Besorgte Bürger siegen
Eine fatale Entscheidung des Presserats
Der Presserat hat die Richtlinie zur Nennung der Herkunft von Straftätern geändert. Herkunft und Religion von Straftätern sollen in Zukunft genannt werden, wenn ein begründetes öffentliches Interesse vorliegt - eine fatale Entscheidung. Von Said Rezek
Von Said Rezek Donnerstag, 30.03.2017, 10:09 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 09.01.2018, 12:35 Uhr Lesedauer: 1 Minuten |
Ich höre die Sektkorken einiger Redaktion immer noch knallen und die besorgten Bürger immer noch jubeln, nachdem die Richtlinie 12.1 des Pressekodex geändert wurde. Zuvor sollte die Herkunft von Straftätern und Verdächtigen nur genannt werden, wenn ein „begründeter Sachbezug“ zur Straftat bestand. Mittlerweile ist das „begründete öffentliche Interesse“ ausschlaggebend.
Soll heißen: Wenn sich die Bürger der Bundesrepublik beispielsweise für die jüdische oder muslimische Religionszugehörigkeit eines kriminellen interessieren, dann ist die Nennung gerechtfertigt. Selbst wenn die Religion keine Rolle bei der Begehung einer Straftat spielt.
Fatal sind die Signale, die von dieser Entscheidung ausgehen. All jene, die schon immer für die Nennung diskriminierender Merkmale plädiert haben, werden diese Entscheidung als späte Genugtuung betrachten. Viele Journalisten werden die Herkunft zukünftig, ganz ohne schlechtes Gewissen erwähnen.
Öffentlichkeit diktiert die Regeln
Der Vorwurf, den nicht wenige Medienmacher an politische Akteure erheben, gilt mittlerweile für dir moralische journalistische Instanz – den Presserat – selbst. Die öffentliche Meinung diktiert die Regeln, nicht die Vernunft, geschweige denn die Moral.
Es wäre besser gewesen, wenn der Presserat standhaft geblieben wäre und dem Druck der Straße und des Netzes, nicht nachgegeben hätte. Eine Rolle rückwärts ist unwahrscheinlich, wäre aber wünschenswert. So könnte der Presserat verloren gegangene Glaubwürdigkeit zurückgewinnen. Aktuell Meinung
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Hallo, Herr Rezek,
ich kann Ihre Bedenken verstehen, jedoch nicht teilen, weil ich denke, dass Sie das „öffentliche Interesse“ missverstehen. Es ist nämlich keineswegs so, dass nun die Nationalität genannt werden darf, weil die Öffentlichkeit sich vielleicht dafür interessiert. Das öffentliche Interesse muss anders verstanden werden: Ist eine Information so wichtig oder bedeutend, dass die Öffentlichkeit sie erfahren sollte, dann kann sie genannt werden. Im Endeffekt verändert die Neuregelung die Richtlinie so gut wie gar nicht – und wenn Sie die Berichterstattung und Kommentarspalten zum Thema verfolgt haben, dann wissen Sie, dass auch keineswegs die Sektkorken bei irgendjemandem knallen. Die Redaktionen sind immer noch nicht zufrieden und die Nationalpopulisten schreien nach wie vor „Zensur“.
Einig sind wir uns, dass die Neufassung keine Verbesserung gebracht hat, denn „öffentliches Interesse“ ist ebenso interpretationsfähig wie der „begründbare Sachbezug“, nur wahrscheinlich noch etwas schwammiger. Welche Auswirkungen das alles nun hat, werden die nächsten Monate zeigen.