Schwimmunterricht
Religiöse Vielfalt contra Integration?
„Ich möchte, dass wir rigoroser Vorgehen“. Mit diesen Worten forderte der Migrationsbeauftragte der CDU in Nordrhein-Westfalen, Michael Solf, unlängst eine „harte Hand“ gegen muslimische Eltern, die ihre Kinder aus religiösen Gründen vom koedukativen Schwimmunterricht „befreien“ wollen.
Von Bekir Altas Montag, 27.04.2009, 11:12 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 05.09.2010, 22:47 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
„Die CDU-Landtagsfraktion nimmt es nicht hin, dass – in den letzten Jahren häufiger – Eltern ihren Kindern diese Gemeinschaftserfahrungen vorenthalten und sich dabei auf religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen berufen“, heißt es dazu wörtlich in dem von der CDU-Fraktion beschlossenen Positionspapier. Die Frage um den Schwimmunterricht sei mithin ein Integrationstest, ließen Unionspolitiker des Weiteren wissen.
Vieles in dem sogenannten Zehn-Punkte-Programm weisen dabei durchaus positive Ansätze auf. So beabsichtigt die Union etwa künftig stärker Abiturienten mit Migrationshintergrund für das Lehramt zu gewinnen, die unter anderem eine Vorbildfunktion ausüben sollen – natürlich nicht solche mit einem Kopftuch. Aber das ist ein anderes Thema. Auch soll durch Partnerschaften mit türkischen Unternehmen, Elternnetzwerken und speziellen Förderkursen die Integration dieser Personengruppe gefördert werden. Doch leider kommt die Union auch in diesem Wahlkampf nicht von ihren eigenartigen integrationspolitischen Profilierungsversuchen hinweg und lässt am Beispiel des Schwimmunterrichts durch eine Law and Order-Politik das ganze Programm ins Zwielicht rücken.
Dabei steht in Punkto Schwimmunterricht außer Frage, dass der Schwimmunterricht zur schulischen Ausbildung gehört und enorm wichtig ist – unabhängig von der hohen Unterrichtsausfall-Quote in dem Fach. Jedes Kind hat schließlich das Recht auf eine Entfaltung seiner körperlichen Fähigkeiten. Auch sind sich muslimische Eltern durchaus bewusst, dass die unter Umständen lebensrettende Fähigkeit zu schwimmen oft erst in der Schule erlernt wird. Insoweit ist eine ersatzlose Befreiung vom Schwimmunterricht in den allermeisten Fällen nicht Gegenstand der Befreiungsanträge, zumal Eltern ihren Kindern häufig das Schwimmen außerschulisch beibringen. Die Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts berücksichtigend 1, das die Schulen verpflichtet, alle ihr zu Gebote stehenden und zumutbaren organisatorischen Möglichkeiten auszuschöpfen, einen nach Geschlechtern getrennten Sport- und Schwimmunterricht einzurichten und anzubieten, beantragen muslimische Eltern vielmehr die Monoedukation im Schwimmunterricht.
Auch viele Wissenschaftler verweisen darauf, dass gerade emanzipatorische Gründe dafür sprechen, den Unterricht getrenntgeschlechtlich durchzuführen, da die Jungen durch die Demonstration der körperlichen und motorischen Überlegenheit ihre Interessen gegenüber Mädchen deutlich artikulieren und geringe Sensibilität für die Wünsche der Mädchen und der leistungsschwachen Sportschüler zeigen. So würden sich im Schulsport die Mädchen den Jungen grundsätzlich unterordnen. Doch die Anträge gerade von muslimischen Eltern werden besonders in NRW, auf Anweisung mancher Schulverwaltungsbehörden, pauschal abgewiesen, ohne dabei die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Zur Begründung verweisen die Behörden lapidar auf den sogenannten Integrationsaspekt.
Wie unehrlich die Debatte dabei geführt wird, zeigen insbesondere die folgende Zahlen: In Bayern werden 93,2 % der Schüler dem Sport- und Schwimmunterricht getrenntgeschlechtlich unterzogen, in Baden-Württemberg sind es 88,3 % und in Sachsen 73,8 %. Würde es hier der Union tatsächlich um die Integration gehen, müsste doch die Frage unabhängig vom muslimischen Bezug gestellt werden, warum gerade in diesen unionsgeführten Bundesländern nicht nur der Schwimmunterricht sondern selbst der Sportunterricht fast ausschließlich nicht-koedukativ erteilt wird?
Es geht hier also nicht um die Frage, ob die Integration von muslimischen Kindern durch die Monoedukation im Schwimmunterricht gefährdet wäre. Es geht hier vielmehr um das Wie von Integration. Bei der aktuellen Diskussion in NRW kommt es vor allem darauf an, was wir als die maßgeblichen Kriterien der Integration definieren. Wird etwa die Integration bereits durch die muslimischen Kinder behindert oder erschwert, die selbstbestimmt aus Schamgefühlen oder auch aufgrund der religiösen Vorstellung der Eltern die Teilnahme am koedukativen Schwimmunterricht ablehnen, weil sie dadurch den kulturellen Vorstellungen vieler Menschen nicht entsprechen oder eher durch die Lehrerinnen und Lehrer, die entgegen den Gewissenskonflikten der Schüler bzw. deren Eltern meinen, dass sie anderen kulturellen Vorstellungen entsprechen müssten? Behindert das Religionsverständnis der Muslime schon die Integration, oder erst die ablehnende Haltung dagegen, die es nicht vermag, „die zunehmende religiöse Vielfalt in der Schule aufzunehmen und als Mittel für die Einübung von gegenseitiger Toleranz zu nutzen, um so einen Beitrag in dem Bemühen um Integration zu leisten“ 2 ; einem Integrationsverständnis also, welches sich auf ein freiheitliches und pluralistisches Verfassungsverständnis stützt?
Der Integrationsansatz der CDU in NRW wird doch sicherlich nicht der sein, religiöse Gebote zu relativieren, um sie einem verfassungsrechtlich fragwürdigen Integrationsverständnis gefügig zu machen. Oder vielleicht doch?!
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Ich muss hier unbedingt von meiner Zeit in der Sekundarstufe I und II berichten. Meine ehemalige Schule – ein Gymnasium am Rande des Ruhrpotts – bietet als Leistungskurs Sport an!!! Und soweit ich weiss, ist das eine Rarität, vielleicht sogar ein Unikat.
Ich hatte auch Sport als Leistungskurs. Sowohl in der Unterstufe (7.-10. Klasse) als auch in der Oberstufe (im Leistungskurs) hatten wir NIE Schwimmunterricht. Die Fünft- und Sechstklässler durften mal bisschen schwimmen und Spass haben. Aber später war der Schwimmunterricht kein Bestandteil des Sportunterrichts. Und das an einer Schule, die Sport als Leistungsfach anbietet.
Zweitens möchte ich auch unterstreichen, dass gemischte Sportstunden im Abitur fast nicht vorkamen! Die Mädchen haben getrennt von den Jungen trainiert (und umgekehrt) und sich auf die Abiturprüfungen vorbereitet. Das ist auch sinnvoll: Männer sind körperlich stärker und können mehr aus sich herausholen als Frauen. Z.B. war ein Basketballspiel mit gemischten Geschlechtern nicht zu ertragen, für Mädchen und für Jungen. Mädchen haben keine Lust zu spielen, weil sie sich körperlich dazu sich zwingen müssen, und Jungen spielen den Ball nicht ab, weil sie ein Ballverlust fürchten.
Die Diskussion um Schwimmunterricht ist heiße Luft um Nichts! Und einige Politiker – vor allem aus den Reihen der CDU und CSU – treiben Populismus und versuchen die Ängste der Menschen zu schnüren, indem sie Ausländer als integrationsunwillig und Anti-Demokratie und Anti-Westlich darstellen möchten. Und die Medien bedienen sich dieser Ängste!