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Forschungsbericht

Wird die neue Bundesregierung ihre Chance für die Arbeitsmarktintegration der Geflüchteten nutzen?

Das Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien präsentiert heute einen Forschungsbericht über den Arbeitsmarktzugang für Geflüchtete. Darin formulieren die Experten unter anderem Handlungsempfehlungen für die Politik. Exklusiv im MiGAZIN stellen die Verfasser den Koalitionsvertrag von Union und SPD auf den Prüfstand.

Von Gieseke, Salikutluk, Wiedner Donnerstag, 15.03.2018, 6:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:42 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Gerade einmal fünf der 178 Seiten des neuen Koalitionsvertrages von CDU/CSU und SPD beschäftigen sich mit Migrationspolitik, etwas mehr als eine davon mit der Ausgestaltung der Integrationspolitik. Doch die Zahlen trügen. Das Thema Integration wird auch unter einer neuen großen Koalition einen zentralen Platz in der politischen Agenda einnehmen. Stand bisher zunächst die Frage der Aufnahme von Geflüchteten im Zentrum, so wird es in Zukunft vor allem darum gehen, wie die Schutzsuchenden, die in Deutschland bleiben werden, eine dauerhafte Perspektive entwickeln können. Entscheidend dafür ist, ob es ihnen gelingen wird, Anschluss an den Arbeitsmarkt zu finden.

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Die Voraussetzungen dafür sind gut, die Herausforderungen allerdings groß. In vielen Regionen herrscht praktisch Vollbeschäftigung. Unternehmen arbeiten bereits über ihren langfristigen Auslastungsgrenzen. Nie gab es bundesweit mehr offene Stellen als Ende 2017, im Dezember waren es 1,2 Millionen. Für Zugewanderte und andere Jobsuchende sind dies eigentlich ideale Bedingungen für einen erfolgreichen Start in den Arbeitsmarkt.

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Info: Welche beruflichen Fähigkeiten und Qualifikationen haben in Deutschland angekommene Flüchtlinge? Auf welchen Wegen finden sie ihren Weg in lokale Arbeitsmärkte? Wie blickt die Wirtschaft auf die Potentiale und Risiken der Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten? Welche Rolle spielt eine schnelle bzw. langsame Arbeitsmarktintegration für eine langfristige gesellschaftliche Integration? Der Bericht fasst aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zu diesen Fragen zusammen und veranschaulicht Konzepte, Projekte und Perspektiven zur Verbesserung des Arbeitsmarktzugangs von Flüchtlingen und stellt weiteren Forschungsbedarf dar. Der Bericht und die Handlungsempfehlungen können hier heruntergeladen werden.

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Dennoch sollten die Schwierigkeiten des Arbeitsmarktzugangs für Geflüchtete nicht unterschätzt werden. Für das Projekt „Flucht: Forschung und Transfer“ haben wir die internationale wissenschaftliche Literatur zur Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten ausgewertet. Über Herkunftsgruppen, Zielländer und Indikatoren hinweg zeigt sich ein genereller Befund: In der Vergangenheit war es für Geflüchtete nicht leicht, nach dem oft traumatischen Verlust der Heimat in einer neuen Gesellschaft ökonomisch Fuß zu fassen. Selbst nach Jahren sind ehemalige Flüchtlinge häufiger arbeitslos, häufiger in einer ihrer Qualifikation unangemessener Beschäftigung und häufiger von Niedriglöhnen betroffen – nicht nur im Vergleich zu Einheimischen, sondern auch zu anderen Zuwanderergruppen.

Jahre der Unklarheit

Das hat viel mit den Umständen nach der Einreise zu tun – und damit mit Bedingungen, die im Gestaltungsspielraum der Politik liegen. Wer als humanitärer Flüchtling anerkannt werden will, muss sich auf Jahre der Unklarheit einstellen und bliebt lange in isolierten Unterkünften und ohne Zugang zu angemessenen Sprach- und beruflichen Qualifikationskursen. Auch wenn es in den vergangenen Jahren einige Verbesserungen gegeben hat: Es bleibt schlicht unrealistisch von Geflüchteten in dieser Situation eine angemessene Vorbereitung auf die deutsche Berufswelt zu verlangen.

Dies betrifft vor allem Asylbewerberinnen und –bewerber, bei denen die Behörden nicht von vorneherein mit einer Anerkennung rechnen, und solche, die nach dem Dublin-System in einem anderen EU-Staat Asyl beantragen müssten. Sie sind von vielen bestehenden Angeboten ausgeschlossen, bleiben dann aber tatsächlich häufig in Deutschland – oft als Geduldete mit ständig drohender Ausweisung. Durch die mehr oder weniger bewusst verhinderte Integration dieser Gruppen in Deutschland lag die Sozialleistungsquoten unter Geflüchteten in der Vergangenheit besonders hoch. Das entscheidende Problem für die aktuelle Integrationspolitik ist, dass diese Ausschlussmechanismen konjunkturunabhängig wirken und damit das derzeitige Möglichkeitsfenster auf dem Arbeitsmarkt ungenutzt zu verstreichen droht.

Massives Ungleichgewicht

Werden wir also in den nächsten Jahren ein massives Ungleichgewicht beobachten müssen, mit Arbeitskräftemangel auf der einen und der Unterbeschäftigung von Geflüchteten auf der anderen Seite? Nicht unbedingt. Schon die letzte Bundesregierung hat die Erfordernisse gelingender Arbeitsmarktintegration zumindest bei anerkannten Flüchtlingen prinzipiell wahrgenommen und durch entsprechende Maßnahmen flankiert. Für diese spezifische Gruppe unter den Geflüchteten sind die Aussichten nicht schlecht.

Der neue Koalitionsvertrag beinhaltet Vereinbarungen, die auch für einen Teil der besonders benachteiligten Gruppen spürbare Verbesserungen bringen könnten. Geduldete, die entweder schon lange in Deutschland sind, oder „bei denen die Ausreise kurzfristig nicht zu erwarten ist“, wie es die Koalitionsparteien formuliert haben, sollen besseren Zugang zu Sprach- und berufsvorbereitenden Kursen bekommen. Außerdem soll die sogenannte „3+2 Regelung“ ausgebaut werden. Durch sie haben eigentlich Ausreisepflichtige eine planbare Möglichkeit ihren Aufenthalt zu verstetigen, nämlich indem sie sich qualifizieren und eine Ausbildung abschließen. Werden diese Maßnahmen so umgesetzt, könnten sie das Risiko erzwungener Untätigkeit während einer mitunter jahrzehntelanger Kettenduldung, unter der zu viele Geflüchtete in der Vergangenheit zu leiden hatten, verringern.

Dilemma im Koalitionsvertrag

Der kurze Abschnitt zur Integrationspolitik im Koalitionsvertrag bringt allerdings auch das grundlegende Dilemma auf den Punkt, das eine integrationsorientierte Flüchtlingspolitik bereits in den letzten Jahrzehnten verhindert hat: Verbesserungen für Geduldete sollen erreicht werden, so der Vertrag, „ohne dass es zu einer Verfestigung von Aufenthaltsrechten und einer Gleichstellung mit denjenigen führt, die eine rechtliche Bleibeperspektive haben“. Mit anderen Worten: Aufenthaltsrecht und Abschreckung sollen weiterhin Vorrang vor den Erfordernissen der Arbeitsmarktintegration haben.

Die dramatischen Folgen dieser Schwerpunktsetzung in der Vergangenheit in menschlicher, sozialpolitischer und ökonomischer Hinsicht sind gut belegt, wie unsere Auswertung zeigt. Die neue große Koalition hat durch den anhaltenden wirtschaftlichen Aufschwung eine bislang einmalige Chance es besser zu machen. Hoffen wir, dass sie diese Chance nutzt. Aktuell Politik Studien

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  1. Mike sagt:

    „Mit anderen Worten: Aufenthaltsrecht und Abschreckung sollen weiterhin Vorrang vor den Erfordernissen der Arbeitsmarktintegration haben.“

    Was ja auch durchaus sinnvoll ist, schließlich gilt es „Asyl“ und die „Zuwanderung zur Arbeitsaufnahme“ strikt zu trennen. Bereits jetzt ginrt es die Möglichkeit legal über das Visumverfahren zur Arbeitsaufnahme nach Deutschland zuzuwandern (§§ 17 ff AufenthG).