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Wer geht und weshalb?

Abwanderung junger Akademiker in die Türkei

Junge Akademiker verlassen Deutschland in Richtung Türkei. Das ist seit einigen Jahren immer wieder Thema in den Medien. Die Gründe scheinen klar zu sein: fehlendes Heimatgefühl oder fehlende Perspektiven. Ob das stimmt? Johannes Obergfell geht dieser Frage nach.

Von Johannes Obergfell Freitag, 07.02.2014, 8:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 11.02.2014, 2:21 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Jung, gut und unerwünscht“, „Nie mehr braver Türke“, „Exodus von Mustermigranten“, so titelten Medien vor einiger Zeit, wenn es um die Abwanderung hochqualifizierter Türkeistämmiger der zweiten und dritten Generation ging, also den sogenannten Gastarbeiterkindern bzw. –enkeln. Nie ganz oben auf der politischen Agenda, in den Medien aber immer am Schwelen und periodisch auflodernd, so kann man die öffentliche Verarbeitung der Thematik umreißen.

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Dabei wurde in der Berichterstattung vorwiegend ein Bild gezeichnet, das Abwanderung als Resultat eines fehlenden Heimatgefühls oder fehlender Perspektiven darstellte. Nicht zuletzt geschah dies auch auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse wie etwa der vielfach zitierten TASD-Studie über türkische Akademiker und Studierende in Deutschland.

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Außer Acht gelassen wurde in der Verwertung dieser Studien jedoch oftmals, dass es sich hierbei um Arbeiten handelte, die in einem Integrations- und nicht in einem reinen Migrationskontext entstanden sind und dementsprechend interpretiert werden sollten. Wenn also in den genannten Studien 30-40 % der Befragten eine Abwanderungsabsicht äußerten, dann bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass auch tatsächlich so viele Türkeistämmige aus Deutschland abwandern werden. Vielmehr kann angenommen werden, dass ein großer Teil der Befragten mit ihrer momentanen Lebenssituation in Deutschland unzufrieden sind und diesen Umstand in einer geäußerten Abwanderungsabsicht artikulierten.

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Umfrage: Wenn auch Sie von Deutschland in die Türkei ausgewandert sind, dann können Sie helfen, Forschungslücken zu schließen. Hier erreichen Sie einen Online-Fragebogen zum Thema Abwanderung in die Türkei. Dieser Fragebogen ist Teil der Doktorarbeit des Autors. Alle Daten werden anonym erhoben. Die Bearbeitungszeit beträgt 10-15 Minuten. Kennen Sie Auswanderer? Wenn ja, dann empfehlen Sie diesen gerne unsere Artikel der Reihe „Servus Bosporus“ sowie diesen Aufruf zur Fragebogen-Teilnahme.

Für die Integrationspolitik im Land liefern Studien zu Abwanderungsabsichten wichtige Informationen, für die Behandlung der Migrationsthematik rund um tatsächlich realisierte Auswanderung ist ihre Aussagekraft aber deutlich begrenzt. Aus wissenschaftlicher Perspektive findet sich bezüglich der Abwanderung aus Deutschland im Allgemeinen nicht sehr viel Literatur, die Gruppe der Personen mit Migrationshintergrund ist dabei noch schwächer vertreten. Dies hat verschiedene Gründe, wie z.B.

  • Die schwierige zahlenmäßige Erfassung der Abwanderer. Weshalb ist dies so schwierig? Hier zwei Beispiele: 1. Oftmals erfolgt bei der Ausreise keine Abmeldung bei den Meldebehörden, somit sind die Auswandernden als noch in Deutschland lebend verzeichnet. 2. Die aus wissenschaftlicher Sicht interessante Unterscheidung zwischen Personen mit und ohne Migrationshintergrund wird in den Wanderungsstatistiken nicht vorgenommen. Es wird also nicht ersichtlich, ob es sich beim deutschen Auswanderer um einen Türkeistämmigen, oder aber um einen Deutschen ohne Migrationshintergrund handelt.

    Diese Schwierigkeiten erlauben dementsprechend keine Verlässlichen Aussagen, wie viele Türkeistämmige tatsächlich von Deutschland in die Türkei abwandern, geschweige denn, aus welchen Gründen diese Personen auswanderten.

  • Der Zugang zu den Ausgewanderten erschwert eine Behandlung des Themas zusätzlich. Man weiß nicht, wer ging und wohin. Über soziale Medien lassen sich Auswanderer zwar erreichen, so zum Beispiel die viel genannten Rückkehrerstammtische…allerdings stoßen Interview- oder Umfrageaufrufe von Journalisten, Studenten und Wissenschaftlern gelegentlich auf Ablehnung, da solche Anfragen teilweise sehr häufig auftreten. Außerdem kann man in diesen Netzwerken nur einen Teil der Auswanderer erreichen.
  • Im Verlauf der Wirtschafts- und Finanzkrise verbuchte Deutschland stark ansteigende Einwanderungszahlen, die zu Beginn 2013 mit über einer Million Zuwanderern einen Höchststand erreicht haben, den es zuletzt im Jahr 1995 gab. Dies lässt den öffentlichen Fokus vom Abwanderungsthema abschweifen.

Erfreulich – da ein vielschichtigeres Abbild der Wirklichkeit zeichnend – sind aktuellere Berichterstattungen zum Thema. Die jüngsten Beiträge auf MiGAZIN sind ein Beispiel hierfür. Die Gründe für einen Fortzug aus Deutschland sind so vielschichtig wie die Biografien der auswandernden Personen selbst. Sie reichen von besseren Berufschancen, über reine Neugierde und der Suche nach den eigenen Wurzeln, bis hin zur Abwanderung, weil der Partner oder die Familie in der Türkei sind. Oftmals handelt es sich gar um eine Vermischung verschiedener Gründe.

Dies lassen zumindest erste Arbeiten und Studien vermuten, die sich mit tatsächlich Abgewanderten und deren Gründen für eine Verlagerung des Lebensmittelpunktes in die Türkei beschäftigen. Vor allem persönliche, partnerschaftliche Motive scheinen hier eine große Rolle zu spielen. Eine fehlende Anerkennung in Deutschland ist aber ein dennoch wiederkehrendes Element in machen Studien.

Problematisch allerdings ist die Tatsache, dass bislang relativ wenig belastbares Wissen über die Gründe und auch die Abläufe der Abwanderung vorliegt.

Wandern Hochqualifizierte aus anderen Gründen als weniger hoch Qualifizierte? Männer aus anderen Gründen als Frauen? Kann man von einer abstammungsorientierten Migration sprechen, oder sind die Unterschiede zur Auswanderung von Deutschen ohne Migrationshintergrund marginal? Ist Abwanderung für Deutschland ein Problem, da Fachkräfte und Integrationsförderer verloren gehen? Oder ist die Wanderung zwischen Deutschland und der Türkei vielmehr eine Chance für die Ökonomien und auch Gesellschaften beider Länder?

Viele Fragen eröffnen sich bei näherer Betrachtung, einzig das Wissen reicht bislang noch nicht aus, um diese Fragen aus wissenschaftlicher Sicht zu beantworten. Mehr Wissen kann bessere Informationsangebote für Wanderungswillige, aber auch Entscheidungsträger schaffen. Mehr Wissen kann die Gesellschaft sensibilisieren, für die Tatsache, dass längst ein hochdynamisches Migrationssystem zwischen der Türkei und Deutschland besteht; ein System, das schon lange dem „Gastarbeiter“-Schema entwachsen ist. Aktuell Meinung

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  1. Red Bull sagt:

    Persönlich kenne ich ein paar leute (alle mit Doktortiteln) die in die Türkei abgewandert haben. Meistens ging darum dass man dort bessere Karrierechancen und/oder Gehalt bekommt. In dem Sinne die Türken sind nicht anders als Chinesen oder Inder. Kenne auch ein paar Chinesen und Inder (auch alle mit Doktortiteln) die aus genauen Gründen Deutschland verlassen haben. Ich sehe keinen grossen Unterschied zwischen Nationen wenn es um die Abwanderung der hochqualifizierte geht.

  2. surviver sagt:

    Das ist für einen Wirtschaftsstandort wie Deutschland sehr traurig.
    Woran liegt das wohl?