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Migration mal museal

Gemeinsamkeiten von Natur aus tauschen – Interkulturelle Teilhabe im Museum erleben

MiGAZIN im Gespräch mit Anne Marie Rahn, Projektleiterin von "Gemeinsam Natur erleben - interkultureller Austausch (hoch) 4 in Frankfurt" und über mögliche Wege, die für Migrantinnen und Migranten über Sprach- und Zugangsbarrieren ins Museal-Lebendige führen können

Von Mittwoch, 27.11.2013, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 01.12.2013, 22:34 Uhr Lesedauer: 6 Minuten  |  

Gehört so etwas Lebendiges wie Migration und Interkulturalität eigentlich ins Museum? Ja, wenn nicht der museale Gedanke, sondern der lebendige Austausch über Exponate im Vordergrund steht und dadurch Sprachbarrieren überwunden werden. Das sagt mir zumindest Anne Marie Rahn, Projektleiterin von „Gemeinsam Natur erleben – interkultureller Austausch in Frankfurt“, einem Pilotprojekts des Naturmuseums Senckenberg in Frankfurt am Main in Kooperation mit dem StadtWaldHaus, dem Palmengarten und dem Zoo der Stadt Frankfurt.

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Mit ihr habe ich darüber gesprochen, wie gerade ein Museum dazu beitragen kann, dass kulturelle Unterschiede in den Hintergrund und Gemeinsamkeiten in den Vordergrund rücken. Dabei, so Frau Rahn, sei die deutsche Sprache der kleinste gemeinsame Nenner, zumindest zu Beginn jeder Führung wie aber auch des Projekts an sich.

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Dass dieses überhaupt zustande kam, ist neben dem Engagement von Frau Rahn auch dem Bildungsträger infrau e.V., einem interkulturellen Beratungs- und Bildungszentrum für Frauen, Mädchen und Seniorinnen in Frankfurt, zu verdanken. Kursleiterinnen von Integrations- und Alphabetisierungskursen nämlich kamen vor rund 4 Jahren auf das Museum zu und fragten, ob es denn nicht möglich sei, für diese Gruppen ermäßigte Eintrittspreise zu erhalten. Gleichzeitig erhielt Frau Rahn wertvolles Feedback seitens der Kursleiterinnen und Kursteilnehmerinnen.

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Obgleich einige von ihnen bereits seit über 20 Jahren in Deutschland wohnten, seien sie noch nie in einem Museum gewesen – auch aufgrund sprachlicher wie auch kultureller Hindernisse. Um genau diese Zugangsbarrieren zu kulturellen Einrichtungen im Allgemeinen und zum Senckenberg Museum im Speziellen überwinden zu können, erarbeiteten infrau e.V. und Anne Marie Rahn ein Konzept, das schließlich im Pilotprojekt „Gemeinsam Natur erleben – interkultureller Austausch im Senckenberg“ mündete. Und den Teilnehmerinnen wie allen Beteiligten mundete.

Dinge zum Anfassen und Kaffee und Tee zum Trinken
Was die Teilnehmerinnen nicht als erstes in den (Sprach-)Kursen lernen, sind deutsche Tiernamen!“ Vielmehr, so Anne Marie Rahn, gehe es bei den Führungen darum, dass zu allererst Dinge zum Anfassen stünden, um Berührungsängste abzubauen – und die Teilhabe auch physisch zu fördern und zu fordern. In diesem Sinne stehe immer das gemeinsame Kaffee- oder Teetrinken zusammen mit leckeren Plätzchen auf der Tagesordnung – und auf dem Tisch des Raums, in dem sich die Gruppen einfinden und sich auf das Museum und Frau Rahn einstimmen – und umgekehrt.

Bei einem der ersten Treffen, so die Projektleiterin, hatte ich als Begrüßungstier eine Eule. Daraus habe ich gelernt!“ Dieses interkulturelle Learning hat Frau Rahn eigenen Angaben zufolge gut getan, da sie bis zu diesem Zeitpunkt noch keine Kenntnis davon hatte, dass Eulen in bestimmten Kulturkreisen als Verkünderinnen des nahenden Todes gesehen werden. Seitdem zieren andere präparierte Tiere den Tisch und laden zum Streicheln ein, ebenso lebendig anmutend wie beispielsweise Steine sein können. Frau Rahn hält mir zwei vermeintliche Steine hin und bittet mich, diese anzufassen und einzuschätzen, worum es sich hierbei handelt.

Während das eine sehr schwer und „glitschig“ ist, wiegt das andere fast nichts. Meine Deutungen gehen leider ins Leere. „Es handelt sich hierbei um zwei Holzstücke, das eine fossil und das andere rezent! Das eine ist junges Treibholz, das andere 180.000.000 Jahre altes, versteinertes Holz aus Indien. Anhand dieser beiden Holzstücke, die sich auch mit einfachen Vokabeln wie schwer, leicht, warm, kalt, hart, weich, hell oder dunkel, beschreiben lassen, gelingt der Einstieg ins Gespräch und damit aber auch in das Thema Naturkundemuseum sehr viel einfacher!“

Und diese Gespräche, so Frau Rahn, würden gerade bei der anschließenden Führung durch das Naturkundemuseum noch viel interessanter und aufschlussreicher für alle, die sich daran beteiligen. In jedem Fall aber seien die ersten Barrieren bereits dann abgebaut, wenn Frauen ihr als Frau gegenüber stünden und die Kursleiterinnen und Kursleiter wüssten, dass Frau Rahn die zentrale Ansprechperson für Führungen dieser Art sei.

Tatsächlich nämlich, so muss auch ich eingestehen, ist das wuchtige und altehrwürdige Museum alleine schon aufgrund seiner Neobarock-Fassade eine Art Instanz, die zu betreten nicht allen leicht fällt. Gut, dachte ich mir bereits in Vorbereitung auf das Gespräch und während ich am Eingang auf Frau Rahn wartete, dass der Tyrannosaurus rex (natürlich als Statue) auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein Eintracht-Frankfurt-Trikot anhat. Auch das trägt schließlich und bereits am Eingang dazu bei, Berührungsängste zu überwinden.

Apropos ausgestorbene Tiere…
… und solche, die von selbigem bedroht sind. Während der Führungen, sagt mir Anne Marie Rahn im weiteren Verlauf unseres Gesprächs, komme es teilweise zu großen Aha-Effekten. Wenn sie beispielsweise Sonderführungen mit jugendlichen Waisen aus Kriegsgebieten mache, diese vor dem Exponat eines vom Aussterben bedrohten und unter Naturschutz stehenden Tieres stünden und ein junger Mann dann sagte: Schmeckt gut, habe ich schon oft gegessen, wäre die „naturkundliche Moralkeule“ das weniger probate Mittel. Darum gehe es aber schließlich: Ein gegenseitiges Bewusstsein füreinander zu entwickeln. Und dieses ergebe sich oft auch daraus, dass die Teilnehmer/innen von Integrations- und Alphabetisierungskursen oftmals vor Tieren stünden und sagten: Die gibt es bei uns auch!

Dann, so Frau Rahn, seien Anknüpfungspunkte geschaffen und Deutsch als Sprache nicht weiter der einzige gemeinsame Nenner. „Am Ende ist es wichtig, dass man ein Museum erklärt – nicht nur, was die Exponate angeht, sondern auch, warum sich bestimmte Dinge dort finden und konkrete Regeln bestehen. Auch das hilft ungemein dabei, den Zugang zu einer kulturellen Einrichtung wie eben einem Museum, zu erleichtern – auch und vor allem jener „Zielgruppe„, die Frankfurterinnen und Frankfurter mit Zuwanderungsgeschichte beinhaltet!“

Gegenstände und Exponate seien dabei auch Gesprächskatalysatoren und einmal bei einer Führung anwesende Teilnehmer/innen wertvolle Multiplikatorinnen und Multiplikatoren für deren Verwandte, Bekannte und Freunde. „Nicht selten kommen nämlich Teilnehmerinnen auf die Kursleiterinnen zu und sagen, dass sie ins Museum wollen, weil ihre Tochter mit der Kita dort war und es so toll war. Dort genau setzt unser Modellprojekt letztlich an.“

Hermetisch oder vital? Arbeitskreis Migration des Deutschen Museumsbundes
Auf die Frage hin, in welchem Maße dieses tolle Modellprojekt denn weitere Kreise gezogen habe und ob man denn nicht Menschen mit Migrationshintergrund auch als Zielgruppe für Museen definieren und ansprechen sollte, erzählt Frau Rahn von der neuen Erweiterung des Projekts in Kooperation mit dem Palmengarten, Zoo und dem Stadtwaldhaus zu „Gemeinsam Natur erleben – interkultureller Austausch4 in Frankfurt“. Nach zweijähriger, erfolgreicher Durchführung im Senckenberg, können nun nämlich auch für diese drei naturorientierten Partnereinrichtungen Termine für ähnliche Einführungen über Frau Rahn vereinbart werden,

Daneben erzählte mir Frau Rahn vom Arbeitskreis Migration im Deutschen Museumsbund. Sie überreichte mir dazu den Diskussionsentwurf „Museen, Migration und kulturelle Vielfalt“, eine Handreichung für die Museumsarbeit (Stand: April 2013). In diesem Papier geht es um die Frage, in welchem Maße Museen ihrem „Bildungsauftrag“ für alle Einwohner ausführen müssen, um jenseits der fast schon obligatorischen Ausstellungen in stadtgeschichtlichen Sammlungen, Migrantinnen und Migranten anzusprechen und damit Zugangsbarrieren abzubauen.

Migration gehört zur Geschichte der Menschheit – und damit auch ins Museum. Damit Migrantinnen und Migranten aber in diese Museen kommen, so das Papier weiter, bedürfe es keiner speziellen Angebote, sondern einer spezifischen Öffnung. Schließlich könnten Menschen mit Migrationshintergrund nicht mit speziellen Angeboten geworben werden, da sie keine homogene Zielgruppe seien. Vielmehr müsste die interkulturelle Öffnung der Museen die Diversität der Gesellschaft widerspiegeln.

Mein spezifisch migrantisches und museales Interesse jedenfalls hat das Projekt „Gemeinsam Natur erleben – interkultureller Austausch4  in Frankfurt“ in jedem Fall geweckt. Aktuell Feuilleton

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  1. posteo sagt:

    Tolle Idee, Sprachkurse an Orten, wie Zoos, Freizeitparks, oder wie hier, dem Schenkenbergmuseum durchzuführen. Das schafft Ausflugsstimmung, und das gemeinsame Erlebnis weckt automatisch die Lust, darüber zu sprechen. Und vor dem Skelett eines Dinos kommt sich jeder gleich mickrig vor, egal wie gut oder schlecht seine Deutschkenntnisse sind.