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Verstoß gegen EU-Visakodex

Deutschland tut sich schwer mit Visaerteilungen

1,95 Millionen Visa haben deutsche Auslandsvertretungen im Jahr 2012 erteilt und rund 139.000 abgelehnt – vor allem in den ärmeren Ländern. Nicht selten müssen Antragsteller mehrere Wochen auf einen Termin warten – rechtswidrig.

Dienstag, 09.04.2013, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 14.04.2013, 20:21 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

2,1 Millionen Visa haben die deutschen Auslandsvertretungen im Jahr 2012 erteilt. Russland nahm dabei mit fast 410.000 Visa-Anträgen weltweit den Spitzenplatz ein. Davon wurden 11.000 Anträge (2,7 Prozent) abgelehnt. Auf dem zweiten Platz folgt China mit fast 256.000 bewilligten und 12.000 verweigerten Visa (4,6 Prozent). Die Türkei folgt mit rund 172.000 Visa-Anträgen. Dort verweigerten die Behörden in 17.000 Fällen die Einreise (8,9 Prozent). Das teilt die Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion mit.

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Wie aus der Antwort weiter hervorgeht, wurden wie schon in den Vorjahren die meisten Visa-Anträge insbesondere in ärmeren Regionen und Ländern abgelehnt. Während die Ablehnungsquote im Jahr 2012 weltweit 6,6 Prozent betrug, lag sie in Afghanistan bei 39, im Iran bei 24 und im Kosovo bei 20 Prozent. In einigen subsaharischen Ländern wie Angola, Elfenbeinküste, Ghana, Guinea, Kamerun, Kongo, Mali, Nigeria, Senegal und Sudan reichen die Ablehnungsquoten von knapp einem Drittel bis zu 53 Prozent (Guinea).

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Kostenpflichtige Dienstleister
Probleme mit den Visastellen haben aber nicht nur Menschen aus diesen Ländern. Entgegen dem klaren Wortlaut des EU-Visakodex, der maximal zwei Wochen vorsieht, müssen Betroffene oft mit langen Wartezeiten für einen Visa-Termin rechnen. Das räumt auch die Bundesregierung in ihrer Antwort ein: „Gegenwärtig liegen die Wartezeiten für eine Terminvergabe zur Antragstellung nur in den Visastellen in Jekaterinburg, Kairo, London, Manila, Moskau, Shanghai und Tiflis bei über zwei Wochen.“ 1 Peking führt die Bundesregierung nicht auf. Eine stichprobenartige Prüfung des MiGAZIN bei der online-Terminvergabestelle zeigt jedoch, dass dort der frühestmögliche Termin nicht vor siebeneinhalb Wochen zu haben ist. Erlaubt wären maximal zwei Wochen.

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Top-20-Länder mit den meisten Visaanträgen im Jahr 2012 inkl. Ablehnungsquoten © MiG

Top-20-Länder mit den meisten Visaanträgen
im Jahr 2012 inkl. Ablehnungsquoten © MiG

Um diesem Problem Herr zu werden, setzt die Bundesregierung zunehmend auf externe Dienstleister. In neun der 15 wichtigsten Herkunftsländer kommen diese mittlerweile zum Einsatz. Dort entstehen im Regelfall kaum Wartzeiten. Doch steht auch diese Praxis laut EU-Recht auf wackeligen Füßen weil diese privaten Dienstleister Anträge gegen eine Gebühr entgegennehmen. Wegen der zusätzlichen Kosten, die den Reisenden aufgebürdet werden, schreibt der Visakodex vor, dass externe Dienstleister nur in Ausnahmefällen und nur als letztes Mittel eingesetzt werden dürfen.

Tipp: Eine ausführliche Stellungnahme zum Thema ist hier zu lesen. Darin beleuchtet Sevim Dağdelen, migrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, unter anderem die Praxis in den deutschen Auslandsvertretungen im Hinblick auf die Vorgaben des EU-Visakodex.

Sytem inakzeptabel
Die migrationspolitische Sprecherin der Linkspartei, Sevim Dağdelen, sieht System dahinter: „Statt die Auslandsvertretungen ausreichend personell auszustatten und die Visaerteilung zu vereinfachen, bürdet die Bundesregierung den Reisenden die Mehrkosten der Privatisierung auf. Das ist inakzeptabel.“

Ein Blick in die Fallzahlen bestätigt diesen Verdacht. Seit Inkrafttreten des EU-Visakodex im Jahr 2009 ist die Arbeitsbelastung der Mitarbeiter in den Visastellen in den drei wichtigsten Herkunftsländern China, Russland und Türkei um 27,5 Prozent, 38 Prozent und 42 Prozent gestiegen ist. Die Zahl der Angestellten hingegen wurden „reduziert oder unzureichend angepasst“, so die Linkspolitikerin. Dabei schreibt der Visakodex den Mitgliedstaaten verbindlich vor, geeignete Kräfte in ausreichender Zahl einzusetzen, um eine angemessene Dienstleistungsqualität sicherzustellen.

Eine Möglichkeit, die Arbeitsbelastung an den Visastellen zu senken, stellt die Erteilung von Mehrjahresvisa dar. Davon machte die Bundesregierung im Jahr 2012 häufiger Gebrauch, fast ein Fünftel aller erteilten Visa wurden für einen längeren Zeitraum gewährt – 37 Prozent mehr als im Vorjahr. Laut Dağdelen ist das Potenzial aber noch lange nicht ausgeschöpft. (bk)

  1. Hervorhebungen stammen von der Redaktion
Leitartikel Politik
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  1. epze sagt:

    … und als Bonmot: auch ein beabsichtigter Deutsch-Kurs an einer VHS (neben sonstigen üblichen touristischen Aktivitäten) kann zum Ablehnungsgrund werden, da sich offensichtlich türkische Bürger die >freiwillig!!< Deutsch lernen wollen, natürlich besonders verdächtig machen und man solche subversiven Subjekte natürlich keinesfalls hereinlassen darf …
    … wen kümmert es dabei schon , daß monatelange Planung und Vorbereitung sowie hunderte € (diverse Buchung für Aktivitäten, Flug-Tickets tw. nicht stornierbar) vergeudet werden …
    … es ist einfach nur zum Kxxxxx …

  2. AK sagt:

    Auch in meiner Familie gab es gerade eine Ablehnung der Visastelle in Kairo, obwohl der ägyptische Vater nur seine erwachsenen deutschen Kinder in Deutschland besuchen möchte und auch schon etliche Male vorher in Deutschland war und immer wieder „brav“ ausgereist ist. Obendrein hat der Reisende „nulll Interesse“ sich in der BRD länger als 3 Wochen aufzuhalten. Das bereits vorab gekaufte Flugticket und die Visabearbeitungsgebühr von >50EUR bekommt man auch nicht erstattet. Ich finde die derzeitige Visumpolitik ABSOLUT unzumutbar und beschämend !!!

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