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Dresden

Die Tragödie hat einen Namen: Islamfeindlichkeit

Muslime sind immer öfter von rassistischen Agitationen betroffen. Ein kurzer Blick in die Antidiskriminierungsberichte der letzten Jahre reicht aus, um sich das Ausmaß islamophober Einstellungen in der Gesellschaft vor Augen zu führen. Seinen traurigen Höhepunkt erreichte dieser Trend letzte Woche Mittwoch während einer Verhandlung im Dresdener Landgericht.

Von Bekir Altas Mittwoch, 08.07.2009, 7:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Samstag, 21.08.2010, 2:48 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Der Angeklagte tötete im Gericht eine muslimische Frau mit Kopftuch, nachdem er sie zuvor als „Islamistin, Terroristin und Schlampe“ beschimpfte. In welcher Gedankenwelt sich der Täter dabei bewegte, lässt sich aus seiner Aussage in der ersten Instanz vor dem Amtsgericht leicht erschließen: „Man kann solche Leute gar nicht beleidigen, weil sie keine richtigen Menschen sind“.

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Die junge Ägypterin ist offensichtlich das erste Opfer einer islamfeindlichen Atmosphäre in Teilen der Bundesrepublik. Seit Jahren gibt es neben parteipolitischen Projekten mit explizit antiislamischer Ausrichtung und „Bürgerinitiativen“ gegen Moscheeneubauten, eine zunehmende Zahl islamfeindlicher Internetseiten, auf denen häufig in rassistischer, beleidigender, hasserfüllter und oft gewaltverherrlichender Weise gegen Muslime und den Islam sowie generell gegen Migranten aus Ländern des Nahen und Mittleren Ostens gehetzt wird. Dr. Peter Widmann vom Zentrum für Antisemitismusforschung der Technischen Universität Berlin sagte der taz, dass solche Hassszenen im Internet möglicherweise auch den Mord an die junge Frau „atmosphärisch“ vorbereitet hätten.

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Die Politik nimmt diese Warnungen jedoch kaum wahr. So erklärte die Bundesregierung auf eine kleine Anfrage noch im Februar letzten Jahres, das ihnen keinerlei Erkenntnisse zum wohl größten islamfeindlichen Internetportal Politically Incorrect vorliegen. Der unverhohlen rassistische Mob, der sich im Kommentarbereich solcher Onlineforen tagtäglich versammelt, malt sich dabei etwa aus, H-Bomben über Mekka und Medina abzuwerfen, nachdem sie „jeden Moslem, der sich anmaßt, ehemals christlichen Boden mit seiner Existenz zu beflecken“, niedergemacht haben. Der Extremismus, die Fremdenfeindlichkeit und der Hass speziell gegen Muslime kommen hier nicht etwa vom Rand, sondern aus der Mitte der Gesellschaft. Die von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes veröffentlichte Sinus-Milieustudie „Diskriminierung im Alltag“ zeigt erhebliche Defizite und verzerrte Wahrnehmungen in der Gesellschaft auf. Nicht nur in konservativen Kreisen hält man Diskriminierung, die Muslime treffen, für gut verständlich, wenn nicht sogar für gerechtfertigt („Muslime würde ich diskriminieren, das Drecksvolk!). Auch ein hoher formaler Bildungsgrad an sich führt leider nicht dazu, dass pauschale Abwertungen von Muslimen ausbleiben. Denn die gelebte Intoleranz nährt sich von öffentlichen Diskussionen etwa um das Kopftuch, den Moscheebau und den sogenannten Islamismus.

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Der mit allen Mitteln geführte Kampf von Politkern für ein Verbot des Kopftuchs im öffentlichen Dienst oder die Diffamierung einer islamischen Identität durch die Verfassungsschutzämter ist das falsche Signal an die Gesellschaft; der Hass gegenüber Muslimen erhält dadurch einen intellektuellen und durch den Staat legitimierten Überbau. Internationale Menschenrechtsorganisationen kritisieren deshalb seit langem die Verbotsgesetze und machen auf ihre Auswirkungen aufmerksam. Abgesehen von der Diskriminierung der muslimischen Frau, führe das Kopftuchverbot zu schweren sozialen Problemen, stellte etwa Human Rights Watch im Februar fest. Die Europakommission gab im Mai zu bedenken, dass es dadurch für Kopftuchträgerinnen generell schwieriger geworden sei, weil das Verbot eine Signalwirkung in die Gesellschaft habe. Ähnlich äußerte sich jüngst auch der UN-Sonderberichterstatter über Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und verwandte Formen von Intoleranz. Die Sinus-Milieustudie offenbarte ebenfalls dringenden Handlungsbedarf für eine diskriminierungs- und vorurteilsfreie Gesellschaft insbesondere gegenüber Muslimen.

Die Verantwortungsträger aus Politik und Verwaltung sollten sich darüber im Klaren werden, dass der „Kampf“ um die öffentliche Sichtbarkeit islamischer Religiosität schlicht stigmatisierend ist und wegen der Dämonisierung durch Gesetz und Verwaltungsapparat den Weg auch für Gewalt ebnet. Keine Gesellschaft ist davor gefeilt, dass „fanatische Einzeltäter“ Hasstiraden letztendlich in die Tat umsetzten. Dagegen helfen auch keine „schwärmerischen Dialoge“ à la Islamkonferenz. Stattdessen brauchen wir eine öffentliche Behandlung der offenkundigen Islamfeindlichkeit in Teilen der Gesellschaft sowie eine Politik der Anerkennung.

Warum sich aber die Bundesregierung gerade jetzt in Schweigen verhüllt, versuchte der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg am Montag in Berlin zu erklären: „In diesem konkreten Fall haben wir uns mit einer Stellungnahme zurückgehalten, weil die Umstände nicht hinreichend klar gewesen sind, um eine so weitreichende politische Erklärung abzugeben.“ Sollte in diesem Fall ein fremdenfeindlicher, ein rassistischer Hintergrund gegeben sein, sei es keine Frage, dass die Bundesregierung dies „natürlich aufs Schärfste verurteilt“. Dabei hatte Sachsens Polizeipräsident Bernd Merbitz bereits am Freitag erklärt, dass es Anzeichen für einen ausländerfeindlichen Hintergrund der Tat gebe. „Der Mann ist ein fanatischer Ausländerfeind“, sagte auch Oberstaatsanwalt Christian Avenarius der Frankfurter Rundschau.

Nach dem Dresdener Mordfall müssen Politiker...
    gar nichts tun. (76%)
    die Tat öffentlich verurteilen. (12%)
    Strafgesetzbuch bei fremdenfeindlichen Straftaten verschärfen. (7%)
    islamfeindliche Internetseiten sperren. (5%)
     
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    Der Generalsekretär des Zentralrats der Juden, Stephan Kramer, hat es den Verantwortungsträgern vorgemacht. „Wir wollen ein deutliches Zeichen gegen Islamophobie setzten“, betonte Kramer bei seinem Besuch des Ehemannes der Verstorbenen am Krankenbett. „Diejenigen, die bisher die Sorge um Islamophobie in Deutschland als eine Phantomdebatte abgetan haben, sehen sich nach diesem furchtbaren Ereignis Lügen gestraft“, sagte er dem in Berlin erscheinenden „Tagesspiegel“. Fragt sich nur, wie lange die Politik diese Tatsache kleinreden will.

    Anmerkung der Redaktion: Volksverhetzende Leserkommentare werden heute ausnahmsweise zu dokumentationszwecken freigeschaltet. Die gepflegte Diskussionskultur auf MiGAZIN bleibt hiervon selbstverständlich unberührt.

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    1. Aquitaine04 sagt:

      Boli

      ich stimme zu, die Angriffe auf Muslime,sowie Diskriminierung, sind nicht grundsätzlich mit Rassismus zu verbinden.
      Es geht meist rein um den Islam – welche Nationalität z.b. eine Frau mit Kopftuch hat, ist dann nicht relevant. Eine deutsche Muslima wird genauso abwertend betrachtet wie eine ägyptische..


      Ich habe in Foren Beiträge über Muslime gelesen, da wird mir schlecht..
      beispielsweise:
      SCHRITT 3: JEDER MOSLEM DER DEN ISLAM NICHT ABLEGEN WILL DER SOLL DANN EINGESPERRT ODER ABGESCHOBEN WERDEN
      oder:-
      ..Muselmannen sind sind immer dämlich, zurükkgeblieben und gewalttätig. Und mindestens die Hälfte sind zum Teil Terroristen. Diese Religion macht dich weich im Hirn. Das ist mein Ernst, bei mir im Haus wohen zwei Muselfamilien mit drin, ich seh jeden Tag, was aus Menschen wird wenn sie sich mit diesem Mist den Kopf verseuchen. Die Frauen laufen alle mit nem Teppich auf dem Kopf rum und die Kinder sind fett und asozial und die Männer gammeln die ganze Zeit vorm Haus auf der Bank. Und wenn dann immer noch das Geplärre losgeht, wenn sie ihren Götzen anbeten. Da könnte ich jedesmal ausrasten. Du bist noch jung, da ist noch nichts zu spät. Jeder macht mal nen Fehler. Schmeiss den Mist übern Haufen, werd meinetwegen Buddhist oder vom mir aus Rastafari wenns unbedingt was exotisches sein muss, aber hör auf rumzumuseln. Spätestens in zwei Jahren ist dein Hirn komplett verottet von dem Scheiss.
      ———

      Gehts noch??!!
      Ich finde es unmöglich,dass Diskriminierung aufgrund einer Religion –auch dem Islam toleriert wird.
      Es gibt etliche Internetforen , in welchen eine anti- muslimische Haltung auf eine Weise vertreten wird – die meiner Meinung nach schlicht inakzeptabel sind.
      Kritik am Islam ja!! kritische Auseinandersetzung ist wichtig! doch liest man meist Dinge welche mit Kritik schlicht NICHTS mehr zu tun haben:
      Muslime wären keine Menschen, Muslime sollten keine Rechte haben,Muslime gehören alle aus Deutschland geworfen, Muslime sind alle Mörder ,Muslime sollten kein Kopftuch tragen dürfen,der Anblick von Muslimen stört mich.. USW.

      gruslig was hier läuft.
      Das DIES nicht noch mehr Deutsche sorgt,wundert mich… was kommt als nächstes?
      —– Kauft nicht bei Moslems?

      • tom-62 sagt:

        Sicher, diese „Beiträge“ sind ehr- und volksverhetzend, unter aller Sau, das ist gar keine Frage. Aber haben Sie schon mal Kommentare auf diversen pro-islamischen Kanälen auf youtube gesehen? Dagegen sind das zuweilen Waisenknaben, auch wenn ich das nicht als eine Art der „Aufrechnung“ mißverstanden wissen will.

    2. Boli sagt:

      Es muss uns gelingen, Islamfeindlichkeit als eine Verletzung der Menschenwürde wahrzunehmen – wie es beim Antisemitismus gelungen ist.

      @Bekir Altas
      Islamfeindlichkeit perse als eine Verletzung der Menschenwürde ein zu stufen wäre grob fahrlässig meiner Meinung nach, da immer noch nicht klar ist welche Muslime sich mit welchen Ansichten in Deutschland bewegen wobei ich es schon reichlich sarkastisch finde, das Sie ausgerechnet das Thema Antisemitismus als passend aufgeführt haben.
      1. Ich glaube kaum, das auch nur ein Muslim sich in seiner derzeitigen Lage mit einem damaligen jüdischen Opfer vergleichen darf.
      2. Richtig, der Antisemitismus ist in der deutschen Bevölkerung kaum kaum noch ein nennenswertes Thema. Mir ist noch kein Deutscher begegnet, der in irgendeiner Weise gegen Juden gehetzt hat. Dummerweise für die Muslime erlebt der Antisemitsmus vor allem seine Rennaisance in der muslimischen Community.
      http://www.youtube.com/watch?v=7Ym18xarGXg&feature=related
      Ich meine was hat die israelische Basketballmannschaft mit der Politik Israels zu tun?

      Ich habe aber schon einmal eine Begnung mit einem kurzzeitigen ehemaligen Arbeitskollegen aus Syrien gehabt der mir als erstes als er mich nach Hause eingeladen hatte ein Buch in arabischer Schrift gezeigt hat, das den Holocaust an den Juden verleugnet hat und ein deutscher Bekannter von mir war mal in Palästina und wurde nicht nur einmal mit Hitlergruß von Palästinensern gegrüßt.

      Und was jetzt folgt, unter welche Kategorie kann man das einordnen?
      Deutschenhass? Rassismus? Hass auf Christen? Rache für die Ägypterin? Ich weiß es nicht.
      http://www.pnp.de/lokales/regionews_uebersicht.php?cid=29-24596885&Ressort=&Map=online-startseite-lokales-altoetting&BNR=0&Titel=
      […]

    3. Boli sagt:

      Ich würde mal sagen das dieser kurze Artikel alles aussagt:

      Die linksliberale, US-kritische libanesische Zeitung „Al-Ahbar“ betitelt seinen Beitrag mit „Identitätskriege“ und hält fest:

      „Der Mann, ein Sohn der reinen Kultur, der Identität, die sich anderen Identitäten überlegen fühlt. Es gibt keinen Unterschied zwischen ihm und den Gruppen, die die Touristen in Luxor getötet haben, weil sie Ausländer waren und provokative Kleidung trugen.“

    4. Hatem sagt:

      Ich bin zur Hälfte Araber, aber was das schreckliche Verbrechen eines verrückten Rassisten aus Russland mit einer angeblichen deutschen „Islamophobie“ zu tun haben soll, verstehe ich nicht.

      Hass auf Muslime ist falsch. So wie Hass auf Christen oder Juden.
      Kritik am Islam aber ist richtig und nötig und muss erlaubt sein.

    5. Schwarzmaler sagt:

      Es ist nur eine Schande, wie hier seit Tagen von verschiedenen Autoren auf verschiedenen Kanälen ein schändlicher Mord politisch instrumentalisiert wird, mit dem durchschaubaren Versuch, die Kritiker des Islams mundtot zu machen. Meinungsfreiheit ist nichts wert, wenn nicht auch meine Feinde sie äußern dürfen, „Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden“.

    6. Karl sagt:

      Müntefering stand neben Ayub Köhler auf der Trauerfeier für die ermordete Ägypterin. Nicht in meinem Namen. Hat denn unsere Politische Klasse völlig den Verstand verloren? […] Ich fasse es nicht!

    7. Pingback: Blog » Blog Archive » Migazin

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