Im Visier von Neonazis
Ermittlungen wegen Bedrohung von Journalisten werden oft eingestellt
Bedrohungen von Journalisten durch Rechtsextreme häufen sich. Doch eine Strafverfolgung scheitert häufig. Der deutsche Journalistenverband vermutet, dass viele Journalisten Angst haben und deswegen Einschüchterungsversuche nicht anzeigen.
Von Theo Körner Dienstag, 03.11.2015, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 08.11.2015, 18:37 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Todesanzeigen mit seinem Namen, Schmierereien an seiner Hauswand, Schmähungen als „Volksverräter“: Der Dortmunder Journalist Peter Bandermann wird seit vergangenem Dezember immer wieder von Neonazis bedroht. Der Redakteur der Dortmunder „Ruhr Nachrichten“ berichtet seit Jahren über die rechtsextreme Szene in der Stadt und sollte dafür am Montagabend in Berlin vom Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) mit der „Goldenen Victoria für Pressefreiheit“ ausgezeichnet werden. Wegen der anhaltenden Bedrohungen wandte er sich an die Staatsanwaltschaft Dortmund – doch die sieht ihre Hände gebunden und stellte die Ermittlungen wegen Nachstellung ein.
Staatsanwältin Sonja Frodermann sagte dem Evangelischen Pressedienst, der Tatbestand der Nachstellung sei nur bei „schwerwiegenden Beeinträchtigungen der Lebensgestaltung“ gegeben. In einem Brief an Bandermann konkretisiert die Behörde das so: Erst wenn ein Umzug oder ein Wechsel des Arbeitsplatzes aufgrund der Bedrohung erforderlich ist, komme der Tatbestand der Nachstellung möglicherweise in Betracht.
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) reagierte mit Unverständnis. „Das Verhalten der Justizbehörde ist nicht nachvollziehbar“, sagte DJV-Sprecher Hendrik Zörner. Die SPD-Landtagsabgeordnete und Rechtsanwältin Nadja Lüders forderte, das nordrhein-westfälische Justizministerium müsse sich mit der Angelegenheit befassen.
Bandermann selbst erinnert daran, dass vor gut zehn Jahren bereits eine Familie Dortmund wegen rechtsextremer Bedrohungen verlassen habe. Die Einschüchterungsversuche reichten damals von Schmierereien am Wohnhaus bis hin zu Verunglimpfungen auf Flugblättern. Gleichwohl respektiere er die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, betont Bandermann. Die Justiz sei nun mal unabhängig, das sei „ein Prinzip unseres Rechtsstaates“.
Die Dortmunder Polizei kennt das Problem gut. Die Neonazis wüssten sehr genau, ab wann sie gegen Gesetze verstoßen, sagte ein Sprecher. Wenn sich beispielsweise bei einer Anhörung zum Thema Flüchtlingsunterkünfte ein Neonazi die ganze Zeit unmittelbar neben einen Journalisten stelle, sei das kein Straftatbestand, ziele aber natürlich darauf ab, den Redakteur einzuschüchtern.
Das Vorgehen der Staatsanwaltschaft will die Polizei nicht kommentieren, sieht aber durchaus eine Radikalisierung der rechten Szene. Betroffen seien davon aber nicht allein Journalisten, sondern auch andere Bürger, erklärte der Sprecher. So habe es jüngst mehrere Übergriffe auf Migranten gegeben.
Ob die Zahl der Bedrohungen und Übergriffe auf Journalisten gestiegen ist, lässt sich statistisch nicht nachvollziehen, weil Straftaten nicht nach Berufsgruppen getrennt erfasst werden. Aber es häufen sich Berichte von Journalisten über Beleidigungen und Einschüchterungsversuche, heißt es nicht nur bei der Gewerkschaft DJV, sondern auch beim Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV). Eine BDZV-Sprecherin äußerte sich besorgt, dass es in Dresden, Cottbus und wiederholt in Dortmund zu Übergriffen gekommen sei. So waren etwa auf der „Pegida“-Demonstration in Dresden am 19. Oktober mehrere Medienvertreter von Teilnehmern angegriffen worden.
DJV-Sprecher Zörner geht von einer erheblichen Dunkelziffer aus. Viele Journalisten hätten möglicherweise Angst um ihre Familie oder die eigene Unversehrtheit und verschwiegen deswegen Einschüchterungsversuche, vermutet er.
Peter Bandermann berichtet trotz der Drohgebärden weiter über die rechtsextreme Szene in Dortmund. Gerade erst hat er auf einer Doppelseite in der Lokalausgabe der „Ruhr Nachrichten“ dargestellt, wie sehr die Methoden der Rechtsextremisten von heute denen aus der NS-Zeit gleichen. (epd/mig) Leitartikel Politik
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