Racial Profiling
„Ihr seid hier nicht in Afrika“
Vor zwei Jahren wurde Derege Wevelsiep Opfer von Polizeigewalt. Eigentlich eine klare Sache. Dass es zu einem Prozess kommt, grenzt dennoch fast an ein Wunder. Der Fall wirft einmal mehr die Frage auf, inwiefern struktureller Rassismus in der Polizeiarbeit eine Rolle spielt.
Von Philipp Wehner Freitag, 24.10.2014, 8:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 27.10.2014, 19:27 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Derege Wevelsieps Geschichte hat für viel Aufsehen gesorgt. Mehrere Tausend Menschen gingen im November 2012 in Frankfurt auf die Straßen, um gegen Polizeigewalt im Allgemeinen und die Gewalt gegen Wevelsiep im Speziellen zu demonstrieren. Erst fünf Monate später ist sich die Staatsanwaltschaft überhaupt sicher, dass Wevelsiep am Abend des 17.10.2012 Unrecht geschehen ist.
Nach zwei langen Jahren wird sein Fall nun am 30. Oktober und 6. November 2014 vor Gericht verhandelt. Einer der vier beschuldigten Polizisten muss sich wegen Körperverletzung und Beleidigung im Amt verantworten. Die Anzeige gegen die übrigen drei aufgrund von Hausfriedensbruch, Nötigung und Freiheitsberaubung wurde fallengelassen, weil die Staatsanwaltschaft keinen Tatverdacht sah.
Was war passiert?
Doch was ist passiert? Am 17. Oktober 2012 steigt Wevelsiep mit seiner Verlobten und dem gemeinsamen Kind in die U-Bahn. Bei einer Kontrolle zeigt Wevelsiep seine Monatskarte vor. Seine Verlobte darf kostenlos mitfahren, der Sohn ist unter drei Jahren alt und muss nicht zahlen. Der Diplom-Ingenieur steigt aus und gibt seiner Partnerin die Monatskarte, die weiterfährt. Wenig später ruft sie ihn an, weil ihr vorgeworfen wird, ohne Ticket gefahren zu sein. Als Wevelsiep die Station erreicht, wird seine Verlobte von vier Kontrolleuren umringt. Als der Satz „Ihr seid hier nicht in Afrika“ fällt, eskaliert die Situation.
Die Polizei wird gerufen. Sie will Wevelsieps Ausweis sehen, der nur seinen Firmenausweis bei sich hat. Er wird an die Wand gedrückt und auf die Straße gezerrt. Auf dem Weg nach Hause schlägt einer der Polizisten ihm mit der Faust ins Gesicht, gegen die Brust und in die Niere, tritt ihm gegen das Knie. Seine Verlobte findet ihn später bewusstlos auf dem Boden in seiner Wohnung. Für drei Tage muss er in eine Klinik. Polizeibeamte kommen, um seine Aussage aufzunehmen, werden aber auf Druck des Geschäftsführers des Sankt Katharinen-Krankenhauses verwiesen.
Polizei erzählt andere Version
Glaubt man der Version des beschuldigten Polizisten, habe sich Wevelsiep die Platzwunde beim Einsteigen in den Streifenwagen zugezogen. Präziser ausgedrückt, kam es bei einer ruckartigen Bewegung zum Aufprall mit dem Blaulicht. Das können alle vier Polizisten bestätigen. Später wird ein Anwalt der Polizisten sogar erklären, dass Wevelsiep schwarz sei und man bei dunkler Haut nur schwer Hämatome ausmachen könne. Zwei Versionen, die unterschiedlicher nicht sein könnten.
Info: Als Ansprechpartnerin mobilisiert die ISD in Kooperation mit KOP Berlin und anderen Unterstützern zur Prozessbeobachtung und Unterstützung im Racial Profiling-Fall von Derege Wevelsiep am 30. Oktober und 6. November 2014. Start der Verhandlung ist 10:30 Uhr, Hammelgasse 1, Saal 11_E, 1.OG. in Frankfurt Treffpunkt ist 10 Uhr vor dem Gericht.
Fakt ist: Der Polizist, der auf Wevelsiep eingeschlagen haben soll, ist erst kürzlich gewalttätig in Erscheinung getreten. Er stand er wegen Körperverletzung im Amt vor Gericht, wie er einen Fußball-Fan zusammengeschlagen haben soll. Abgesehen davon wurden Spuren von Wevelsieps DNA am Handschuh eben dieses Polizisten gefunden. Ein Indiz, das nicht unbedingt für die Version des Beamten spricht.
Kein Einzelfall
Bald wird es in Frankfurt/Main zu einer Verhandlung kommen. Die Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland (ISD) unterstützt den Kläger Derege Wevelsiep im Laufe des Prozesses. Dabei hofft die ISD nun auf eine lückenlose und gerechte Aufklärung dieses Falls, bei denen bereits geführte Debatten, ob Wevelsiep den Kontrolleuren oder der Polizisten gegenüber frech gewesen sei oder das Ticket wirklich Gültigkeit besessen habe, keine Rolle spielen sollten. Denn fest steht: Wevelsiep wurde in Polizeiobhut verprügelt.
Gleichzeitig macht die ISD klar, dass Derege Wevelsiepes Geschichte kein Einzelfall ist. „Die Methoden des Racial Profiling sind vielfältig“, sagt ISD-Vorstandsmitglied Tahir Della. Mit der Kampagne „Stop Racial Profiling“ macht der Verein seit mehreren Jahren auf strukturellen Rassismus in der Polizeiarbeit aufmerksam. Wie wichtig Kampagnen gegen Racial Profiling sind, zeigt allein die Tatsache, dass die ermittelnde Staatsanwaltschaft im Fall von Derege Wevelsiep drei der beschuldigten Polizisten bereits entlastet hat. Es bleibt also abzuwarten, wie jetzt gegen den vierten Polizisten geurteilt wird. Aktuell Recht
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