Türkische Presse Europa
04.06.2009 – EU-Wahlen, EU-Beitritt der Türkei, Kommunalwahlrecht, Islam
Die Europaausgaben der türkischen Zeitungen beschäftigen sich heute vornehmlich mit den Wahlen zum neuen Europaparlament und der EU-Mitgliedschaft der Türkei. Der Soziologe Ulrich Beck habe etwa den EU-Beitritt der Türkei als Bereicherung für die europäische Identität bezeichnet. Weitere Themen sind das Kommunalwahlrecht für Drittstaatler, die rassistischen Wahlplakate der NPD und die Forderung der Islamwissenschaftlerin Gudrun Krämer den Islam ernst zu nehmen.
Donnerstag, 04.06.2009, 21:58 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 22.08.2010, 17:32 Uhr Lesedauer: 6 Minuten |
Wahlen zum neuen Europaparlament
Die Europaausgaben der türkischen Zeitungen beschäftigen sich heute vornehmlich mit den Wahlen zum neuen Europaparlament. In Großbritannien und den Niederlanden haben Mittwoch die Wahlen begonnen. Bis Sonntagabend können rund 350 Millionen Menschen in den 27 Ländern der EU abstimmen, berichtet die SABAH. In den Niederlanden seien 10 Türkischstämmige für das Parlament nominiert worden. Nur drei von Ihnen hätten jedoch eine realistische Chance, gewählt zu werden.
EU-Beitritt der Türkei wird instrumentalisiert
Die HÜRRIYET befasst sich in einer Artikelreihe ausführlich mit dem Thema. So werden die Leser unter anderem darüber informiert, wie gewählt wird. In gebotener Kürze erfährt man zudem über die Befugnisse des Europaparlaments und die anstehenden Gesetzesvorhaben. Die Redaktion bemerkt ferner, dass in fast allen Ländern die EU-Mitgliedschaft der Türkei Wahlkampfthema ist. Die Spitzenkandidatin der Hamburger CDU, Birgit Schnieber-Jastram, habe erklärt, dass die EU-Mitgliedschaft der Türkei in Deutschland und Frankreich nicht innenpolitisch instrumentalisiert werden dürfe. Die EU sei kein Klub der Christen. Die Türkei müsse aber die Kriterien erfüllen. Die Senatorin für Soziales und Familie a.D. sagte zudem, dass die Türken ein emotionales Volk seien. Es bestünden Vorurteile sowohl bei Deutschen als auch bei Türken. „Wir müssen dagegen zusammen vorgehen“, so Schnieber-Jastram.
Auch die ZAMAN kritisiert den Wahlkampf in einigen EU-Ländern und mahnt vor einem Erstarken islamfeindlicher Parteien. Nach Ansicht von Selcuk Gültasti werde der mögliche EU-Beitritt der Türkei innenpolitisch instrumentalisiert. Angesichts der geringen Wahlbeteiligung könne man nicht ausschließen, dass rechtsextreme Parteien im EU-Parlament demnächst eine Fraktion bilden. Insbesondere in den Ländern Großbritannien, Belgien, Niederlanden, Frankreich, Österreich, Bulgarien und Italien seien islam- und türkenfeindliche Parteien im Vormarsch. Die Redaktion stellt zudem alle 30 Türkischstämmigen Kandidaten namentlich vor.
Prof. Ulrich Beck: „EU-Mitgliedschaft der Türkei wäre eine Bereicherung für die europäische Identität“
Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) habe sich ferner für eine EU-Mitgliedschaft der Türkei ausgesprochen, so ZAMAN. Die Beitrittsverhandlungen müssten unbedingt fortgeführt werden. Ähnlich habe sich auch der SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz geäußert. Schulz wörtlich: „Die Türkei hat den Schritt zur EU gemacht, d.h. sie ist längst drin“.
Der Soziologe Ulrich Beck, Professor für Soziologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München und der London School of Economics and Political Science, habe in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ ferner zu bedenken gegeben, dass in den Sechzigern ähnliche Vorbehalte gegenüber Deutschland vorhanden seien, berichtet die ZAMAN. „Wenn man sich die Vorbehalte ansieht, die gegen die Aufnahme des besiegten, antiwestlichen Nachkriegs-Deutschlands in die europäisch-westliche Staatengemeinschaft von anderen westlichen Staaten vorgebracht wurden, dann gleichen die Argumente ziemlich genau denen, die heute gegen die Mitgliedschaft der Türkei vorgebracht werden: Ähnlich wie heute mit Blick auf die Türkei wurde noch in den sechziger Jahren die Zugehörigkeit Deutschlands zum abendländischen Kulturkreis in Frage gestellt. Die Demokratie sei nicht wirklich verankert, die Zivilgesellschaft unterentwickelt. Diese Vorbehalte ziehen aber nicht wirklich – und können überwunden werden. Es wäre eine Bereicherung für die europäische Identität und auch die europäische Stellung in der Welt, wenn Staaten wie die Türkei, in denen eine andere Religion praktiziert wird, in die EU aufgenommen würden“, sagte Beck gegenüber der Süddeutschen Zeitung.
Die Angst vor möglichen Veränderungen, die durch eine EU-Mitgliedschaft der Türkei auf die EU zukommen, sei unberechtigt. Eine so genannte privilegierte Partnerschaft sei falsch, „weil sie die Chancen Europas nicht nutzt“.
Martin Schulz (SPD) fordert Kommunalwahlrecht für Drittstaatler
Der SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz hat das Kommunalwahlrecht in Deutschland kritisiert. In einem Gespräch mit türkischen Migrantenorganisationen habe Schulz erklärt, dass Drittstaatlern das Kommunalwahlrecht zugestanden werden müsse. Schulz bezeichnete das derzeitige Wahlrecht als diskriminierend, ist in der SABAH zu lesen. Dabei wurde vor kurzem ein Gesetzentwurf der Grünen, der die Einführung eines kommunalen Wahlrechts für Ausländer aus Nicht-EU-Ländern vorsah, mit den Stimmen der SPD abgelehnt.
Integrationspolitik Österreichs vorbildlich
Die Menschrechtskommission des türkischen Parlaments habe Österreich eine gute Integrationspolitik bescheinigt, heißt es in einem Bericht der SABAH. Insbesondere die Regelungen zur Familienzusammenführung seien im Vergleich zu Deutschland moralisch vertretbar.
Den Islam ernst nehmen
„Ich betrachte es als riesiges Problem, dass der Islam auch in der deutschen Debatte immer nur als Quelle von Problemen dargestellt wird“, sagte die Professorin für Islamwissenschaft an der Freien Universität Berlin, Gudrun Krämer im Rahmen der zehnten Johannes Gutenberg-Stiftungsprofessur an der Mainzer Universität. Hierüber berichtet die ZAMAN. Die Wahrnehmung, nicht ernst genommen zu werden, sei im Islam weit verbreitet und eine der wichtigsten Triebfedern für die heutigen Spannungen, sagte Krämer und verwies darauf, dass sich der Islam in der Geschichte immer seiner Umwelt angepasst habe. Insofern sei es denkbar, dass sich der Islam in europäischen Ländern integrieren könne. Allerdings halte sie die Idee eines „Euro-Islam für schwierig und vielleicht für zu hoch gegriffen“.
Bei einem solchen Integrationsprozess sei die Diskussion innerhalb der Glaubensgemeinschaft von großer Bedeutung. „Wenn wir klug sind, reden wir nicht ständig hinein“, sagte Krämer. Sie verwies darauf, dass es für muslimische Gesprächspartner oftmals eine große Gefahr darstelle, vom Westen vereinnahmt zu werden, da dies deren Position im Islam schwäche.
NPD hetzt mit rassistischen Wahlplakaten
Mehrere Dutzend Anhänger der Sozialistischen Alternative (SAV), holten am Dienstag vor dem Gewerkschaftshaus im Rostocker Stadtzentrum die NPD-Poster runter, berichten MILLIYET und SABAH. Die Linke-Landtagsabgeordnete Barbara Borchardt übergab die Plakate anschließend der Polizei und erstattete „Anzeige wegen Volksverhetzung“. „Wir wollen die rassistischen Sprüche der NPD vor der Kommunal- und Europawahl nicht mehr hinnehmen. In unserer Landesverfassung steht klar, dass Volksverhetzung verboten ist“, sagte Borchardt. Auf den entfernten Plakaten der rechtsextremen Partei standen die Slogans „Arbeit statt Einwanderung“ und „Touristen willkommen – Asylbetrüger raus“. Die SAV-Parlamentarierin Christine Lehnert, die beide Poster unter lautem Beifall von den Masten gelöst hatte, rechtfertigte die Tat: „Vielleicht haben wir heute ein Gesetz gebrochen. Aber die politische Aussage ist wichtiger.“ Nach Auskunft eines Polizeibeamten ist das Entfernen von Wahlplakaten nicht notwendigerweise strafbar, solange sie nach dem Abhängen nicht zerstört oder gestohlen werden.
Bülent Ciflik lässt Ämter ruhen
In MILLIYET und ZAMAN wird über die Causa Bülent Ciftlik in Hamburg berichtet. Danach lässt Ciftlik sein Amt als migrationspolitischer Sprecher der Bürgerschaftsfraktion vorerst ruhen. Das teilte SPD-Landeschef Ingo Egloff am Dienstagabend in Hamburg mit. Die Staatsanwaltschaft geht dem Anfangsverdacht nach, dass Ciftlik eine Scheinehe zwischen einer Deutschen und einem Türken vermittelt haben soll. Türkische Presse Europa
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Zitat:
Professorin für Islamwissenschaft an der Freien Universität Berlin, Gudrun Krämer im Rahmen der zehnten Johannes Gutenberg-Stiftungsprofessur an der Mainzer Universität. Hierüber berichtet die ZAMAN. Die Wahrnehmung, nicht ernst genommen zu werden, sei im Islam weit verbreitet und eine der wichtigsten Triebfedern für die heutigen Spannungen, sagte Krämer und verwies darauf, dass sich der Islam in der Geschichte immer seiner Umwelt angepasst habe.
Zitat Ende
Ich kann die Meinung von Frau Prof. Krämer so nicht teilen.
Ist es nicht so, das der Islam (so es denn DEN ISLAM – da er vielfältige Strömungen hat- überhaupt gibt)
eher versucht( heute noch mehr als in früheren Zeiten), die Umwelt seinen Forderungen anzupassen ?