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Euro © Alf Melin @ flickr.com (CC 2.0), bearb. MiG
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Migration und Korruption

Korrupt, das sind nur die anderen.

Wissenschaftler untersuchen immer wieder negative Folgen von Einwanderung - mitgeschleppte Korruptionsangewohnheiten etwa. Den eigentlichen Korruptionsschaden verursachen aber elitäre Polit-Kreise. Das müsste man den "besorgten Bürgern" einmal klar machen.

Von Donnerstag, 10.09.2015, 8:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 11.09.2015, 1:06 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Mehrere wissenschaftliche Arbeiten jüngerer Zeit untersuchen den Zusammenhang zwischen Migration und Korruption. Der Wirtschaftswissenschaftler Eugen Dimant etwa untersuchte die Migration aus 207 Ländern. Sein Fazit: Migranten aus korrupten Ländern würden Verhaltensweisen mitbringen und diese in Deutschland business-as-usual weiter betreiben. Erst mittelfristig würden sich Migranten an die neue Kultur und deren Regeln anpassen.

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Was sich zunächst plausibel anhört, leidet an einem offensichtlichen Mangel: Die Frage der „Machtverteilung“ wird bei dieser Diskussion komplett ignoriert. Dabei bedeutet Korruption vor allem Machtmissbrauch in Politik, Wirtschaft, Justiz und Verwaltung. Inwiefern können also die Neueinwanderer, die in der Regel keinen Zugang zu Machtpositionen haben, sich zum Nachteil der Gemeinschaft bereichern?

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Eine zweite – ebenfalls kaum beachtete – Komponente in dieser Debatte kommt zu kurz: Korruption wird gerne so weit wie möglich weggeschoben ins Ausland – nach Indien, Südamerika oder allenfalls in das europäische Italien. In Auslandsnachrichten steht Korruption meist im Zusammenhang mit Krieg, Krise oder Katastrophen. So entsteht bei Deutschen ein verzerrtes Bild zum Thema im eigenen Land.

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Der bekannteste deutsche Korruptionsermittler ist der frühere Frankfurter Oberstaatsanwaltschaft Wolfgang Schaupensteiner. Er wechselte 2007 zur Deutschen Bahn. Hartmut Mehdorn war mit dieser Personalie ein guter Schachzug gelungen, um das angeschlagene Image des Unternehmens zu sanieren. Das ist eine bewährte Strategie von Wirtschaftsvertretern.

Ende 1960er hatte IBM den US-Justizminister, der gegen das Unternehmen kartellrechtlich vorging, in den Vorstand geholt. Nach dem Seitenwechsel konnte der Minister am besten die eigenen Vorwürfe aus der Welt schaffen. Siemens hatte mitten in seinem größten Schmiergeldskandal einen Stuttgarter Oberstaatsanwalt an die Spitze der zuständigen Abteilung geholt. Es gibt noch viele weitere unterhaltsame Anekdoten von Ministern, die sich als Ehrengäste europaweit fliegen ließen oder jenen, die selbst die Damenbinden ihrer Gattinnen auf die Spesenliste setzten. Klingt absurd, ist es auch, und traurigerweise wahr.

Andere Fälle sind weniger zum Lachen. Der Journalist Hans-Martin Tillack beschreibt in seinem Buch „Die korrupte Republik“ wie es läuft: Da laden Energie-Riesen Bundestagsabgeordnete in Nobelbars ein, die zufällig über Reaktorsicherheit entscheiden. Oder SPD -Politiker bekommen großzügige Wahlkampfspenden von Rüstungsunternehmen und entscheiden anschließend im Haushaltsausschuss über Rüstungsaufträge für die Spender.

Ein Beispiel ist auch das Sommerfest des Bundespräsidenten, das ausschließlich von Sponsoren bezahlt wird. Tillack schreibt, dass die Verwaltung des ehemaligen Bundespräsidenten Köhler sich zunächst weigerte, alle Sponsoren zu benennen. Weil die Auftragsvergabe „freihändig“ erfolgte, also ohne öffentliche Ausschreibung? Der Bundespräsident müsste dann erklären, warum einige Firmen bevorzugt Aufträge erhalten – in aller Freundschaft.

Tillack hat allein im Verkehrsministerium für 2005 festgestellt, dass 88 % aller Bundesaufträge nicht öffentlich ausgeschrieben wurden. Und wenn Aufträge ohne Konkurrenz vergeben werden, wer bestimmt dann den angemessenen Preis? Wie sieht es heute mit Joachim Gauck aus? Wenn man seine politischen Sprechblasen weglässt, bleibt als kristallklare Botschaft nur: „Ich möchte weltweit mehr deutsche Kriege sehen!“ Riesenaufträge winken für Waffenlobbyisten – finanziert aus Steuermitteln.

Und wer erinnert sich noch an die Kofferübergabe mit einer Million Mark in bar an den CDU-Schatzmeister, den Rücktritt Wolfgang Schäubles und an die unfassbaren Aussagen Helmut Kohls zum Skandal? Die Millionen-„spende“ vom Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber deckte das verzweigte System von Konten mit dem geheimen Parteivermögen und die nicht verbuchten Gelder an den CDU-Vorsitzenden Kohl auf. Wolfgang Schäuble musste im Jahr 2000 von seinen Parteiämtern zurücktreten, als bekanntwurde, dass auch er im Jahr 1994 von Waffenlobbyisten eine „Barspende“ erhalten hatte. Im Jahr 2010 begann der erste Prozess gegen Karlheinz Schreiber. Er wurde zunächst wegen Steuerhinterziehung zu einer Haftstrafe von acht Jahren verurteilt. Im Mai 2012 – nach zwei Jahren – allerdings wurde der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt. Die Richter beschränkten sich nur auf die Frage, wie Schreiber es mit der Steuerehrlichkeit hielt, der Vorwurf der Bestechung galt als verjährt.

Tillack dagegen, der zur Aufdeckung mehrerer Korruptionsfälle persönlich beitragen hat, wurde von der Münchener Staatsanwaltschaft abgehört, von der Hamburger Staatsanwaltschaft in die Mangel genommen und sein Büro in Brüssel wurde durchsucht, umfangreiche Dokumente wurden beschlagnahmt.

In Deutschland steigen nach einer kurzen oder langen Karriere als Politiker die Jobchancen erheblich. Tillack dokumentiert, dass die gesamte Führungsetage des Wirtschaftsministeriums unter Rot-Grün in der Wirtschaft gelandet ist. Und es ist vollkommen legal. Gerhard Schröder hat es vorgemacht: Nahtlos landete er bei Gasprom. Otto Schily wurde Aufsichtsrat bei zwei Biometrie-Unternehmen, nachdem er sich zuvor für biometrische Ausweise stark gemacht hatte. Die Politiker sind auch in Deutschland die sichtbaren Figuren im Spiel und dahinter stehen die Vertreter der Wirtschaft.

Könnte man nicht gesetzlich viel besser gegen Korruption in Wirtschaft und Politik vorgehen? Im Grunde eine überflüssige Frage. Einige wenige würden gern „Abgeordnetenkauf“ unter Strafe stellen. Aber die Abgeordneten selbst müssten ein entsprechendes Gesetz beschließen.

Korruption in Deutschland ist ein Desaster. Gerade deshalb, weil die Existenz der Korruption verleugnet und verharmlost wird. Skandale und Verbrechen, die strafrechtlich konsequent verfolgt werden müssten, werden zu Ungleichmäßigkeiten der Bilanzierung, Pannen, Spendenaffären oder ähnlichen Unwörtern umgedeutet. Den Schaden tragen die Menschen, die Unterstützung und Förderung brauchen. Sie sind die Leidtragenden. Schaupensteiger beziffert den jährlichen Korruptionsschaden in Deutschland auf 350 Milliarden Euro. Damit könnte man viel bewegen in diesem Land, beispielsweise Flüchtlingen eine menschenwürdige Unterkunft bieten. Zum Vergleich: das „riesengroße“ Maßnahmenpaket der Bundesregierung zur Bewältigung der aktuellen Flüchtlings-Notsituation soll 3 Milliarden Euro kosten.

Zurück zum Eingangsthema: Wünschenswert wäre eine verstärkte Diskussion unter Wissenschaftlern über Zusammenhänge zwischen dem durch die elitären Kreise verursachten Korruptionsschaden und den „besorgten Bürgern“, die aus „Angst um das ausgehende Geld“ in diesem Land gegen Einwanderer hetzen und vor Gewalt schon lange nicht mehr zurückschrecken.

Eine Fragestellung könnte lauten: Würde der jährliche Korruptionsschaden reichen, um jedem „besorgten Bürger“ zu zeigen, dass das Geld durchaus vorhanden ist, und während er gegen Minderheiten hetzt, ungeheure Summen von den politischen Eliten auf die Konten der wirtschaftlichen Eliten umgeleitet werden? Eine andere Frage könnte lauten: Wie könnten „besorgte Bürger“ dazu gebracht werden, gegen jene zu demonstrieren, die der Allgemeinheit in hundertfacher Milliardenhöhe auf der Tasche liegen, vorsätzlich Missbrauch begehen, belügen und betrügen und korrumpieren? Aktuell Meinung

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