Nach der Studie über Jugendgewalt
Roland Koch und Joachim Herrmann unter Beschuss
Hermann Schaus, innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Hessischen Landtag findet die Ergebnisse der Langzeitstudie über Gewalt und rechtsextremistische Einstellungen unter Jugendlichen alarmierend. Die Studie belege, dass die südwestdeutschen Bundesländer ein massives Problem mit verfestigtem rechten Gedankengut unter Jugendlichen haben."
Donnerstag, 19.03.2009, 8:03 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 12.08.2010, 7:24 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Wer diese Befunde ernst nehme, müsse deutlich mehr Anstrengungen im Kampf gegen Rassismus, Antisemitismus und Neofaschismus unternehmen. Durch gewaltsame Übergriffe seien in den vergangenen Monaten mehrmals Personen teils lebensgefährlich verletzt worden. Damit sei deutlich geworden, wie ernst und menschenverachtend die rechte Bedrohung in Hessen ist.
Koch persönlich soll sich distanzieren
Die Linksfraktion werde sich nochmals dafür einsetzen, dass vom Hessischen Landtag endlich ein gemeinsames Signal gegen Rechts ausgeht. „Dies war in der Vergangenheit immer wieder an Union und FDP gescheitert, die lieber parteipolitische Scheingefechte austragen wollen, als tatsächlich entschlossen gegen Rechts aufzutreten.“ Schaus kritisiert, dass insbesondere die hessische CDU in der Vergangenheit immer wieder rechte Ressentiments geschürt und mit nationalistischen Parolen in Erscheinung getreten sei.
„Die hessische CDU hat immer wieder dafür gesorgt, dass sich rechtes Gedankengut in der sogenannten ‚Mitte‘ der Gesellschaft verfestigt. Der neue Hessische Landtag und Ministerpräsident Koch (CDU) persönlich sollten sich hiervon deutlich distanzieren und der rechten Gefahr entschlossen entgegentreten“, so Schaus.
Was nicht sein darf, auch nicht sein kann
Auch Eva Bulling-Schröter, bayerische Landessprecherin der Linken, sieht Handlungsbedarf und wirft Innenminister Joachim Herrmann Verantwortungslosigkeit vor. Eine Studie der Universität Leipzig, im Auftrag der Friedrich Ebert Stiftung, komme zum Ergebnis, dass rechtsextreme Einstellungen weitaus verbreiteter sind, als dies die Wahlergebnisse rechtsextremistischer Parteien vermuten lassen. Bei den Themen Nationalchauvinismus, Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus, Sozialdarwinismus und Verharmlosung des Nationalsozialismus seien die Zustimmungswerte in Bayern überdurchschnittlich hoch. Bayerns Innenminister Joachim Hermann entdecke in dieser Feststellung aber eine „Pauschalbeleidigung“ der bayerischen Bevölkerung und finde die Studie unseriös.
„Die bei manchen bayerischen Stammtischgesprächen gefühlten Werte, wurden nun wissenschaftlich belegt. Offensichtlich hat die Studie einen wunden Punkt getroffen: Die offensichtlich breite Grauzone zwischen reaktionär-konservativem Gedankengut und offenem Rechtsextremismus. Rechts von der CSU darf es nichts geben, war die Devise des CSU-Übervaters Franz Josef Strauß. Immer wieder wurden dafür Bruchstücke von ganz Rechts-Außen in die eigene Programmatik eingefügt. Bei Bedarf wurde sich aus diesem rechtspopulistischen Sammelsurium bedient. Beispielsweise beim Verschärfen des Asylrechts oder den dumpfen Debatten um Ausländer- und Jugendkriminalität, bei denen Strafverschärfung statt Prävention im Vordergrund stand.“, so Bulling-Schröter.
Diese Saat habe in zu vielen Köpfen Früchte getragen, und hier liege das Problem. Dem müsste sich die CSU angesichts des bayerischen Sozialberichtes endlich stellen, Stattdessen verfahre der Innenminister nach der Devise: Was nicht sein darf, auch nicht sein kann. „Ein solches Vorgehen ist verantwortungslos, gerade auch in Hinblick auf rechtsextremistische Umtriebe in Bayern.“ Zudem zeige ein Blick über die Landesgrenze nach Österreich, wie schnell aus einer diffusen nationalistischen Einstellung konkretes Wahlverhalten werden könne. So etwas könnte irgendwann selbst der CSU gefährlich werden.
Verfassungsschutz absichtlich mit zu niedrigen Zahlen gearbeitet?
Auch im Niedersächsischen Landtag haben die Linke der Landesregierung erneut Versäumnisse im Kampf gegen den Rechtsextremismus vorgeworfen. Für Pia Zimmermann, die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, sei das ein erschreckendes Ergebnise – völlig unerwartet komme es allerdings nicht. Andere Studien bewiesen schon seit langem, dass rassistisches und antisemitisches Gedankengut bis in die vermeintlich „resistente Mitte“ der Gesellschaft reiche. Auch warnten Experten bereits seit Jahren davor, dass rechtsextreme Organisationen offensiv um junge Menschen werben.
„Hier ist die Landesregierung gefordert,“ sagte Zimmermann: „Sie muss Rassismus und Antisemitismus endlich als ein Problem der ganzen Gesellschaft erkennen. Wer verhindern will, dass Jugendliche in die Neonazi-Szene abrutschen, muss in den Schulen und in der Jugendarbeit präventiv tätig werden.“
Mit Skepsis begegnete Zimmermann allerdings den Zahlen der Studie, nach denen etwa 4% der Jugendlichen Mitglied einer rechtsextremen Organisation oder Partei seien. „Entweder hat das Pfeiffer-Institut an dieser Stelle einen methodischen Fehler gemacht, oder aber der Verfassungsschutz hat über Jahre hinweg mit falschen oder absichtlich zu niedrigen Zahlen gearbeitet. Sollte dies der Fall sein, wäre das ein politischer Skandal.“
Bund muss mehr tun
Der integrationspolitische Sprecher Udo Wolf (Die Linke) des Landesverbandes Berlin kritisiert zudem, dass sich die Bundesregierung weitgehend aus der Finanzierung der Strukturprojekte gegen Rechtsextremismus zurückgezogen habe, so dass das Haushaltsnotlageland Berlin im Rahmen seiner Landeskonzeption gegen Rechtsextremismus zur Rettung der Projekte einspringen musste. Wenn die Pfeiffer-Studie nun dazu führt, dass die Bundesregierung sich dem Problem ernsthaft und finanziell widmen möchte, sind wir gerne bereit, unsere Landeskonzeption zum Kopieren zur Verfügung zu stellen. Politik
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