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Der neue Bundestag

Fünf Prozent Abgeordnete mit Migrationshintergrund

Im neuen Bundestag ist die Anzahl der Abgeordneten aus Einwandererfamilien von 21 auf 35 gestiegen, das entspricht einem Anteil von rund 5 Prozent. Die Zahl der türkeistämmigen Abgeordneten hat sich mehr als verdoppelt. Und erstmals sitzen zwei afrodeutsche Politiker im Bundestag.

Dienstag, 24.09.2013, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 29.09.2013, 23:30 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Im neuen Bundestag befinden sich laut Recherchen des Mediendienstes Integration 35 Parlamentarier mit eigener Migrationserfahrung oder mindestens einem Elternteil, der eingewandert ist. Im Verhältnis zu den insgesamt 630 Sitzen im Parlament stammen somit 5,6 Prozent der Abgeordneten aus Einwandererfamilien. In der gesamten Bevölkerung liegt ihr Anteil mehr als dreimal so hoch, bei rund 19 Prozent.

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In der vorigen Legislaturperiode saßen im Bundestag noch 21 Abgeordnete aus den verschiedenen Parteien, denen statistisch ein Migrationshintergrund zugesprochen werden konnte. Im Vergleich zu den 622 Abgeordneten lag ihr Anteil damals lediglich bei 3,4 Prozent.

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Elf Türkeistämmige im Bundestag
Die Anzahl der Parlamentarier mit familiären Bezügen in die Türkei ist von fünf auf elf gestiegen. Was auf den ersten Blick wie ein großer Sprung erscheint, ist in Wirklichkeit allerdings nur eine kleine Annäherung zum Sollzustand einer gesunden und repräsentativen Demokratie. Denn während die Türkeistämmigen in Deutschland 3,7 Prozent der Bevölkerung ausmachen, liegt der Anteil der elf türkeistämmigen Abgeordneten im neuen Bundestag bei nur 1,75 Prozent.

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Auffällig ist, dass der mit Abstand größten Fraktion (CDU/CSU) im neuen Bundestag nur eine einzige türkeistämmige Abgeordnete angehört. Cemile Giousouf aus Nordrhein-Westfalen ist damit auch die erste türkeistämmige Abgeordnete in der CDU/CSU-Koalition im Bundestag. Gleich fünf und damit auch die meisten Abgeordneten mit Migrationshintergrund gehören der SPD-Fraktion an. Neben SPD-Bundesvize Aydan Özoğuz ziehen erstmalig auch Metin Hakverdi, Mahmut Özdemir, Cansel Kızıltepe und Gülistan Yüksel in den Bundestag ein.

Cem Özdemir wieder im Bundestag
Wieder im Bundestag ist Grünen-Chef Cem Özdemir, der bereits im Jahre 1994 als erster türkeistämmiger Bundestagsabgeordnete überhaupt in den Bundestag eingezogen war. Weitere Grünen-Abgeordnete mit Wurzeln in der Türkei sind die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Ekin Deligöz und Özcan Mutlu.

Nicht mehr dabei ist Memet Kılıç, integrations- und migrationspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion. Ebenfalls nicht mehr dabei ist Serkan Tören (FPD). Seine Partei verpasste mit 4,7 Prozent der Wählerstimmen den Wiedereinzug in den Bundestag.

Erstmals zwei afrodeutsche Politiker im Bundestag
Trotz dieser Abgänge zeigte sich Kenan Kolat, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland, erfreut über die Ergebnisse: „Dass Türkeistämmige nun mehr in allen Parteien des neuen Bundestages vertreten sind, gibt uns Hoffnung, um die Themen Migration und Teilhabe breiter zu diskutieren und hoffentlich voranzukommen.“

Die Bundestagswahl sorgte aber auch für ein weiteres Novum: Erstmals sitzen auch zwei afrodeutsche Politiker im Parlament. Karamba Diaby zieht über die Landesliste der SPD in Sachsen-Anhalt in das neue Parlament ein und Charles M. Huber (CDU) über die hessische Landesliste, obwohl er als Direktkandidat im Wahlkreis Darmstadt gegen Brigitte Zypries scheiterte. Beide schreiben damit Geschichte als die ersten aus Afrika stammenden Bundestagsabgeordneten.

Bundestag hinkt Gesellschaft hinterher
Gemessen an der Anzahl ihrer Sitze im Parlament verzeichnen die Grünen mit 11,1 Prozent den höchsten Anteil von Abgeordneten mit Migrationshintergrund (7 von 63), gefolgt von der Linksfraktion mit 10,9 Prozent (7 von 64). Die SPD ist mit 12 Parlamentariern in reellen Zahlen Spitzenreiter, liegt jedoch im Verhältnis zur Gesamtzahl ihrer Abgeordneten (192) mit 6,3 Prozent im Mittelfeld. Schlusslichter sind die Unionsparteien CDU mit 3,1 Prozent (8 von 255) und CSU mit 1,8 Prozent (1 von 65).

So positiv die Gesamtentwicklung in den Bundestagsfraktionen auch ist, keine einzige Fraktion kann den Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund in der Bevölkerung in den eigenen Reihen auch nur annähernd abbilden. (bk) Leitartikel Politik

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  1. Soli sagt:

    Mir war nicht bewußt, dass der Bundestag ein „Abbild“ der Bevökerung sein soll, also woher kommt dieses rumgereite darüber, dass nur 5% statt 19% der Abgeordneten einen Migrationshintergrund haben?

    Ich vergleiche doch auch nicht die Anzahl der Männer/Frauen oder die der Heteros/Homos, oder die der Menschen mit Ausbildung oder Studium und das entsprechende Verhältnis der Abgeordneten.

    In den Bundestag werden (hoffentlich) die gewählt die dafür, nach Meinung der Bevölkerung, am besten geeignet sind. Das können natürlich Menschen aller Schichten/Ethnien/{beliiebiges Kriterium} sein.

    Und warum sollten sich ausgerechnet Abgeordnete mit Migrationshintergrund um entsprechende Themen kümmern? Vielleicht MÖCHTEN die gar nicht auf ihren entpsrechenden Hintergrund reduziert werden? Vielleicht liegen deren Kompetenzen ja in einem ganz anderen Feld?

    Ich hatte mal die Gelegenheit mit einem solchen Abgeordneten zu sprechen, dieser empfand es mittlerweile schon fast als störend ständig nur auf integrationsspezifische Themen angespochen zu werden, ihn hat aber das Thema Umwelt viel mehr interessiert!

  2. Lionel sagt:

    Von den 3,7% Türkeistämmigen besitzt noch nicht einmal die Hälfte die deutsche Staatsangehörigkeit.
    Ihr Anteil an den Wahlberechtigten (ca. 700 000 von 61,1 Millionen) liegt demnach bei 1,2%.
    Insofern wären die Türkeistämmigen im Bundestag mit einem Anteil von 1,75% sogar überrepräsentiert.

  3. Leo sagt:

    Grundsätzlich:
    Warum sollte ein Migrant oder eine Person mit Migrationshintergrund eine bessere Migrationspolitik machen, als Einheimische ohne Migrationshintergrund? Schlussendlich muß es eine Person sein, die die Anforderungen der Einheimischen mit denen der Migranten zusammenbringt. Als Migrant darauf zu hoffen, dass ein Politker mit Migrationshintergrund alles besser machen wird, ist ziemlich blauäugig!

  4. Eine Ergänzung dazu. Wir haben jetzt zwei MdB´s mit postsowjetischem Migrationshintergrund: ein Russlanddeutsche und ein Abgeordneter, dessen Mutter aus Armenien kommt. Beide von der CDU.:( Beide haben (zum Zeitpunkt der Aufstellung) hoffnungslose Listenplätze gehabt.

  5. „Abbild“ eins-zu-eins muss nicht sein. Selbstverständlich können auch Menschen ohne Mhg migrationspolitisch aktiv sein, genauso wie Menschen mit Mhg andere Themenfelder beackern. Trotzdem muss man hier eine besondere Sensibilität der Gemeinschaften in Deutschland mitberücksichtigen. Sehr viele fühlen sich unterrepräsentiert, da sie der Auffassung sind, die „Regierenden“ kümmern sich nicht um „unsere Probleme“, dass sie „unsere Bedürfnisse“ nicht verstehen, „unseren Weg“ nicht gegangen sind etc. Darauf können die Parteien bei Kandidatenaufstellung reagieren, eine Wunschoption.

  6. posteo sagt:

    Charles M. Huber klingt irgendwie nicht besonders afrikanisch, Karamba Dyaby schon eher.
    Einerseits soll man ja nicht nach der ethnischen Herkunft fragen und alle Mitbürger gleichermaßen als Einheimische sehen und anderers wird hier die afrikanische Abstammung betont, auf die sich jedoch jeder Mensch berufen kann, wenn man bis zum Anfang der Menschheit zurückgeht.

  7. @Leo: Schon mal auf die Idee gekommen, dass Migranten Themenfelder anders oder überhaupt im Blick haben, die von Menschen ohne Migrationsgeschichte nur mainstreammäßig oder gar nicht abgehandelt wird? Nein? Dachte ich mir.

    @Posteo: Wikipedia erzählt sogar, dass Huber eigtl. Karl-Heinz Huber heißt. Da guckste, wa? ;)

    Der Vollständigkeit halber sollte erwähnt werden, dass es da noch Josef P. Winkler gibt, der 2002 in den Bundestag einzog, nun aber ausgeschieden ist.

  8. Han Yen sagt:

    Sicher ist es naiv zu glauben, dass Abgeordnete mit familiären Bezügen zum Ausland eine bessere Politik machen. Über Menschen aus transnationalen Familien kann man sagen, dass sie einen Draht zu lokalen Bedürfnissen in Ein- und Auswanderungsregion haben durch die örtliche Verankerung der Verwandtschaft – das können Metropolen, Kreise und Kleinstädte sein. Migranten sind typische Glokalisten, weil sie mit Sicherheit in den Global Cities die Bevölkerungsschwerpunkte sind. Das heißt L.A., New York, London, Paris, Berlin etc. Die Souveranität ist typischerweise geographisch zersplittert nach Gebietskörperschaften, um öffentliche Güter auf unterschiedlichen geographischen Skalen herzustellen. In etwa so wie man geographische Kundensegmente bildet. Umweltschutz ist ein globales öffentliches Gut, Inklusion ist ein lokales öffentliches Gut durch die förderale Struktur der BRD – im zentralistischen Frankreich wäre das etwas anderes. Umweltschutz sollte daher eigentlich durch eine transregionale Linse bei glokalen Politikern gesehen werden. Durch die Macht institutioneller Deutungshoheiten in den Umweltministerien und deren außerparlamentarischen Gegnern kommt das aber nicht durch – und Ahnung gehört da schließlich auch noch dazu. Es existiert ein starker Zusammenhang zwischen Klimawandel und Migration: Klimaflüchtlinge. Wir haben sehr viele Zeitreihen zum Hochwasserstand, Regenfällen, Waldsterben, Artensterben und Naturparks. Ich habe noch nie einen glokalen Politiker gesehen, der da etwas beizutragen hatte. In Wirtschaftsfragen ist es nicht mehr zu übersehen, dass die Schmutzindustrie nach China, Vietnam, Mexiko,… ausgelagert wird. Bei Rohstoffpartnerschaften mit Ruanda, Sudan,… werden Bodenschätze mit Methoden befördert, die das Grundwasser verschmutzen. Das globale Landgrabbing bedroht die Ernährungssouveranität – schätzungsweise 1 Mrd. Menschen hungern – bei Nahrungsmittelüberproduktion. Warenterminbörsen erlauben es mit dem Hunger satte Spekulationsgewinne zu machen. Da ist die Regulierung des Finanzmarktes gefragt. Eigentlich braucht man Spezialisten in Migration Governance von den Universitäten, um zusätzlich eine Expertokratie zu haben. Für einfache Abgeordnete ist die Welt zu komplex. Und die kleinen Grüppchen von Abgeordneten können sich nicht in die wichtigsten Ausschüsse einbringen, wenn sie nicht eine Mindestgröße erreichen. Der Tag hat nur 24 Stunden.

  9. posteo sagt:

    @ Han Yen.

    Auch wenn ich Ihren Ausführungen nicht immer ganz folgen kann, weil mir der notwendige volkswirtschaftliche Hintergrund fehlt, bin ich Ihnen sehr dankbar, dass sie auch mal die weniger kuschligen Themen, wie globale Umweltverschmutzung und Börsenspekulationen mit Basisprodukten (auch Wasser) ansprechen, die unter anderem für weltweite Wanderungsbewegungen verantwortlich sind.

  10. Mario Hammer sagt:

    Ich finde es gut, wenn die Representation im Bundestag sich den gesellschaftlichen Verhältnissen angleicht.