Tempelhofer Feld
Wer darf mitentscheiden?
Diesen Sonntag ist die Berliner Bevölkerung dazu aufgerufen, über die Zukunft des Tempelhofer Feldes abzustimmen. Bei dem Volksentscheid wird über die Bebauung des ehemaligen Flughafens entschieden. Doch längst nicht jeder Berliner darf mitentscheiden, obwohl sie unmittelbar betroffen sind.
Von K G Freitag, 23.05.2014, 8:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 08.01.2015, 16:23 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Da der Volksentscheid auf Landesebene angesiedelt ist, sind sowohl EU-Staatsbürger als auch Drittstaatenangehörige von der Wahl ausgeschlossen. Das betrifft aktuell rund 440.000 Berliner. Jeder Sechste Berliner wird sich also nicht am Volksentscheid beteiligen können.
Besonders schmerzhaft ist das für diejenigen, die direkt am Tempelhofer Feld leben und es aktiv nutzen. Frau Masah wohnt seit 31 Jahren in Berlin und verbringt mit ihrer Familie viele Wochenenden auf dem Feld. Dass sie nicht darüber mitentscheiden darf, wie es mit dem Park weitergeht, ist für sie unverständlich. Vielen Berlinern geht es ähnlich wie Frau Masah. Allein in den angrenzenden Bezirken um das Tempelhofer Feld (Tempelhof-Schöneberg, Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln,) leben 160.000 Berliner ohne deutschen Pass. In einer Demokratie ist dieser Ausschluss eines großen Teils der Bevölkerung von zentralen politischen Rechten bedenklich und in einer globalisierten Welt nur noch schwer zu vermitteln. Gerade in unserem immer stärker mobilen und vernetzten Europa erscheint es unverständlich, warum Mobilität mit politischer Entmündigung einhergehen sollte.
Dass dies nicht so sein muss, zeigen Länder wie Finnland, Dänemark, Großbritannien oder die Niederlande, in denen EU-Staatsbürger und Drittstaatenangehörige nach einer Aufenthaltsdauer von 2 bis 5 Jahren teilweise bis zur Landesebene wählen können. Ironischerweise verzeichnen diese Länder, aber auch andere Staaten, die ein liberales Wahlrecht haben, höhere Einbürgerungsraten. Dies mag an der in Deutschland viel geforderten, aber noch wenig gelebten „Willkommenskultur“ liegen, die diese Länder unter anderem durch das Wahlrecht zum Ausdruck bringen. Die Forderung mancher Kritiker, ausländische Bürger sollten erst die deutsche Staatsbürgerschaft annehmen, bevor sie wählen können, erweist sich (nicht nur!) angesichts dessen als wenig sinnvoll. Statt Zuwanderer kategorisch auszuschließen, sollten wir ihre Interessen ernst nehmen und sie am gesellschaftlichen und politischen Leben teilhaben lassen.
Info: Für den kommenden Wahlsonntag kommen die Forderungen des Bündnisses „Wahlrecht für Alle“ genau richtig. Schon beim Sammeln der Unterschriften für den Volksentscheid konnten rund 10.000 Unterschriften nicht mitgezählt werden, da die Unterzeichnenden keine deutsche Staatsbürgerschaft besaßen. Auch beim Volksentscheid am Samstag wird die Stimme von Frau Masah und vielen anderen erneut keine Rolle spielen. Um darauf aufmerksam zu machen, veranstaltet das Bündnis Wahlrecht für Alle am 24. Mai von 13:00-18:00 Uhr eine symbolische Wahl auf dem Tempelhofer Feld (Eingang Oderstraße/ Ecke Herrfurthstraße), wo jede Stimme zählt! Weitere Infos gibt es hier.
Wer gehört zum deutschen Volk?
Eine Ausweitung des Wahlrechts ist dabei im Kern mit dem Selbstverständnis des deutschen Volkes verbunden. Anfang des Jahres kippte der Bremer Staatsgerichtshof einen Gesetzesentwurf, wonach EU Bürgern zukünftig das Wahlrecht auf Landesebene und Drittstaatsangehörige auf kommunaler Ebene erhalten hätten. Die Begründung lautete, dass das Gesetz nicht mit der Landesverfassung sowie dem Grundgesetz vereinbar sei.
Damit ist eine Neuerung des Wahlrechts in Deutschland jetzt nur noch durch eine Änderung des Volksbegriffes im Grundgesetz zu erreichen. Es geht also um die Frage, wer zum deutschen Volk dazugehört. Um der Realität eines vielfältigen Deutschlands gerecht zu werden, ist eine Erweiterung des Volksbegriffs dringend notwendig.
Wahlrecht für Alle
Das Bündnis „Wahlrecht für alle“ setzt sich in Berlin seit mehr als drei Jahren für eine Ausweitung des Wahlrechts auf Landesebene – sowohl für EU-Staatsangehörige als auch Drittstaatenangehörige – ein. „Gerade in Stadtstaaten wie Berlin reicht ein Mitbestimmungsrecht auf Kommunalebene nicht aus, um Menschen ohne deutschen Pass, die dauerhaft hier leben, angemessene Teilhaberechte zu gewähren“ argumentiert Martin Wilhelm, Geschäftsführer von Citizens for Europe, das Teil des Bündnisses ist.
In der Tat zeigt der Volksentscheid über das Tempelhofer Feld, dass Berliner ohne deutschen Pass von Entscheidungen über zentrale Fragen der Stadtentwicklung, die wichtige Lebensbereiche wie Familie, Freizeit und Wohnen betreffen, ausgeschlossen sind. Aktuell Politik
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