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Interview mit Manfred Schmidt

BAMF Präsident kritisiert Kirchen wegen steigender Kirchenasyl-Zahlen

Nicht nur die Politik steht angesichts überfüllter Aufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge in der Kritik - auch das für die Asylverfahren zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Behördenchef Manfred Schmidt erklärt, warum die Verfahren so lange dauern und warum er die aktuelle Kirchenasyl-Praxis kritisch einstuft.

Von Olschewski, Staffen-Quandt Donnerstag, 16.10.2014, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 22.10.2014, 17:43 Uhr Lesedauer: 7 Minuten  |  

Herr Schmidt, welche Konsequenzen hätte ein „europäischer Aufnahmeschlüssel“, wenn es ihn gäbe?

Manfred Schmidt: Momentan nehmen fünf, sechs Staaten in Europa mehr Flüchtlinge auf als die übrigen EU-Staaten. Wir in Deutschland werden dieses Jahr etwa 200.000 Asylantragsteller haben – die meisten weltweit. Und wenn ich mir die humanitäre Aufnahme von syrischen Flüchtlingen anschaue, sind wir Spitzenreiter. Da frage ich mich schon, ist das in Ordnung? Oder braucht es vielleicht eine breiter angelegte europäische Solidarität?

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Gemessen an den Einwohnerzahlen landet Deutschland aber nur auf einem Platz im Mittelfeld …

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Schmidt: In Deutschland hatten wir im Jahr 2013 je tausend Einwohner rund 1,6 Flüchtlinge – in diesem Jahr wird diese Zahl deutlich höher liegen -, die Schweiz hat 2,6 und Schweden 5,7. Es stimmt also, dass einige Länder mehr Flüchtlinge pro Einwohner aufnehmen. Aber wenn man den Blick auf andere EU-Staaten wirft, dann liegt Italien bei etwa 0,5 Flüchtlingen je tausend Einwohner, in Spanien sind es noch weniger.

Wird die Einstufung von Mazedonien, Serbien, und Bosnien-Herzegowina als sichere Herkunftsländer die Lage entspannen?

Schmidt: Wir haben im Bundesamt eine Sondergruppe zusammengestellt: Rund 50 Entscheider kümmern sich seit Oktober nur um den Westbalkan. Wir haben bei diesen drei Ländern eine Anerkennungsquote zwischen 0,1 und 0,3 Prozent. Wenn das Gesetz in Kraft tritt, werden wir vorrangig Westbalkan-Anträge entscheiden. Um die Bedeutung zu verdeutlichen: Bei den Asyl-Folgeanträgen, die zum zweiten oder zum dritten Mal gestellt werden, kommen sieben von zehn aus den Westbalkan-Ländern.

Haben denn die Flüchtlinge von dort, die bisher anerkannt wurden, jetzt gar keine Chance mehr, Asyl zu bekommen?

Schmidt: Natürlich haben sie diese Chance. Der Flüchtling kann auch weiterhin in einer Anhörung vortragen, dass es bei ihm besondere Umstände gibt. Mehr als 98 Prozent der Fälle sind unbegründet beziehungsweise offensichtlich unbegründet, aber es gibt immer Einzelfälle, bei denen wir auch in Zukunft sagen werden: In diesem speziellen Fall ist die Situation anders.

Das heißt: Die Bearbeitung der Asylanträge für Menschen aus diesen Ländern wird schneller?

Schmidt: Ja, sie wird schneller. Aber wir setzen natürlich auf eine Signalwirkung in diese drei Länder.

Was sagen Sie zu der Kritik, dass es immer wieder Asylverfahren gibt, die ungewöhnlich lange dauern? Gibt es vielleicht strukturelle Probleme in Ihrer Behörde?

Schmidt: Die durchschnittliche Bearbeitungszeit liegt im Moment bei 6,9 Monaten. Für die Bearbeitung von syrischen Flüchtlingen brauchen wir 4,7 Monate, bei afghanischen sind wir bei 13 Monaten. Die Dauer hat auch mit den Steigerungen zu tun. 2013 waren wir bei 127.000 Asylanträgen, dieses Jahr werden es rund 200.000 sein. Wir haben zwar 300 neue Stellen bekommen – aber die Anhörung von Flüchtlingen ist ja kein Massengeschäft wie das Ausstellen neuer Personalausweise. Wenn die schnelle Anerkennung der bislang 24.000 syrischen Flüchtlinge gefordert wird, muss ich andere Herkunftsländer zurückpriorisieren.

Bleibt die Frage nach der Struktur der Behörde: Die Zahl der Flüchtlinge steigt weiter, allein mit immer mehr Mitarbeitern wird man diese Arbeitsbelastung nicht lösen können, oder?

Schmidt: Allein mit neuen Ressourcen ist das Problem nicht zu lösen, das stimmt, sonst müsste man jedes Jahr neue Mitarbeiter einstellen. 25 Prozent unserer Anträge kommen aus dem Westbalkan, und 21 Prozent sind Dublin-Bestände – für die also andere Länder zuständig sind. Ohne diese Verfahren würden wir mit unseren Ressourcen wesentlich weiter kommen. Wir müssen künftig also verstärkt an diesen Stellschrauben drehen …

Wenn wir gerade bei den Dublin-Fällen sind: Viele Schutzsuchende in den Kirchenasylen sind solche Fälle. Ihre Behörde prüft nun eine rechtliche Neubewertung der Kirchenasyle. Warum?

Schmidt: Wir stellen das Kirchenasyl an sich überhaupt nicht infrage. In etlichen Kirchenasylen heute geht es – anders als noch vor zwei, drei Jahren – aber nicht mehr um den Einzelfall, sondern um eine abstrakte Infragestellung des Dublin-Verfahrens. Inzwischen gibt es regelrechte Checklisten, wie man am besten Kirchenasyle organisiert. Die Hälfte der evangelischen Kirchengemeinden in Bayern hat bereits Beschlüsse für Kirchenasyle gefasst, ohne eine konkrete Anfrage zu haben. Warum? Dublin ist geltendes Recht und dagegen gibt es Rechtsmittel! Wir glauben nicht, dass ein Kirchenasyl diesen Rechtsweg außer Kraft setzen kann.

Deswegen bewerten Sie den Gang ins Kirchenasyl künftig immer so, dass dies die Menschen dem Zugriff der Behörden entzieht?

Schmidt: Wenn jemand ins Kirchenasyl geht, umgeht er damit die vom Gesetz verlangte Überstellung in das EU-Land, in dem er zuerst europäischen Boden betreten beziehungsweise Asyl beantragt hat. In der Dublin-Verordnung steht für einen solchen Fall grundsätzlich drin, dass sich die Frist dann von sechs auf 18 Monate verlängert. Wir prüfen aktuell, ob diese verlängerte Frist auch für das Kirchenasyl gilt. Interview Leitartikel Politik

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  1. Naja, „wir“ sind ein „emphatisches Volk“… Der bekannte Soziologe Michael Hartmann hat aktuell festgestellt, dass Menschen an den Macht-Schaltstellen eigentlich gar keine Empathie im sozialen Bereich aufbringen: http://www.derwesten.de/panorama/wochenende/die-kluft-zwischen-den-eliten-und-dem-volk-waechst-id8073366.html. „Während 74 Prozent der Arbeiterschaft die sozialen Unterschiede ungerecht finden, ist es unter den Eliten genau umgekehrt.“ Weiter: „Die möglichen Folgen dieser Entfremdung zwischen den Eliten und der normalen Bevölkerung sind in der Analyse des Forschers fatal. Die Eliten leben in einer eigenen Welt und nehmen die Sorgen und Belange der „Normalbürger“ kaum noch wahr. Die wachsende soziale Kluft verschärft zudem am unteren Ende der Skala den Eindruck, auf „die da oben“ sowieso keinen Einfluss haben zu können.“
    Von den Funktionseliten ist eigentlich nicht zu erwarten, dass sie verstehen, was sie mit ihrer Politik „unten“ anrichten. Es stellt sich die Frage, wodurch diese Leute überhaupt legitimiert sind, solche Gesetze zu machen. Die Asylpraxis und auch die Verarmung der Bevölkerung sind in keinerlei Hinsicht demokratisch legitimiert, da helfen auch keine dünnen Wahlergebnisse weiter. Zitat: „Hartmann sieht eine Konsequenz in der wachsenden Wahlmüdigkeit vor allem der unteren Einkommensgruppen: Je ärmer der Stadtteil, desto niedriger die Wahlbeteiligung. Die Politik verliere diese Schicht daher zunehmend aus dem Blick.“
    Wegen der Politik dieser Funktionseliten erleben wir heute eine völlige Erosion des Glaubens an die parlamentarische Demokratie. Bei change.org gab es eine Petition, die dagegen protestierte, dass ein 14 Tage alter Säugling ausgewisen werden sollte. Über 60.000 Menschen haben gegen diesen Behördenwahnsinn protestiert.
    Es ist doch gerade gut, wenn das Kirchenasyl eine „generelle Systemkritik“ generiert, genau das brauchen wir. Es geht um die Frage, was die Funktionseliten alles machen „dürfen“. Es geht auch darum, ob Gesetze eigentlich legitim zustande kommen oder ob sie der Bevölkerung aufoktroyiert werden. Wenn Politiker die Menschen nicht vertreten, dann können sie nicht erwarten, dass man ihre Gesetze ernst nimmt.

  2. Ich finde es schlimm, wenn dieser Beamte über die Menschen redet. Sie kommen aus Verzweiflung! Da gibt es keine Abschiebung, das ist ein Gebot der WÜRDE des Menschen!

    Jede Abschiebung ist Menschenrechtswidrig und ein Verlust eines bereichernden Menschen, der hier leben und lieben will. Refugees entscheiden sich Für dieses Land trotz der Nazis. Das muss man doch achten und nicht kalt zurückweisen. JedE könnte einmal Refugee sein! Außerdem sind die viel Gebildeter. Wir brauchen mehr!

  3. Pingback: Knatsch ums Kirchenasyl - BAMF und Kirchen weiter uneins - MiGAZIN

  4. Mike sagt:

    Sabine Abbel: eine unkontrollierte Zuwanderung lässt kein Land zu! Jedes Land steuert und kontrolliert aus guten Gründen seine Zuwanderung.

  5. Pingback: Streit geht weiter - Es wird auch in Zukunft Kirchenasyl geben - MiGAZIN

  6. Sven sagt:

    „Da frag ich mich ist das in Ordnung?“ Diese Frage als Präsident des BAMF zu stellen ist ein Offenbarungseid.

    Solidarität ja, aber nur innerhalb der Grenzen Europas. Solidarität mit Flüchtlingen, wie von den Kirchen durch das Kirchenasyl gelebt nein danke. Asylantragsteller sollen durch das Dublinverfahren in Menschenunwürdige Verhältnisse gezwungen und somit lebendigen Druck auf die Mitgliedstaaten ausüben deren Aufnahmesysteme nicht dem „Standard“ enrtsprechen. Hierduch soll dan ihre Solidarität mit Deutshcland geweckt werden, überhaupt auf die Idee zu kommen Deutschland sei Opfer ist perfiede.

    Ja Mitgliedstaaten wie Italien, Ungarn oder Bulgarien müssen ihre Aufnahmesysteme verbessern aber anstelle politischen Drucks werden Tausende traumatisierter, alter, minderjähriger Flüchtlinge gestellt getreu „Seht wir ihr damit fertig werdet!“

    Unerhört und schäbig!!!