"Ekeliger Wettbewerb"
Bundesamt zahlt 1,86 Mio. für Tipps zur Abschiebung von Asylbewerbern
Das BAMF soll einer Beraterfirma 1,86 Mio. Euro zur Formulierung von Tipps zur Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern gezahlt haben. Sowohl das Papier als auch die Kosten ernten scharfe Kritik.
Dienstag, 06.12.2016, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 12.12.2016, 16:22 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Für eine Studie mit Tipps zur Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) rund 1,86 Millionen an die Unternehmensberatung McKinsey gezahlt. Darin rät das Beratungsunternehmen Medienberichten zufolge der Bundesregierung, den Druck auf abgelehnte Asylbewerber zu erhöhen, damit mehr Menschen in ihre Herkunftsländer zurückkehren.
Einem Spiegel-Bericht zufolge kann die Beraterfirma für diese Dienstleistung 678 Beratertage in Rechnung stellen und einen durchschnittlichen Tagessatz in Höhe von gut 2.700 Euro. Den Rahmenvertrag mit McKinsey habe das BAMF im Oktober vergangenen Jahres abgeschlossen und dabei aus Gründen der „Eilbedürftigkeit“ auf eine Ausschreibung verzichtet. Zwischen Oktober und März seien bereits rund 9,2 Millionen Euro an die Beratungsfirma geflossen, unter anderem für die Optimierung des Asylprozesses und der Erstregistrierung von Flüchtlingen.
In der aktuellen Ausarbeitung plädieren die Unternehmensberater laut Welt am Sonntag für ein „Rückkehrmanagement 2017“, das von den Bundesländern koordiniert werden solle. „Abschiebungshaft und Ausreisegewahrsam sollten so gestaltet werden, dass sie in der Praxis konsequent anwendbar sind“. Dazu seien entsprechende „Abschiebungshaft- und Gewahrsamsanstalten“ einzurichten.
Berater raten zur Investition in freiwillige Rückkehr
Zu den 14 vorgeschlagenen Maßnahmen zähle auch ein finanzielles Anreizsystem mit höheren Fördersätzen. Damit solle „die Anzahl freiwilliger Rückkehrer deutlich erhöht werden“. Außerdem seien eine konsequente digitale Erfassung im Ausländerzentralregister, mehr Personal in den Ausländerbehörden und eine Zentralisierung der Verantwortlichkeiten für die Rückkehr in den Bundesländern nötig.
Die Studie prognostiziert der Zeitung zufolge, dass die Zahl der Ausreisepflichtigen in Deutschland bis Ende 2017 auf mindestens 485.000 steigen wird. Dagegen liege die Schätzung für die Ausreisezahlen in diesem und im nächsten Jahr bei jeweils nur 85.000. Die Kosten für einen Ausreisepflichtigen betrügen 670 Euro im Monat. „Im Jahr 2017 werden die direkten Gesamtkosten damit bei rund 3,0 Mrd. Euro liegen“, zitiert die Welt aus dem Papier. Angesichts dieser Kosten sei es ratsam, in die Rückführung und besonders in die freiwillige Rückkehr „zu investieren, um die Dauer ihres Aufenthaltes in Deutschland zu verkürzen“.
Kranke sollen kein Geld erhalten
Die momentane Zahl der Rückführungen wird laut Welt als „unzureichend“ bezeichnet. Zwischen der Ausreisepflicht und der Ausreise „liegen bei vollzogenen Rückführungen durchschnittlich zwölf Monate, in manchen Fällen sogar rund 4,5 Jahre“. Nach Verurteilungen wegen einer Straftat benötige man im Schnitt 20 Monate für eine Ausweisung.
Zudem schlägt McKinsey schärfere Regeln für in Deutschland Geduldete vor, die drei von vier Ausreisepflichtigen stellten. Die Behörden sollten künftig nicht mehr als die gesetzlich vorgeschriebenen Geldzahlungen in Höhe von 135 Euro pro Monat ausgeben. Geduldete Ausländer, die etwa krank sind oder keine Passpapiere vorlegen, sollen demnach für Essen oder Kleidung statt Geld nur noch Sachleistungen erhalten. Die „finanzielle Flexibilität“ könne so „verringert“ werden.
Bozkurt: Spitze eines ekeligen Wettbewerbs
Auf Kritik stößt die Auftragsvergabe des BAMF bei der Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt in der SPD. „Knapp 2 Mio. Euro für menschenverachtende Vorschläge sind die Spitze eines ekeligen Wettbewerbs, wie man mit dem Elend von Geflüchteten Geld machen kann“, erklärt der Bundesvorsitzende Azizi Bozkurt.
Wenn McKinsey heute eine „Abschiebungs-Maschinerie“ vorschlage, dann sei die nächste Beratungsleistung über das Wie gleich mitbedacht. „Wir fordern ein schnelles Ende dieser und ähnlicher Beratertätigkeiten. Es braucht endlich einen Fokus auf das Problem, dass immer mehr Unternehmen einen Profit aus der Situation von Geflüchteten zu schlagen versuchen“, so Bozkurt weiter. Die Vorschläge der McKinsey-Berater seien „jenseits von Gut und Böse“. Die Drangsalierung von aufgrund von Krankheiten geduldeten Menschen sei „nur eines der irren Gedanken, die im Mülleimer gut aufgehoben sind“. (epd/mig) Leitartikel Politik
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