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Ehegattennachzug

Es wäre viel sinnvoller, Deutsch in Deutschland zu lernen

Der Europäische Gerichtshof hat entschieden: Ehegatten türkischer Staatsbürger dürfen nicht zu Sprachtests vor dem Ehegattennachzug verpflichtet werden. Für viele Andere bleibt der Sprachnachweis bestehen. Was das für diese Paare bedeuten kann, zeigt die Geschichte von Michaela und Nadim.

Von Sidonie Fernau Donnerstag, 31.07.2014, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 05.08.2014, 17:16 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Michaela und Nadim sind ein binationales Paar. Keine Seltenheit, wie die Statistik belegt – allein 2012 war jede 8. Eheschließung in Deutschland eine binationale. Das bedeutet, dass 44.000 Menschen ihre Ehepartner im Ausland gefunden haben. Nur zögerlich erzählt Michaela, wie sie und ihr Verlobter sich kennengelernt haben und es scheint, als sei ihr bewusst, welche Skepsis viele Menschen noch immer mit einer Liebe haben, die im Internet begonnen hat.

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„Mein Traum war es schon immer auszuwandern. Nach Neuseeland oder Australien. Warum dann nicht das Nützliche mit dem Nützlichen verbinden und nach einem Mann dort suchen?“, fährt sie schmunzelnd fort. Gefunden hat sie Nadim. Nadim wohnt in Algier, der Hauptstadt von Algerien. Auch er suchte nach einer neuen Liebe, nachdem seine Frau nur drei Monate nach der Hochzeit bei einem Unfall ums Leben kam. Michaela erzählt, wie sie seit ihrem Kennenlernen jeden Abend für ein oder zwei Stunden skypen. Da Nadim kein Deutsch spricht und sie weder Arabisch noch Französisch, habe sie sich privaten Englisch-Unterricht genommen, um ihre Sprachkenntnisse aus der Schulzeit aufzufrischen.

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Die Ehe als einziger Weg, gemeinsam Leben zu können

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„Als er dann nur wenige Monate später das erste Mal in Deutschland war und ich ihn am Bahnhof gesehen habe, war das Liebe auf den ersten Blick!“, Michaela lächelt für einen kurzen Augenblick und die Anspannung und der ernste Gesichtsausdruck, wenn sie von sich und ihrem Verlobten spricht, scheinen wie verflogen. Die 38-jährige ist eine attraktive Frau: zierlich, etwa 1.70 m groß mit kastanienbraunen, schulterlangen Haare, die zu einem Dutt zusammengebunden sind. Sie sitzt auffallend gerade auf ihrem Stuhl, die Beine übereinandergeschlagen, die Hände in ihrem Schoß ruhend. „Ich liebe Nadim. Im September werden wir heiraten, um miteinander in Deutschland leben zu können“, sagt sie und ihre Stimme wird wieder ernst.

Sie erzählt, dass – auch wenn sie nicht an der Entscheidung zu heiraten zweifelt – sie gerne mehr Zeit gehabt hätte, um Nadim besser kennenzulernen. In den letzten anderthalb Jahren hätten sie sich gegenseitig vier Mal besucht. Ihr fehle die Routine, die man als Paar habe: Morgens beim Frühstück darüber sprechen, was auf der Arbeit ansteht, das ganze Wochenende faul auf dem Sofa liegen und gemeinsam Filme anschauen oder sich einfach zu streiten, wer mit dem Abwasch des Geschirrs an der Reihe ist.

Wie Urlaub sei es, wenn sie nach Algerien fliegt. Eine längere Zeit zusammenzuleben ist für die beiden nicht möglich: Michaela arbeitet als Krankenschwester in einer bayrischen Kleinstadt. Nadim ist Informatiker und arbeitet für das Arbeitsministerium in Algerien. Das Ausländeramt riet den beiden zur Ehe, wenn sie gemeinsam in Deutschland leben wollen. Nach Algerien auszuwandern, kann sich Michaela derzeit nicht vorstellen: „Algerien ist ein wunderschönes Land aber ich habe in Deutschland eine Tochter aus erster Ehe, sie ist 15 Jahre alt und macht in zwei Jahren ihr Abitur. Sie jetzt aus ihrem gewohnten Umfeld zu reißen, kann ich ihr nicht zumuten.“

Keine Familienzusammenführung ohne A1-Sprachnachweis

Voraussetzung, um nach der Hochzeit zu seiner Frau nach Deutschland ziehen zu können, sei der Nachweis einfacher Deutschkenntnisse, sagte man Nadim in der deutschen Botschaft. Seit 2007 müssen Drittstaater einfache Deutschkenntnisse (A1) nachweisen, wenn sie zu ihrem Ehepartner nach Deutschland nachziehen wollen.

Nadim belegt deshalb seit Februar einen Deutschkurs am Goethe Institut. Gar nicht so einfach: zum einen arbeitet er durchschnittlich zehn Stunden am Tag – der Deutschkurs, der zwei Mal die Woche stattfindet, ist daher nur schwer mit Nadims Berufstätigkeit zu vereinbaren. Zum anderen belasten die Kosten für den Nachweis das Paar schwer. Nadim verdient im Monat 360€. Das ist viel für algerische Verhältnisse. Der Sprachkurs alleine kostet 310€, die Prüfung weitere 100€. Michaela schickt Nadim jeden Monat etwas von ihrem Gehalt, damit er seine Mehrkosten decken kann.

Durch die erste Prüfung im April ist Nadim durchgefallen – ihm fehlten drei Punkte, um zu bestehen. Anfang August findet die nächste Prüfung statt. „Von 60 Teilnehmenden haben beim letzten Mal nur fünf bestanden“, Michaela wirkt verzweifelt, „Wenn nur so wenige die Prüfung bestehen und manche dort schon das siebte Mal an der Prüfung teilnehmen, dann möchte man meinen, es sei erkennbare Absicht, dass so Wenige wie möglich bestehen.“

Michaela und Nadim sind sich der Tatsache bewusst, dass sie trotz allem Glück haben: „Wir haben von Paaren gelesen, die seit Jahren getrennt leben müssen, weil der Partner hunderte Kilometer vom nächsten Goethe Institut entfernt wohnt, von Paaren, die sich hoch verschuldet haben, um die Gebühren für den Sprachkurs zu zahlen und von Paaren, bei denen der Partner es einfach nicht geschafft hat, neben Beruf, Haushalt und Kindererziehung, die lateinische Schrift zu erlernen – ich meine, wie viele berufstätige, alleinerziehende Mütter wären in der Lage, in zwei Monaten so gut Chinesisch zu lernen, dass sie sich damit verständigen können?“

Michaelas größte Angst ist, dass ihre noch junge Beziehung an all den Hürden zerbricht. Sollte Nadim die Prüfung Anfang August bestehen, dauert es drei bis sechs Monate, bis er nach Deutschland einreisen kann, das ist die Bearbeitungszeit, die die deutsche Botschaft benötigt: „Bis dahin hat Nadim vieles wieder vergessen. Es wäre viel sinnvoller, Deutsch in Deutschland zu lernen. Hier besteht sowieso die Pflicht, einen Integrationskurs besuchen.“

Diskriminiert im eigenen Land

Von dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) erfuhr Michaela am Donnerstagabend durch Zufall im Fernsehen: „Ich habe nicht gewusst, dass so ein Fall beim EuGH anhängig ist. Zuerst habe ich mich gefreut, ich dachte, dass das Urteil auch für uns gelten würde.“ Michaela fühlt sich als deutsche Staatsbürgerin diskriminiert: „Wäre ich Türkin, Amerikanerin oder beispielsweise Israeli, dann müsste Nadim keinen Sprachnachweis erbringen.“

Denn: Unionsbürger, Hochqualifizierte oder Drittstaater, die zu Staatsbürgern aus elf privilegierten Ländern nachziehen sind von der Regelung ausgenommen: zu Staatsbürger aus Australien, Israel, Japan, Kanada, der Republik Korea, aus Neuseeland und den USA, aus Andorra, Honduras, Monaco, San Marino – und jetzt eben auch zu Staatsbürgern der Türkei.

Namen und Geschichte des Paares wurden auf Wunsch der Interviewpartnerin leicht verfremdet. Gesellschaft Leitartikel

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