Frage-Antwort-Check
Wie die Bundesregierung am Sprachtest beim Ehegattennachzug festhält…
Ausländische Ehegatten von Deutschen müssen Deutsch können, ehe sie nach Deutschland ziehen, Ehegatten von Kroaten nicht. Welche Kuriositäten die Sprachnachweispflicht noch bereithält und wie die Regierung diese rechtfertigt, dokumentiert das MiGAZIN in einem Frage-Antwort-Check.
Von Birol Kocaman Dienstag, 26.08.2014, 8:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 27.08.2014, 22:51 Uhr Lesedauer: 5 Minuten |
Die Bundesregierung hält an Sprachtests vor dem Ehegattennachzug fest. Damit wird die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs dahingehend ausgelegt, dass die deutsche Regelung lediglich Ausnahmen in Härtefällen braucht. Damit wird die ohnehin von Ausnahmen durchsetzte Regelung noch einmal verkompliziert.
Welches Ausmaß das Wirrwarr bereits erreicht hat, zeigt eine aktuelle Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage des Grünen-Politikers Volker Beck. Darin unternimmt das Bundesinnenministerium (BMI) den Versuch, den Sinn dieser Regelung zu erklären. MiGAZIN dokumentiert Auszüge der Fragen und Antworten im Wortlaut und kommentiert zwischen den Zeilen:
Frage: Welche Belege hat die Bundesregierung inzwischen dafür, ob und ggf. in welchem Ausmaß der Nachzug zwangsverheirateter Ehegatten versucht worden ist bzw. welche Rolle die Nachweispflicht dabei gespielt hat, in diesen Fällen die Einreise zu verhindern?
Antwort: Der Bundesregierung liegen keine belastbaren Zahlen zum Ausmaß des Nachzugs zwangsverheirateter Ehegatten vor.
MiG: Der Bundesregierung ist seit Inkrafttreten dieser Regelung (2007) vor sieben Jahren also kein einziger Fall bekannt geworden, in dem Deutschlernen vor Zwangsverheiratungen geschützt hat. Unvorstellbar angesichts der Vehemenz, mit der die Bundesregierung an diesem Argument festhält.
Frage: Aufgrund welcher rechtlichen Erwägungen hält es die Bundesregierung für gerechtfertigt, Ehegatten und Lebenspartner deutscher Staatsangehöriger gegenüber anderen Personengruppen beim Ehegattennachzug zu benachteiligen?
Antwort: Ausnahmen von dem Spracherwerbserfordernis gelten für Ehegatten von Staatsangehörigen bestimmter Staaten. […] Abweichungen […] ergeben sich vor allem aufgrund europarechtlicher Vorschriften:
- Die Zuwanderung von sog. hochqualifizierten Arbeitskräften – sog. Blaue Karte EU […].
- Der Familiennachzug zu Unionsbürgern […]
- Neben den europarechtlich begründeten Besonderheiten sind Ausnahmen vom Spracherwerbserfordernis zugunsten der Ehegatten derjenigen Staatsangehörigen, die auch für einen Aufenthalt, der kein Kurzaufenthalt ist, visumfrei nach Deutschland einreisen können (Australien, Israel, Japan, Kanada, Republik Korea, Neuseeland, USA sowie Andorra, Honduras, Monaco und San Marine und Brasilien und EI Salvador) getroffen worden.
MiG: Hier geht das BMI der Frage aus dem Weg. Offensichtlich deshalb, weil es keinen sachlichen Grund dafür geben darf, Deutsche (im eigenen Land!) gegenüber Ausländern zu benachteiligen.
Frage: Besteht eine völkerrechtliche Grundlage für die Befreiung von Staatsangehörigen von Australien, Andorra, Brasilien, EI Salvador, Honduras, Israel, Japan, Kanada, der Republik Korea, Monaco, Neuseeland, San Marine und der USA von der Visumspflicht [… oder …] von dem Erfordernis des Nachweises deutscher Sprachkenntnisse beim Ehegattennachzug […]
Antwort: Nein.
MiG: Die Bundesregierung bevorteilt Staatsangehörige dieser Staaten also nicht aufgrund irgendeiner Verpflichtung, sondern aus freien Stücken. Gut zu wissen.
Frage: Welche integrationspolitischen Erwägungen sprechen für die Befreiung von Staatsangehörigen von Australien, Andorra, Brasilien, EI Salvador, Honduras, Israel, Japan, Kanada, der Republik Korea, Monaco, Neuseeland, San Marine und der USA von dem Erfordernis des Nachweises deutscher Sprachkenntnisse beim Ehegattennachzug […]?
Antwort: Die Bundesrepublik Deutschland unterhält zu den in der Frage genannten Staaten langjährige und enge Beziehungen, die sich auch in der besonderen Behandlung ihrer Staatsangehörigen widerspiegeln. Bei den Betroffenen ist die Integration in die deutsche Gesellschaft erfahrungsgemäß meist unproblematisch und Zwangsheiraten stellen in der Regel kein Problem dar.
MiG: Die Beziehung Deutschlands zu Deutschen ist offensichtlich nicht so gut, wie zu den Bürgern der oben genannten Staaten. Schließlich genießen sie im Gegensatz zu Deutschen eine besondere Behandlung und werden zu keinem Deutschtest verpflichtet.
Frage: Welche integrationspolitischen Erwägungen sprechen nach Auffassung der Bundesregierung dafür, honduranische Staatsangehörige von dem Nachweis deutscher Sprachkenntnisse beim Ehegattennachzug zu befreien, nicht aber Staatsangehörige von Panama?
Antwort: Auf die Antwort [davor …] wird verwiesen.
MiG: Das beantwortet zwar nicht die Frage, aber gut. Was soll man dazu auch sagen; etwa, dass es in Honduras Zwangsverheiratungen gibt und in Panama nicht? Aktuell Politik
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Sehr guter Text: Das Chaos auf den Punkt gebracht.
Das finde ich auch!
Dennoch sollte auch folgender Zeitungsartikel angesichts tiefpatriarchaler Strukturen (wo immer diese vorkommen, sind sie klassisch) berücksichtigt werden:
http://www.sueddeutsche.de/politik/eugh-zu-sprachtests-fuer-auslaendische-ehepartner-frauen-werden-immer-noch-daran-gehindert-die-sprache-zu-lernen-1.2038983
… sprachlos über so viel Dummheit aus Kreisen, von denen man eigentlich erwartet, gebildet zu sein. Am besten Note 6 vergeben wegen Thema verfehlt und nochmal antworten lassen, bis mal etwas Vernüftiges heraus kommt.
Hi Roswitha,
in dem Artikel steht: „Umso wichtiger ist es, dass sie in einer fremden Umgebung mit einer fremden Sprache Möglichkeiten bekommen, sich zu wehren.“ Richtig, nur wie effektiv ist es denn, wenn die Frauen im ausland einen deutschtest bestehen und dann nach Monaten endlich einreisen dürfen? Sind sie dann in der Lage, Im Falle, dass ihr Mann ein Schlägertyp ist, Anzeige zu erstatten, das Strafgesetzbuch zu studieren und Prozesskostenhilfe zu beantragen? Nein, da helfen keine Sprachkenntnisse einfachster Art, sondern Anlaufstellen bei öffentlichen Trägern wie der Caritas, diakonie oder AWO, wo ausländische Frauen sitzen, die den Kulturkreis der Migrantin verstehen. Man muss ja auch das ganze Umfeld (Familie) berücksichtigen. Selbst wenn die Frau perfekt Deutsch könnte, könnte sie ihr Problem nicht angemessen rüberberingen, weil die deutsche Seite das Problem vielleicht nicht ganz verstehen kann. Deshalb braucht man Vermittlerinnen, die die Kultur der Migrantin und die rechtliche Situation in Deutschland kennen. Der Sprachtest bietet m.E. überhaupt keinen Schutz vor schlagenden ausländischen Ehemännern.
Abgesehen davon hat der deutsche Staat doch nichtmal ein Interesse daran, deutsche Ehefrauen vor ihren schlagenden Männern zu schützen. Wo gibts denn heute noch Frauenhäuser? Was tut der Staat für die Rechte der Prostituierten? Gar nichts. Ich nehme dem Staat nicht ab, dass er sich für die Rechte ausländischer Frauen interessiert.
LG Georg
Ich finde den Artikel ebenfalls sehr gelungen.
@Roswitha Halaa: Wissen Sie, ob es Studien zu denen von Frau Ates gemachten Aussagen gibt? Ich finde es immer schwierig mit den Adjektiven „wenig“, „viele“, „oft“, „häufig“ oder „selten“ zu hantieren, wenn es keine konkreten Untersuchungen dazu gibt. Sicherlich wird es den ein oder anderen Fall dazu geben, fraglich ist aber, ob dies auf die Mehrheit der eingewanderten Frauen und ihrer Ehemänner im Rahmen eines Familienachzuges zutrifft. Frau Ates sieht ja aufgrund ihres Berufes immer nur einen bestimmten Ausschnitt von Frauen, aber eben nicht die Mehrheit oder zumindestens nicht auch einen Teil von jenen, bei denen sich ihre Argumente nicht bestätigt finden (berufsbedingt).
Der Spracherwerb muss vor Ort erfolgen und sollte in der freiwilligen Entscheidung des Individuums gründen die „neue Welt“ auch sprachlich durchdringen zu wollen.
Wenn diese Motivation bzw. Entscheidung nicht gegeben ist nützt auch kein „Sprachexamen“, das fern der sprachlichen Lebenswelt um die es geht „instrumentell“ erworben wurde.
Josef Özcan (Diplom Psychologe)
http://www.mig-gesundheit .com
Hallo Georg,
ich stimme dir voll zu!
Frauenhäuser gibt es. Auch hier im ländlichen Raum. Aber es besteht auch eine Schwellenangst oder missverstandene „Schandeangst“ der Frauen, egal ob Deutsche oder Migrantinnen. Meist muss die Gewalt unerträglich werden oder der gewalttätige Partner ebenfalls die Kinder angreifen, bis sie sich trauen, wenn sie sich trauen.
Als IntV-Lehrkraft gab ich den Migrantinnen die Kontaktadresse/n mit entsprechender Info-Besprechung.
@saadiya: Nein, das weiß ich nicht. „Frau Ates sieht ja aufgrund ihres Berufes immer nur einen bestimmten Ausschnitt von Frauen, aber eben nicht die Mehrheit oder zumindestens nicht auch einen Teil von jenen, bei denen sich ihre Argumente nicht bestätigt finden (berufsbedingt).“ Das stimmt. Andererseits jedes Gewaltopfer, ist ein Opfer zu viel!
Damit meine ich „jedes Gewaltopfer“. Für „Soziales“ und damit auch für „Sozialverhalten lernen“ wird zu wenig Geld ausgegeben.