Türkische Presse Europa
05.08.2009 – Türkischunterricht, Schreiber, Genozid
Die Europaausgaben der türkischen Zeitungen berichten unter anderem über die Zusage von Bundesminister Olaf Scholz, die Beschäftigungsverordnung so zu verändern, dass der muttersprachliche Unterricht für türkische Migrantenkinder nicht gefährdet wird. Weitere Themen sind die EU-Mitgliedschaft der Türkei, die Auslieferung von Schreiber und die Wirkung auf die Bundestagswahl sowie die Aufnahme des Genozid-Vorwurfs an den Armeniern in die Lehrpläne.
Donnerstag, 06.08.2009, 1:31 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 24.08.2010, 20:03 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Türkischlehrer können bleiben
Die HÜRRIYET, SABAH, ZAMAN und TÜRKIYE berichten, dass der Bundesminister für Arbeit und Soziales, Olaf Scholz, einer Änderung der Beschäftigungsordnung stattgegeben hat. Schülerinnen und Schüler in Deutschland werden demnach auch weiterhin türkischen Sprachunterricht nehmen können, der von Lehrern aus der Türkei erteilt wird. Das Bundesarbeitsministerium sei bereit, die geltende Beschäftigungsverordnung für ausländische Arbeitskräfte so zu verändern, dass der muttersprachliche Unterricht für türkische Migrantenkinder ab 2010 nicht gefährdet ist. Die türkischen Migrantenorganisationen sind über die Entwicklung erfreut und werten die Zusage von Scholz als einen Erfolg der Zivilgesellschaft.
„Türkei ist der Schlüssel für Stabilität”
Die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD), hat auf einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert Stiftung in Istanbul die EU-Mitgliedschaft für die Türkei gefordert. „Die Mitgliedschaft der Türkei wird die Europäische Union stärken”, habe die Ministerin betont. Auch rechnet Wieczorek-Zeul mit einer politischen Stabilisierung in der Region. „Eine EU-Mitgliedschaft der Türkei wird auch die Nachbarländer motivieren“, so die Ministerin laut einem Bericht der SABAH.
Kolat fordert die Streichung des Genozid-Vorwurfs aus den Lehrplänen
Der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, bezeichnete die Aufnahme des vermeintlichen Massakers an die Armenier in den Lehrplan der brandenburgischen Schulen als eine psychologische Belastung für die Schüler, berichtet die HÜRRIYET. Kolat forderte die Streichung der Behauotungen aus dem Lehrplan. Es sei die Aufgabe der Historiker, solche geschichtlichen Ereignisse zu hinterfragen und zu bewerten. Dies sei bisher aber unzureichend und nur einseitig behandelt worden. Deshalb müsse der Lehrplan geändert und die Genozid-Vorwurf aus der Lehrerhandreichung entfernt werden. Der Vorwurf sei im Jahre 2005 in den Lehrplan aufgenommen worden. Die türkische Diplomatie habe aber erreichen können, das sie kurzfristig aus dem Lehrplan gestrichen wurde.
Schreiber ebnet den Weg für Steinmeier ins Kanzleramt
Die MILLIYET und ZAMAN räumen der Auslieferung von Karl-Heinz Schreiber breiten Raum ein. Der frühere Rüstungslobbyist ist eine Schlüsselfigur im CDU-Spendenskandal. Er werde über den Spendenskandal aber nicht sprechen, berichtet die MILLIYET. Die ZAMAN glaubt dagegen, dass die Auslieferung von Schreiber der Union schaden könne. Der Kolumnist Bayram Aydin geht der Frage nach, ob Schreiber Steinmeier den Weg ins Kanzleramt ebnet. Das liege allein an der SPD lautet sein Fazit; möglich wäre es. Auch die SABAH berichtet über die Verhaftung von Schreiber.
Kritik an Steinmeiers „Deutschlandplan“
Die Kritik an Steinmeiers „Deutschlandplan“ hält an. Die TÜRKIYE berichtet über die Kritik der CDU/CSU sowie der Oppositionsparteien am Deutschlandplan der SPD. Die Redaktion stellt die Hauptthesen des Plans vor.
„Wir werden die Zukunft zusammen gestalten“
„Wir werden die Zukunft zusammen gestalten“, sagte der bayerische Integrationsbeauftragter Martin Neumeyer (CSU) gegenüber der SABAH mit Hinweis auf die Zuwanderer in Bayern. Die Integrationsarbeit werde im engen Austausch mit den Migrantenselbstorganisationen geführt, versichert Neumeyer. Der Landtagsabgeordnete äußerte sich auch zu der Anerkennung ausländischer Hochschulabschlüsse. Die Landesregierung habe ein großes Interesse an der Eingliederung des großen Potentials in den Arbeitsmarkt.
„Die Integrationsbeiräte sind die Ghettos in der Politik“
„Abi-Köln möchte die Stimme der Zuwanderer werden“, titelt die TÜRKIYE einen kurzen Bericht über eine Wählergemeinschaft in Köln, die aus türkischstämmigen Akademikern und Studenten besteht. Der Vorsitzende der Gemeinschaft, Kamuran Kayhan, kritisiert unter anderem die Integrationsbeiräte in den Gemeinden und bemängelte die unzureichende politische Partizipation von Zuwanderern. Die Integrationsbeiräte bezeichnete Kayhan als Ghettos in der Politik.
Neonazis räumen besetztes Hotel
Die MILLIYET, TÜRKIYE und SABAH berichten, dass eine Gruppe von Neonazis etwa drei Wochen nach der Besetzung eines Hotels im niedersächsischen Faßberg das Gebäude wieder geräumt haben. Das Landgericht habe den Neonazi und ihren Anwalt Jürgen Rieger verpflichtet, die Immobilie herauszugeben. Die Polizei habe zuvor das Hotel und weitere Wohnungen durchsucht.
Die Schalke-Hymne gerät in Kritik
Der Gelsenkirchener Fußballklub Schalke 04 sei wegen seines Vereinsliedes „Blau und Weiß wie lieb ich dich“ in die Kritik geraten, berichtet die HÜRRIYET in einer kurzen Meldung. In den letzten Tagen habe der Bundesligist hunderte Protestbriefe und E-Mails erhalten, weil der Prophet in dem Vereinslied namentlich genannt wird. Ein Islamwissenschaftler sei damit beauftragt worden, die Hymne zu untersuchen. Türkische Presse Europa
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Lustig, wenn man die Artikel so liest bekommt man den Eindruck, dass die Türkei und die Türken in Deutschland die Politik bestimmen ( Kolat fordert….) und enscheiden können, ob bestimmte Lieder ( Schalke ) umgeschrieben werden müssen oder nicht.
Ziemlich größenwahnsinnig wenn man sich dann die Realität in Deutschland ansieht!
Ich glaube, dass Teile dieser Berichterstattung aus einer Mischung von verletztem Stolz und einem Minderwertigkeitsgefühl besteht. Die türkische Presse berichtet angeblich häufiger in dieser „Tonalität“, so zumindest ein türkischer Freund, der diese Zeitung liest. Die eigene Bedeutung, dass politische und wirtschaftlich Gewicht wird oft masslos überschätzt. Man ist sich bewusst, dass man nicht gewollt ist (etc.).
Irgendiwie ist das menschlich gesehen nachvollziehbar. Die Türkei ist auf dem Sprung vom Entwicklungsland zum Emerging Market (etablierter „Emerging Market“). Ein Vielvölkerstaat, sehr zerbrechlich. Vielleicht braucht man psychologisch gesehen da etwas mehr „Schminke“ bei den Nachrichten. Oft steht die Türkei alleine dar, zwischen all den Nachbarn steht sie zumindest relativ gut da, vielleicht auch diese häufig anzutreffende Verschwörungsgefühl. Als Mitteleuropäer mag das zu Beginn etwas befremdlicher wirken. Noch befremdlicher erscheint mir aber:
„Der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, bezeichnete die Aufnahme des vermeintlichen Massakers an die Armenier in den Lehrplan der brandenburgischen Schulen als eine psychologische Belastung für die Schüler, berichtet die HÜRRIYET.“
Den Verband kann man wohl wirklich mit so einer Vertretung kaum noch Ernst nehmen. Er hat wohl nicht zu Unrecht sogar in der eigenen Community diesen schlechten Ruf. Irgendwie schaffen die es immer wieder, sich doppelt unbeliebt zu machen. Das macht das Kooperieren nicht leicht. Obwohl man bestimmt viele berechtigte Anliegen von türkischer Seite her konstruktiv einfordern könnte.
Kolat hat recht. Weiter so.
Warum hat er recht?
Vielleicht ist es schön für ihn, wenn er aus bestimmten türkischen Kreisen Applaus für solche Aktionen erhält. Jetzt haben die Türken in Deutschland – pauschal – einfach einmal diese sehr schlechte Image. Er setzt da noch etwas drauf. Um Politik zu machen braucht er auch die Aktzeptanz der Deutschen in der Politik. Ich möchte hier jetzt nicht über Völkermord etc. diskutieren und streiten. Es ist aber bekannt, dass bei solchen Äusserungen beim Gegenüber in vielen Parteien die Klappe heruntergeht. Und den deutschen rechtsradikalen Parteien hat er wieder guten Stoff zur Hetze geliefert. Die werden sich wieder die Hände reiben: Kolat, die 233., „…und wieder ins Fettnäpfchen“. Meines Erachtens schiesst er sich damit selbst ins Bein. Ein konstruktiver Ansatz scheint mir das nicht zu sein. Den türkischen Migranten tut er damit kaum einen Gefallen.
Mal was zum Nachdenken und zum Erkenntnisgewinn. Voraussetzung ist aber keinen falschen Stolz vor sich her zu tragen.
http://www.youtube.com/watch?v=4A2AZvOrduQ&feature=related
Sehr interessantes Statement. Erscheint mir zumindest diskussionswürdig. ARTE als Sender ist meines Erachtens nicht dafür bekannt, dass man Interesse an einer Verschwörung gegen die Türkei arbeitet oder die Türken verunglimpfen möchte. Ehrlich gesagt, verstehe ich auch nicht, was so schlimm darin ist, ein Unrecht aus ferner Vergangenheit anzuerkennen und seinem Bedauern einen Ausdruck zu verleihen. So bleibt das Thema und der Vorwurf immer im Raum und trägt sich von Generation zu Generation fort. Meiner Ansicht nach kann das auch in keiner Form zum Nachteil der Türkei ausgelegt werden. Andererseits lohnt sich hier ein seitenlanger Streit nicht . (Es könnte alles so einfach sein.:-)
„Die türkische Diplomatie habe aber erreichen können, das sie kurzfristig aus dem Lehrplan gestrichen wurde.“
Das ist mal wieder ein erstklassiges Armutszeugnis für die deutsche Bildungspolitik.