OLG Stuttgart
„Nein Chita, Du bist nicht Deutschland“ erfüllt den Tatbestand der Volksverhetzung
Die Plakate hatten folgenden Inhalt: Die in Rot gehaltene Überschrift lautete: „Nein Chita, Du bist nicht Deutschland“; dann folgte eine Portrait-Skizze eines Affen, die beschrieben war mit „Affe Chita, BRD-Zooinsasse“; danach kam die - wiederum in Rot gehaltene - Schrift: „Du bist ein Affe“.
Montag, 25.05.2009, 8:03 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 29.08.2010, 16:33 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart hat am 19. Mai 2009 in einem Revisionsverfahren (2 Ss 1014/09) entschieden, dass eine Plakatierungsaktion eines inzwischen 31-jährigen Angeklagten im Juni 2006 auch den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt.
Erste Instanz
In erster Instanz war der Angeklagte wegen Beleidigung zum Nachteil des Fußballspielers Gerald Asamoah durch das Amtsgericht Horb a.N. zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 30,– € verurteilt worden. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts hat der Angeklagte in der Nacht zum 9. Juni 2006 in Freudenstadt und Umgebung an öffentlich zugänglichen Stellen allein oder mit anderen Gesinnungsgenossen Plakate aufgehängt, von denen er einen Teil bei der zwischenzeitlich verbotenen rechtsextremen Vereinigung „Schutzbund Deutschland“ bestellt hatte.
Diese Plakate hatten folgenden Inhalt: Die in Rot gehaltene Überschrift lautete: „Nein Chita, Du bist nicht Deutschland“; dann folgte eine Portrait-Skizze eines Affen, die beschrieben war mit „Affe Chita, BRD-Zooinsasse“; danach kam die – wiederum in Rot gehaltene – Schrift: „Du bist ein Affe“.
Zum anderen handelte es sich um Plakate mit folgendem Inhalt: Die ebenfalls in Rot gehaltene Überschrift lautete auf diesen Plakaten: „Nein Gerald, Du bist nicht Deutschland“, sodann folgte eine Portrait-Skizze, die deutlich erkennbar den Fußballbundesliga- und Nationalspieler Gerald Asamoah darstellen sollte und die beschrieben war mit „Gerald Asamoah, BRD-Nationalspieler“; darunter stand: „Du bist BRD!“.
Das Amtsgericht hat ausgeführt:“ Wie dem Angeklagten bewusst war, wurden die Plakate „Chita“ immer jeweils paarweise mit den „Asamoah“-Plakaten angebracht, wodurch der Fußballnationalspieler Gerald Asamoah – wie von dem Angeklagten beabsichtigt – für den Betrachter der Plakate in die Nähe eines Affen gerückt und dadurch in seiner Ehre verletzt wurde.“ Diesen Sachverhalt bewertete sowohl das Amtsgericht als auch das mit der Berufung befasste Landgericht Rottweil als Beleidigung (§ 185 Strafgesetzbuch).
Revision
Auf die dagegen von der Staatsanwaltschaft eingelegte Revision mit dem Ziel, dass der Angeklagte auch wegen Volksverhetzung 1 verurteilt wird, hat das Oberlandesgericht das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an eine andere Berufungsstrafkammer des Landgerichts Rottweil zurück verwiesen.
Das Oberlandesgericht hat festgestellt, dass mit der Plakatierungsaktion alle hier lebenden ausländischen Mitbürger und deutschen Staatsangehörigen angesprochen sind, deren Äußeres aufgrund ihrer Hautfarbe nicht den Vorstellungen einer Rassenideologie entspricht, die von der Überlegenheit der weißen Rasse ausgeht. Diese Menschen werden verächtlich gemacht, indem sie mit Affen verglichen und gleichgestellt werden. Ihnen wird das Recht abgesprochen, als Mitglied unserer Gesellschaft an identitätsstiftenden Aktionen des deutschen Volkes mitzuwirken.
Mit den paarweise aufgehängten Asamoah- und Chita-Plakaten wird ein Schwarzweißdenken propagiert, indem der dunkelhäutige Mensch in unmittelbare Nähe, direkt neben den Affen gestellt wird. Der Umstand, dass die Plakate nebeneinander aufgehängt wurden, schafft suggestiv eine Wechselwirkung zwischen den Bildern und Texten der Plakate. Die Aussage: „Du bist ein Affe“ wird hierdurch auch auf den farbigen Menschen bezogen. Dies gilt insbesondere, weil die Aussage „BRD-Nationalspieler“ neben der Aussage „BRD-Zooinsasse“ zu lesen ist und direkt darunter „Du bist BRD“ neben „Du bist ein Affe“. Damit wird suggeriert, dass alle farbige Menschen mit Affen gleichzustellen seien.
Mit der Überschrift „Du bist nicht Deutschland“ wird zudem unmissverständlich Bezug genommen auf die zur Tatzeit publikumswirksam über die Medien betriebene Werbekampagne „Du bist Deutschland“, die auch der Fußballnationalspieler Gerald Asamoah unterstützt hat. Sie hatte als erklärtes Ziel, eine Initialzündung für mehr Eigeninitiative und Zuversicht zu sein. Die Überschrift auf dem Asamoah-Plakat „Du bist nicht Deutschland“ spricht vor diesem Hintergrund farbigen Mitbürgern das Recht ab, identitätsstiftend in unserer Gesellschaft mitzuwirken.
Die Tathandlung des Angeklagten war geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören. Von Bedeutung ist, dass die Tat zu Beginn der Fußballweltmeisterschaft begangen wurde. In Deutschland hielt sich damals eine Vielzahl von ausländischen Menschen auf, auch solche, die nach ihrem Äußeren und mit ihrer Hautfarbe nicht der oben genannten Rassenideologie entsprachen. Bereits die Fußballweltmeisterschaft als solche war geeignet, nationale Gefühle jeder Couleur zu wecken. Die hetzerische Plakatierungsaktion gerade zu Beginn der Fußballweltmeisterschaft beinhaltet in dieser Situation zweifelsohne die Gefahr, bei hierfür empfangsbereiten Kreisen die Aggressionsbereitschaft gegenüber der angeblich minderwertigen Bevölkerungsgruppe zu wecken beziehungsweise zu verstärken.
Es liegt auf der Hand, dass damit zugleich auch das Sicherheitsgefühl und das Vertrauen auf Rechtssicherheit innerhalb der Bevölkerungsgruppe erschüttert werden konnte, gegen deren Menschenwürde sich die Tat richtete.
Damit ist der objektive Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt. Das Landgericht Rottweil wird sich nun noch mit der Frage befassen müssen, ob der Angeklagte vorsätzlich gehandelt hat.
- § 130 Abs. 1 Nr. 2 Strafgesetzbuch – Volksverhetzung: Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er Teile der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
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