Kabinettsbeschluss
Schärfere Gesetze gegen „Armutszuwanderung“
Die Bundesregierung möchte in Zukunft verstärkt gegen „Armutseinwanderer“ aus Südosteuropa vorgehen. Ein entsprechendes Gesetz wurde beschlossen. Opposition, DGB und Caritas kritisieren, dass es keine Grundlage für dieses Gesetz gibt und werfen der Regierung Populismus vor.
Donnerstag, 28.08.2014, 8:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 31.08.2014, 22:14 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die Bundesregierung will künftig verstärkt gegen die sogenannte Armutseinwanderung aus Südosteuropa vorgehen. Das Kabinett brachte am Mittwoch ein entsprechendes Gesetz auf den Weg. Grundlage ist der Abschlussbericht einer im Januar zu dem Thema eingesetzten Staatssekretärsrunde. Dieser sieht unter anderem härtere Strafen bei Sozialmissbrauch durch Zuwanderer und finanzielle Hilfen für die besonders betroffenen Städte wie etwa Duisburg und Gelsenkirchen vor. In diesem Jahr soll es für die Kommunen 25 Millionen Euro Soforthilfe geben.
Der Gesetzesinitiative zufolge sollen EU-Migranten, die für die Beschaffung einer Aufenthaltsgenehmigung falsche Daten angeben, künftig bestraft werden. Bei Betrug drohen befriste Einreisesperren. Außerdem sollen Zuwanderer aus EU-Staaten künftig nur noch ein halbes Jahr Zeit haben, um Arbeit zu finden.
Zur Vermeidung von Missbrauch soll das Kindergeld künftig nur noch unter Angabe der steuerrechtlichen Identifikationsnummer gezahlt werden. So soll verhindert werden, dass für ein Kind mehrfach Kindergeld bezogen wird. Zusätzlich sollen Scheinselbstständigkeit und Schwarzarbeit stärker bekämpft werden. Behörden wollen intensiver mit der Zollverwaltung zusammen arbeiten.
De Maizière: kein flächendeckendes Problem
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) unterstrich die Bedeutung der Freizügigkeit innerhalb der EU. „Allerdings dürfen wir die Augen vor den damit verbundenen Problemen nicht verschließen“, sagte er. Der Bericht habe ergeben, dass es sich bei der sogenannten Armutszuwanderung nicht um ein „flächendeckendes Problem“ handelt. Allerdings litten einige Regionen erheblich darunter.
Eine Verschärfung gesetzlicher Bestimmungen könne jedoch nicht die alleinige Lösung sein. Geplant sei, in den entsprechenden Städten Integrationskurse anzubieten. Auch die Ausbeutung der Menschen in Form von Mietwucher und „Arbeiterstrich“ müsse stärker geahndet werden.
Özoğuz begrüßt Gesetzentwurf
Auch Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) sieht kein „flächendeckendes Problem“. Die SPD-Politikerin unterstrich die Notwendigkeit die Kommunen finanziell zu unterstützen. Bereits im März sagte der Bund 200 Millionen Euro zu. Die Mittel für Unterkunft oder Heizung werden nun um weitere 25 Millionen Euro aufgestockt. Hinzu kommen zehn Millionen Euro für die medizinische Versorgung und rund 40 Millionen Euro für Sprachkurse.
Die Migrations-Beauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoğuz, begrüßte den Gesetzentwurf. Der im Januar eingesetzte Staatssekretärsausschuss, die Grundlage des Gesetzpakets, habe „nicht nur eine aufgeheizte Debatte versachlicht, sondern zudem schnell die Grundlage für Dinge geschaffen, die den betroffenen Kommunen wirklich helfen.“
Beck: Gesetz ohne Belege
Kritik äußert die Opposition an dem Gesetzesvorhaben: Grünen-Innenpolitiker Volker Beck sieht „keine Belege für ein massenhaftes Erschleichen von Sozialleistungen“. Selbst nach einer „übermäßigen Inanspruchnahme von Leistungen“, suche man vergeblich. Lediglich die Überprüfung der Kindergeldberechtigung hält Beck für legitim. Es sei aber „infam, diese Maßnahmen in einem Bericht vorzuschlagen, der keinen relevanten Betrug beim Kindergeldbezug“ durch Unionsbürger feststellen konnte.
Auch Ulla Jelpke (Die Linke) kann dem Kabinettsbeschluss wenig abgewinnen. „Die ganze Debatte um den angeblichen Missbrauch von Freizügigkeit und um Sozialbetrug stärkt in erster Linie rassistische Haltungen gegenüber rumänischen und bulgarischen Einwanderern. Nirgendwo kann der Bericht belegen, dass es Missbrauch und Betrug überhaupt in nennenswertem Maß gibt“, so die Linkspolitikerin. Nach den vorgelegten Daten sei sogar klar, dass „Deutschland in hohem Maß von der innereuropäischen Migration profitiert“.
Caritas: Debatte macht Vorurteile salonfähig
Heftige Kritik kam derweil auch von der Caritas. „Die aktuelle Debatte um vermeintliche Armutszuwanderung und das betrügerische Erschleichen von Sozialleistungen durch EU-Zuwanderer macht Vorurteile und Diskriminierung salonfähig“, kritisierte Caritas-Präsident Peter Neher. Die Politik zeichne ein verfälschtes Bild der Situation. „Es gibt keinen Beleg für einen höheren Sozialleistungsbetrug von Rumänen und Bulgaren.“
Auch der Deutsche Gewerkschaft (DGB) befand das Papier als mangelhaft. Der Bericht analysiere fast ausschließlich den Zuzug aus den mittel- und osteuropäischen Ländern. Herausforderungen, die sich aus der Abwanderung aus den südeuropäischen Krisenländern ergeben, würden ausgeblendet. Eine differenzierte Analyse der Arbeitsmarktsituation von EU-Bürgern fehle weitgehend, obwohl ein enger Zusammenhang zwischen der Beschäftigungssituation und dem Bezug von Sozialleistungen bestehe. (epd/mig) Aktuell Politik
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