen
So etwa im Gesundheits- und Pflegebereich. Laut Sabine Zimmermann, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linksfraktion, sind Fachkräfte aber auch hier nicht zum Nulltarif zu haben. Es werde „ein Fachkräfteengpass beklagt, aber nichts an den schlechten Arbeitsbedingungen, der enormen Arbeitsbelastung und den niedrigen Löhnen geändert. Ohne gute Arbeit, keine guten Fachkräfte“, so die Linkspolitikerin. Zimmermann weiter: „Wir haben knapp drei Millionen Erwerbslose, darunter vor allem Migranten, Ältere und alleinerziehende Frauen. Sie würden gern in Beschäftigung kommen, aber die Regierung kürzt die Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen.“ Insgesamt sei die Fachkräfteinitiative der Bundesregierung viel Show mit wenig Substanz“.

Nach dem Willen des Vize-Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, Hubertus Heil, soll Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) das Thema zur Chefsache machen. Der SPD-Politiker fordert die Bundesregierung auf, „einen Deutschen Rat für Fachkräftesicherung“ zu schaffen und diesen beim Bundeskanzleramt anzusiedeln. (etb) Leitartikel Politik

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