Leitvision statt Leitkultur
Warum die deutsche Integrationspolitik in der Zukunft scheitern wird…!
Die deutsche aber auch die europäischen Gesellschaften befinden sich bedingt durch den demografischen Wandel in einem Veränderungsprozess, der als Multikulturalisierung bezeichnet werden kann. Damit ist gemeint, dass die sozioethnischen Strukturen der deutschen aber auch der europäischen Gesellschaften nachhaltig verändert werden, da der Anteil von Migranten in der Bevölkerung zunehmen wird.
Von GastautorIn Donnerstag, 17.09.2009, 8:34 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 05.09.2010, 15:49 Uhr Lesedauer: 11 Minuten |
Dieses Phänomen ist inzwischen eine gesellschaftliche Realität: In immer mehr Schulklassen sitzen Kinder mit Migrationshintergrund, in den Verwaltungen und in der Polizei trifft man auf immer mehr Menschen, die einen Migrationshintergrund haben und über immer mehr Häuserdächer ragen die Minaretten von Moscheen– Veränderungen, die einheimischen Deutschen Sorgen und Ängste machen!? Vor allem aber üben diese Veränderungen einen Transformationsdruck auf die gesellschaftliche Identität aus. Die Leitkultur-Debatte war ein Ansatz, eine solche Identität zu entwickeln. Aber ist denn eine Leitkultur sinnvoll und notwendig?
Wir werden multikulturell…! Hurra!?!?
Die Ergebnisse aus der „Sozialstudie über die türkischen Akademiker und Studierenden in Deutschland (TASD-Studie)“ genießen bis heute eine ungebrochene Aufmerksamkeit und sind Gegenstand vieler Medien und Diskussionen. Erfreulich ist, dass die Studienergebnisse Anlass für kontroverse Diskussionen im öffentlichen und privaten Raum sind, in denen die Folgen der Multikulturalisierung debattiert werden. Und wieso sind die Diskussionen sehr erfreulich!?
Wir – Deutsche und Menschen mit Migrationshintergrund – brauchen diese teils mit Spannung angeladenen und kontroversen Diskussionen, um die Zukunftsfähigkeit dieses, unseres Landes nachhaltig zu gewährleisten. Denn: Ob wir – Deutsche und Menschen mit Migrationshintergrund – wollen oder nicht, wir werden miteinander zusammenleben und – arbeiten müssen.
Der demografische Wandel hat nicht nur die Alterung und Schrumpfung der deutschen Gesellschaft zur Folge sondern auch ihre Multikulturalisierung. Dies soll heißen, dass die sozioethnische Struktur der deutschen Gesellschaft sich in der Zukunft nachhaltig verändern wird. Diese Veränderung wird nicht alleine durch die bereits hier in Deutschland lebenden MigrantInnen bewirkt.
Es stimmt zwar, dass insbesondere in den Metropolregionen der Anteil von 10jährigen Kindern mit Migrationshintergrund in Stadtbevölkerungen über 30% in manchen Regionen sogar über 40% beträgt. Dies jedoch ist nur die eine Seite der Medaille.
Die sozioethnische Veränderung der deutschen aber auch europäischen Gesellschaft wird auch durch die globale Bevölkerungsentwicklung verstärkt. Während die Gesellschaften in der nördlichen Hemisphäre des Globus‘ schrumpfen werden, kann in der südlichen Hemisphäre ein Bevölkerungswachstum beobachtet werden. Behausung, Arbeit und Nahrungsmittel werden im „Süden“ immer knapper. Dies sind Push-Faktoren, die immer mehr Menschen aus dem „Süden“ in den „Norden“ drängen werden.
Es gibt noch ein dritter Aspekt zur „Multikulturalisierung“: der Fachkräftemangel. Diejenigen, die zweifeln, dass es gegenwärtig keinen Fachkräftemangel gäbe, haben Recht. Der Fachkräftemangel, über den heute diskutiert wird, betrifft nur wenige Branchen. Seine Ursachen sind darin zu finden, dass die deutsche Bildungspolitik in der Vergangenheit versäumt hat, die benötigten Qualifikationen bedarfsgerecht auszubilden. Der Fachkräftemangel heute hat also strukturelle Ursachen.
Der durch den demografischen Wandel bedingte Fachkräftemangel steht uns – Deutschen und Menschen mit Migrationshintergrund – noch bevor: Ab dem Jahr 2020 werden immer mehr Erwerbstätige aus den Baby-Boom-Jahren in die Rente gehen. Das durchschnittliche Alter der Erwerbstätigen wird daraufhin – mehr oder weniger – schlagartig steigen. Gleichzeitig bildet Deutschland zu wenige (akademische) Fachkräfte aus, um diesen Bedarf kurzfristig decken zu können. Aber auf dem Weg in eine wissensbasierte Ökonomie wird Deutschland dringend Akademiker benötigen. Deutschland muss in den folgenden Jahrzehnten Einwanderung zulassen, wenn sie die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit seiner Wirtschaft aufrecht erhalten und vor allem ausbauen möchte. Meinung
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Geehrte/r Kosmpolit,
ich danke für Ihren Kommentar. Ich komme leider erst jetzt dazu, auf Ihren Beitrag zu antworten.
Hauptberuflich beschäftige ich mich mit Trends und Veränderungsprozessen in der Gesellschaft und Wirtschaft. Meine wichtigste Aufgabe besteht aber darin, herauszufinden, welche Konsequenzen diese Signale aus der Gegenwart auf die Zukunft haben könnten. Meine Arbeit ist weit komplizierter, ich möchte aber an dieser Stelle nicht ausschweifen. Ich möchte auf folgenden Punkt hinaus:
Der Feind jeder guten und vor allem seriösen Trend- und Zukunftsforschung ist Dogmatismus und eine unerschütterliche Voreingenommenheit. Wenn jemand, der in diesem Feld beratend und forschend aktiv ist, eine vorgefasste Meinung hat, der wird – egal welche Daten, Informationen und Fakten ihm vorliegen – immer zum selben Ergebnis kommen. So jemand wird auf einem Auge immer blind sein und nie einen Sachverhalt voll ausleuchten können.
Ein Kugelschreiber ist für einen Studenten ein „Werkzeug“, um seine Notizen zu schreiben. Für einen Hersteller von Kugelschreibern ist er lediglich ein „Produkt“, dessen Produktion 25 Cent kostet. Für den Klassenclown ist es ein nützliches „Folterinstrument“, um seinen Lehrer mit angefeuchteten Taschentuch-Geschossen zu nerven. Für einen Intellektuellen ist der Kugelschreiber seine wichtigste „Waffe“, um mit Artikeln, Essays, Kommentaren usw. die öffentliche Meinungsbildung zu beeinflussen.
So simpel ein Kugelschreiber sein mag, so zeigt mein Beispiel auf, dass es verschiedene „Zugänge“ und „Perspektiven“ zu ihm existieren. Ein Trend- und Zukunftsforscher muss in der Lage sein, diese verschiedenen Perspektiven einzunehmen, damit er den Sachverhalt umfassend versteht, um hieraus Projektionen und Prognosen zu formulieren, die ein annähernd realistisches Zukunftsbild entwerfen kann.
Herr Ulfkottes Bücher beispielsweise sind nett und zum Teil auch spannend geschrieben, jedoch werden in seinen Büchern das Zukunftsbild eines Mannes beschrieben, der eine klare, eindeutige aber auch einseitige politische Meinung vertritt. Seine Prognosen und Projektionen beruhen auf ein vorgefasstes Welt- und Menschenbild. Mit anderen Worten: Herr Ulfkotte ist auf einem Auge blind. Seine Bücher schildern ein mögliches Szenario von vielen (!) möglichen (!) Szenarien.
Seien es die Beiträge von Ihnen oder Sabine v.C., Boli, municipal usw., es wird ersichtlich, dass auch Sie ein vorgefasstes und aus Ihrer Sicht unerschütterliches Welt- und Menschenbild vertreten:
– Europa wird islamisiert.
– Die Islamisierung Europas wird gezielt und aktiv von muslimischen Ländern angestrebt. (Im Übrigen – in Großbritannien wird Pakistan, in Frankreich u.a. Algerien und in Deutschland die Türkei von den so genannten „Islamkritikern“ verdächtigt, die Islamisierung Europas anzustreben. Je nachdem aus welchem Land die Muslime des jeweiligen Landes mehrheitlich vertreten sind.)
– Alle Muslime stehen in der Pflicht, „Ungläubige“ zu töten, weil es der Koran vorschreibt. Und alle Muslime müssen schließlich den Koran Folge leisten.
– Der Koran und damit auch die Muslime sind unvereinbar mit den westlichen Werten.
– usw. usf.
Und jetzt stecke ich aber in einem Dilemma:
Ich könnte jetzt schreiben, dass der Islam nicht im Widerspruch zu den westlichen Werten steht und er mit diesen vereinbar ist. Ich könnte anbringen, dass die in Deutschland lebenden Muslime nicht mit aller „Gewalt“ versuchen, ihre „Regeln“ und „Gesetze“ durchzusetzen. Ich könnte anführen, dass dieser „Doktrin“, dem Sie dem Islam unterstellen, nicht existiert und auch ein Muslim über einen freien Willen verfügt, dem er folgt. Ich könnte insgesamt mit einem Rammbock versuchen, Daten, Fakten und Informationen in Ihren Kopf einzuhämmern. Nur – was und wem nützt es, wenn Sie aber natürlich auch ich eine unerschütterliche, dogmatische, voreingenommene Meinung haben, die jeder für sich als die einzige Wahrheit erhebt!?
In so einem Fall kann ich nur erwidern: Geehrte/r Kosmopolit, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, den Lesern und mir Ihre Position mitzuteilen, die ich als Angehöriger einer pluralitischen Gesellschaft sehr respektiere.
Mir geht es aber darum, einen Weg zu finden, wie – ausgehend dieser sozialen Realität heraus – eine gemeinsame Zukunft geschaffen werden kann. Ich postuliere daher, politische Verhandlungsarenen zu schaffen, in denen eben Ihre und meine Meinungen gegenüber gestellt, diskutiert und abgewogen wird, um eben einen Konsens herzustellen. Wir vergeuden wertvolle Zeit, mit irgendwelchen dogmatischen „Ich glaube aber, dass…“-Diskussionen. Mit dem Integrationsgipfel und der Islamkonferenz wurden solche Verhandlungsarenen geschaffen. Ich bin froh über diesen kleinen aber richtigen Schritt.
Viele Grüße
Kamuran Sezer
Herr Kamuran Sezer.
Fortsetzung weiterer Einwendungen unter:
http://www.migazin.de/2009/09/22/grundgedanken-zur-politischen-teilhabe-von-menschen-muslimischen-glaubens/#comment-5473
Mögen Sie eine andere Auffassung vertreten, die Entwickmlung der letzten Jahre geben mir recht.
Geehrte/r Kosmopolit,
ich bitte Sie, wenn Sie künftig lange Texte schreiben, in diesen auch Leerzeilen zwischen den Absätzen einzubauen. So wird ihr Text lesefreundlicher.
Ich habe Ihren Beitrag in der anderen Diskussion gelesen. Dabei bin ich auf einen Absatz gestoßen, der meine Neugier weckte und zugleich erschreckte:
„1974, unter türkischem Vorsitz, beschlossen die 42 Staaten des Welt-Islam-Rates ( OIC ) alle Christen in den islamischen Ländern bis zum Jahre 2000 auszurotten. Wörtlich lautet der Beschluss aus Lahore, Pakistan: “Das ganze Gebiet ist bis zum Jahre 2000 völlig zu islamisieren, und zwar dergestalt, dass alle Leben- den im Mittleren Osten, die nicht Moslems geworden sind: die koptischen Christen in Ägypten, die Christen in Irak, Iran, Türkei, Libanon, Syrien, die Assyrer, Chaldäer, syrisch-orthodoxen Christen, Armenier, Nubier und Israelis völlig ausgelöscht werden müssen.”
Diese Inhalte waren nicht nur sehr heftig sondern auch völlig neu für mich. Daher habe ich mir die Mühe gemacht, im Internet darüber zu recherchieren.
1. Ich habe den in Ihrem Absatz angeführten Zitat im Google recherchiert. Dabei bin ich lediglich nur auf ein Dokument auf der Website patriot.ch gestoßen. In diesem Dokument wurde die Quelle des Zitats Hans-Peter Raddatz ausgewiesen. Hans-Peter Raddatz, der offensichtlich ein ausgebildeter Orientalist ist, ist zugleich wohl eine Persönlichkeit, die nicht unumstritten ist. So wird er von vielen anderen seiner Fachkollegen für seine Einseitigkeit und seinen Pessimismus kritisiert: http://de.wikipedia.org/wiki/Hans-Peter_Raddatz
2. Einen „Welt-Islam-Rat“ konnte ich im Internet ebenfalls nicht finden. Die Abkürzung OIC hingegen war hilfreich. Hierhinter verbirgt sich die „Organisation of The Islamic Conference“, bei der es sich um einen Zusammenschluss von islamischen Staaten oder Staaten mit mehrheitlich islamischer Bevölkerung handelt. Der Begriff „Welt-Islam-Rat“ ist angesichts eines internationalen Organisation nicht nur unglücklich sondern auch irreführend. Es suggeriert, dass es sich hierbei um eine subversive Weltorganisation handelt. Eine solche Begrifflichkeit erinnert mich auch zusehends an die Verschwörungstheorien um die „Protokolle der Weisen von Zion“, die nachweislich um Fälschungen handeln.
Um es auch etwas zu zuspitzen:
Es gibt einen Welt-Europa-Rat und nennt sich die Europäische Union. Es gibt den Welt-Asien-Rat und nennt sich ASEAN. Es gibt den Welt-Amerika-Rat und nennt sich NAFTA. Es gibt den Welt-Weltrat und nennt sich UNO. Bei allen handelt es sich um legitime internationale Organisationen, in denen sich regionale Akteure zur Koordinierung und Formulierung von Interessen und politischen Maßnahmen zusammengeschlossen haben.
3. Aufgrund der sehr heftigen Forderung „alle Christen auszurotten“, habe ich mir darüber hinaus die zusätzliche Mühe gemacht, mich auf der Website der OIC zu informieren, ob hierzu Bekundungen, Positionen o.ä. gibt. Ich bin nicht fündig geworden. Vielleicht sind Sie erfolgreicher als ich: http://www.oic-oci.org/
Und dass Sie sich wundern, dass in einer islamischen Organisation die Scharia die Grundlage jeglicher Erklärung bildet, ist genauso, wenn Sie sich wundern, dass ein leidenschaftlicher Fußballfan am Liebsten die Farben seiner Lieblingsmannschaft trägt. Ja, selbstverständlich ist die Scharia für diese Organisation das Fundament ihres Selbstverständnisses. Genauso wie die asiatische Geistesgeschichte das Selbstverständnis für die Mitglieder von ASEAN bildet.
4. Nehmen wir an, dass dieses Zitat oben in irgendeiner Form gefallen ist. Für mich stellt sich damit auch zwingend die Frage, wer oder welche politische Interessensgruppe innerhalb einer großen Organisation diese Aussage bzw. Forderung aufgestellt hat: Islamische Fundamentalisten, moderate oder säkulare Muslime, Agnostiker oder Atheisten muslimischer Herkunft!? Die islamische Bevölkerung ist sehr vielfältig. Und dies ist offensichtlich ihr Denkfehler: Sie gehen offenbar davon aus, dass alle Muslime der Welt dasselbe denken, sagen und handeln.
Abschließend möchte ich Sie bitten, bei Ihren Diskussionsbeiträge wie das deutsche Finanzamt vorzugehen. Für jede Ausgabe, die Sie in Ihrer Steuererklärung anführen, müssen Sie belegen oder nachweisen können. Dies gilt vorallem dann, wenn Sie solche haarsträubende Unterstellungen artikulieren, die erschreckend sind, wenn sie wahr wären, oder diskreditierend sind, wenn sie falsch wären. Nicht anders funktioniert die moderne Wissenschaft: Jedes Ergebnis oder jede Erkenntnis muss nachweisbar (!) sein.
Dies ist übrigens eine Erbe der europäischen Aufklärung, der Reformation und Renaissance. Für jemanden, der eifrig bestrebt ist, die europäischen Werte zu verteidigen, scheinen Sie in der Anwendung der Paradigmen der europäischen Wissenschaftsphilosophie wenig geübt zu sein.
Viele Grüße
Kamuran Sezer
ZItat:
„Abschließend möchte ich Sie bitten, bei Ihren Diskussionsbeiträge wie das deutsche Finanzamt vorzugehen. Für jede Ausgabe, die Sie in Ihrer Steuererklärung anführen, müssen Sie belegen oder nachweisen können. Dies gilt vorallem dann, wenn Sie solche haarsträubende Unterstellungen artikulieren, die erschreckend sind, wenn sie wahr wären, oder diskreditierend sind, wenn sie falsch wären. Nicht anders funktioniert die moderne Wissenschaft: Jedes Ergebnis oder jede Erkenntnis muss nachweisbar (!) sein.“
Unabhängig von dem von ihn sachlich kommentierten Beitrag: Wenn Sie diesen Massstab durchhalten wollten, müssten Sie wahrscheinlich einen hohen Anteil der hier veröffentlichten Beiträge löschen. Die Redaktion ist so vernünftig, dies nicht zu tun. Prinzipiell gebe ich Ihnen Recht – weit hergeholte Behauptungen sollte man im Zweifelsfalle belegen können. Ich finde, dass es ausreicht, wenn zumindest eindeutig erkennbar ist, dass jemand von seiner Meinung/Ansicht/Vermutung spricht und diese nicht in den Rang einer Tatsache erhebt. Auch persönliche Ansichten – transparent dargestellt – können eine Diskussion in der Sache voranbringen. Wie gesagt, eine Meinung zu diesem Sachverhalt. Zumal ja in den Artikeln nicht nur Ergebnisse und Erkenntnisse formuliert werden, auch in Ihrem Beitrag, sondern natürlich auch Meinung mitgeteilt wird. Davon kann ein Dialog genüg „Dünger“ erhalten, lädt ein.:-)
„Ich könnte jetzt schreiben, dass der Islam nicht im Widerspruch zu den westlichen Werten steht und er mit diesen vereinbar ist. Ich könnte anbringen, dass die in Deutschland lebenden Muslime nicht mit aller “Gewalt” versuchen, ihre “Regeln” und “Gesetze” durchzusetzen. Ich könnte anführen, dass dieser “Doktrin”, dem Sie dem Islam unterstellen, nicht existiert und auch ein Muslim über einen freien Willen verfügt, dem er folgt. Ich könnte insgesamt mit einem Rammbock versuchen, Daten, Fakten und Informationen in Ihren Kopf einzuhämmern. Nur – was und wem nützt es, wenn Sie aber natürlich auch ich eine unerschütterliche, dogmatische, voreingenommene Meinung haben, die jeder für sich als die einzige Wahrheit erhebt!?“
Werter Herr Sezer,
Ich möchte Sie bitten, die o.g. Aussagen genauer zu spezifizieren und auch zu belegen, bitte liefern Sie Zahlen, Daten und Fakten. Meine Vermutung ist, dass natürlich nicht jeder Moslem in Deutschland versucht, islamische Sitten durchzusetzen. Aber es gibt sie, und ich denke, es sind meist organisierte Vereine und Verbände, die eine gewisse Mitgliederzahl besitzen. Wenn ich mir, obwohl ich ein Moslem bin, nix daraus mache, trete ich auch in keinen Moscheeverein o.ä. ein, sondern lebe vor mich hin, esse vielleicht aus Gewohnheit kein Schwein aber trinke ab und zu einen (ich habe einen Bekannten, der es so hält). Kann es nun sein, dass es von Deutscher Seite falsch ist, sich in verschiedenen Dialog-Bemühungen an die größeren organisierten Verbände zu wenden, da gerade diese unrühmliche Absichten hegen, während eine schweigende Mehrheit von mehr oder weniger angepassten, nicht-fanatischen Moslems damit überhaupt nichts am Hut hat, sondern einfach „normal“ lebt, arbeiten geht, etc.?
Kann es sein, dass wir Deutschen einen Denkfehler begehen, indem wir organisierten Moslems gerne Seriosität und Integrität unterstellen? Dass wir auf den äußeren, oberflächlichen Schein hereinfallen? Dass wir „organisiert“ mit „eingedeutscht, integriert, vertrauenswürdig“ verwechseln?
Das Problem ist nur: An wen soll man sich sonst wenden wegen der Probleme, die es in der Gruppe der Moslems nunmal auffällig oft gibt? Mit einer schweigenden, unorganisierte Minderheit kann man nicht sprechen. Wären jetzt nicht die vielgelobten „modernen“ Moslems hierzulande, die integriert sind und die westliche Lebensweise verinnerlicht haben, die Deutschland gegenüber loyal sind und seine Interessen schützen wollen, in der Pflicht, sich ein Sprachrohr zu verschaffen, sich zu organisieren (und zwar einheitlich) und eine vernünftige Gegenstimme zu dem Chor der ewig jammernden, angeblich diskriminierten Moslems zu bilden?
Und eine weitere Frage:
Warum halten Sie den Islam in seiner Gesamtheit mit westlichen Werten vereinbar? Das altbewährte Beispiel der Stellung der Frau im Islam spricht für mich dagegen. Ich als europäische bzw. deutsche Frau habe Probleme damit, dass dem Mann ein Züchtigungsrecht zugesprochen wird. Es mag sein, dass einige moderne Moslems dies nicht beanspruchen, aber können Sie garantieren, dass in Deutschland kein Moslem gegen seine Frau die Hand erhebt und sich dabei auf den Koran beruft? Dass es in diesen Kreisen nicht auch innerhalb der ganzen Familie gerechtfertigt ist, sich so zu verhalten?
Das soll nur ein einzelnes, aber für mich prägnantes Beispiel sein. Man könnte sicher noch mehr anführen, wenn man wollte. Ich habe letztens die Sendung „Literatur im Foyer“ verfolgt, Gäste waren Seyran Ates (ich hoffe, den Namen richtig wiederzugeben), ein gläubiger Moslem, der eine deutsche Koranübersetzung verfasst hat und ein Ex-Moslem (der Name fällt mir nicht mehr ein, kann aber gegoogelt werden), der das Buch „Mein Abschied vom Himmel“ verfasst hat und übrigens heute noch von ehemaligen Glaubensgenossen mit dem Tode bedroht wird. Besonders seine Ansichten befand ich für weise. In der Sendung ging es unter anderem um dieses vom Koran eingeräumte Züchtigungsrecht des Mannes.
Der gläubige Moslem, der die Übersetzung des Koran verfasst hat, versuchte, und mir fällt kein besseres Wort dafür ein, sich herauszureden, indem er sagte, dass die Voraussetzungen für dieses Züchtigungsrecht überhaupt nicht näher definiert seien und daher niemand wissen könne, für welches Verhalten genau er die Frau wie im Koran beschrieben sanktionieren dürfe. Daher dürfe er es gar nicht erst tun.
Ein Deutscher Jurist würde so ein Konstrukt einen unbestimmten Rechtsbegriff nennen, ein Begriff, der im Gesetz nicht definiert ist und nur durch die Auslegung der Rechtsprechung an Konturen gewinnt. Nun kann man das so sehen, ich finde aber, damit wird abgelenkt und am Thema vorbei geredet. Ich denke, in der Islamischen Welt ist es durchaus üblich, dass jeder den Koran auf seine eigene Art und Weise auslegen kann. Wenn ich mir nun vorstelle, ich sei ein männlicher gläubiger Moslem, und der Koran ist, was wohl kein Moslem bestreiten kann, das überlieferte Wort Gottes. Dann lese ich da sinngemäß: „Ist die Frau aufrührerisch, dann ermahne sie erst, dann meide sie im Bett und dann darfst du sie schlagen (das genaue Zitat weiß ich nicht, ist aber auch im Netz zu finden)“. Das heißt für mich salopp gesagt: „wenn die Alte frech wird, sich nicht so verhält, wie es mir passt, wird sie bestraft, erst gibt’s eine Abmahnung, dann Liebesentzug (naja, ist das eher eine Strafe für den Mann?) und wenn sie dann nicht spurt, gibt’s auf die Fresse.“ Für die Frau hängt es nun von der Auffassung des Mannes ab, was er unter diesem unbestimmten „aufrührerisch“ versteht, also wie gutmütig oder tolerant er ist, wo seine Grenzen liegen. Es kann sein, dass er ein ruhiger, gutmütiger Kerl ist, es kann aber auch sein (und das kommt sicher oft genug vor), dass er ein tyrannischer, gewalttätiger Mistkerl ist, der ohne Anlass ausrastet, dessen Launen die Frau auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist.
Und genau da liegt doch der Knackpunkt: Der Koran hat die Autorität des Wort Gottes, es darf nicht verfälscht werden. Er darf nicht Gegenstand der Wissenschaft werden, nicht das Forschungsobjekt von Historikern, die u.U. feststellen würden, dass dieses Buch für das 7. Jahrhundert und die damaligen Umstände nachvollziehbar erscheint, aber nicht für die heutige Zeit. In vielerlei Hinsicht bietet der Koran Rechtfertigungsgrundlagen für – aus europäischer Sicht – verabscheuungswürdiges Verhalten. Das wissen die Moslems natürlich, sie sind ja auch nicht bescheuert. Aber, wie reagieren sie auf diese Kritik? Sie deuten an den Worten herum, bis es für sie passt. Genau wie der gläubige Moslem in besagter Sendung. So löst man aber keine Probleme, sondern man redet sich heraus und versucht den Diskussionsgegner zu verwirren.
Ich bin daher der Ansicht, dass der Islam an sich Reformationsfeindlich ist. Solange der Koran als direkt von Gott gesandtes Regelwerk erscheint, wird kein Moslem es wagen, ihn objektiv zu betrachten und ihn in historischen Zusammenhängen zu analysieren. Auch frage ich mich, was nach einer Reformation vom Islam übrig bleiben würde. So eine Art Christentum, wie es heute gelebt wird?
Wie Sie sehen, habe auch ich eine gefestigte Meinung über diese Dinge. Sie können diese Meinung aber jederzeit ändern, wenn Sie mich argumentativ überzeugen. Das gilt bestimmt für alle Deutschen, die so denken wie ich, denn das hat nichts mit Islamophobie zu tun, sondern mit Erkenntnis. Diese Meinung habe ich nicht irgendwann plötzlich gehabt, weil ich vom Leben frustriert bin, sondern sie ist in einem jahrelangen Prozess entstanden, indem ich mich viel informiert und nachgegrübelt habe. Bis jetzt bin ich auf keine überzeugenden Gegenargumente gestoßen, schon gar nicht von moslemischer Seite. Dass nicht jeder Moslem ein Terrorist ist, weiß ich auch selber, dazu brauche ich keine pädagogischen Belehrungen. Dennoch birgt diese Religion ein Gefahrenpotential. Wenn Sie nun sagen, es gibt in unserem Sinne „anständige“ Moslems, muss ich fragen, wie genau diese es mit der Religion nehmen. Ist es nicht so, dass, je mehr ein Moslem sich von dieser Religion distanziert, er umso moderner, aufgeklärter, letztlich ungefährlicher für sein Umfeld wird und er sich leichter integrieren kann?
Ich wäre dankbar für Ihre Sicht der Dinge.
MfG
@Kamuran Sezer:
„Ich könnte jetzt schreiben, dass der Islam nicht im Widerspruch zu den westlichen Werten steht und er mit diesen vereinbar ist.“
Besser nicht. „Ewiggültiger“ medinischer Vers:
Sure 4.34: „Die Männer haben Vollmacht und Verantwortung gegenüber den Frauen, weil Allah die einen vor den anderen bevorzugt hat und weil sie von ihrem Vermögen (für die Frauen) ausgeben. Die rechtschaffenen Frauen sind demütig ergeben und bewahren das, was geheimgehalten werden soll, da Allah es geheimhält. Ermahnt diejenigen, von denen ihr Widerspenstigkeit befürchtet, und entfernt euch von ihnen in den Schlafgemächern und schlagt sie.“
Ewiggültiger deutscher Vers:
GG 3.2: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.
Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“
Staatsgründer:
„Der Islam, diese absurde Gotteslehre eines unmoralischen Beduinen, ist ein verwesender Kadaver, der unser Leben vergiftet. Er ist nichts anderes als eine entwürdigende und tote Sache. Die Bevölkerung der türkischen Republik, die Anspruch darauf erhebt, zivilisiert zu sein, muss ihre Zivilisation beweisen, durch ihre Ideen, ihre Mentalität, durch ihr Familienleben und ihre Lebensweise.“
– Mustafa Kemal „Atatürk“
(Jacques Benoist-Méchin, „Mustafa Kemal. La mort d’un Empire“, 1954)
Interessante Zitate. Wissen Sie, ob dieser „medinische Vers“ Gültigkeit besitzt für alle Moslems? (Oder ist es erlaubt, diesen beim Praktizieren der Religion, bei „liberaler“ Auslegung, zu ignorieren?). Vielleicht haben Sie da eine Kurzinfo zu, würde mich interessieren. Dann könnte es wirklich manchmal zu Kontroversen in der Diskussion – es besteht dann wenig Schnittmenge – bzgl. der Gültigkeit/Primat des Grundgesetzes geben.
Den Satz von Atatürk hatte ich auch schon einmal gelesen. Ich weiss aber nicht, ob der „echt“ ist oder ob der von irgendeiner interessierten Seite „erfunden“ wurde. Sollte er „echt“ sein, wird einem zumindest etwas klarer, warum das Militär in der Türkei heute noch eine so grosse Rolle spielt. Herr Sezer hat vorher sehr sachliche, gut nachvollziehbare Anmerkungen gemacht. (Vielleicht kennt er die von Ihnen angeführten Quelllen und hat relativierede Infomationen oder kann nähere Erläuterungen zu den Hintergründen machen, wäre in der Sache interessant).
PS: Ich frage deshalb, weil es eigentlich offensichtlich ist, dass dieser Vers in der Praxis keine so grosse Bedeutung zu haben scheint. Vielleicht scheint er aus dem Zusammenhang gerissen, veraltet, oder vielleicht sogar vielen Moslems unbekannt. (Und damit natürlich irrelevant, wie irgendein Zitat aus dem Alten Testament, eine Vermutung).
Ich finde den Ansatz, dass wir eine Leitvision für die zukünftige Gesellschaft entwickeln müssen doch nachvollziehbar und sinnvoll. Was wäre denn die Alternative? Es leben eben Muslime in Deutschland. Allein die Anwesenheit einer bestimmten Gruppe als Provokation einzustufen ist doch genau die Position vieler Radikaler. Ich finde Islamkritik völlig in Ordnung, genauso wie Kritik am Christentum in einer pluralen Gesellschaft möglich sein muss (und auch geübt wird). Aber halten Sie es wirklich für zielführend, immer wieder Suren aufzuführen, die beweisen sollen, dass der Islam nicht „Europa-tauglich“ ist? Meinen Sie, es gibt keine Bibelstellen, mit denen man ähnliches beweisen könnte?
Ich halte den Einfluss, den die türkische Politik auf bestimmte Einrichtungen in Deutschland nimmt z.T. für problematisch, z.B. war ich ganz verwundert, in einer Moschee eine türkische Flagge zu sehen.
Die Kritik am Islam, die jetzt so laut geübt wird, zeigt auch ein tiefes Zweifeln an der Durchsetzungskraft bestimmter Werte wie Offenheit, Toleranz usw., die auch Grundlagen eines Leitbildes sein könnten. Ich habe diese Zweifel auch manchmal, aber was sollen wir für Konsequenzen daraus ziehen? Ich denke, wir müssen den hier lebenden MigrantInnen, auch den Muslimen eine Perspektive öffnen, wie sie teilhaben können und zwar durchaus unter gewissen Bedingungen. Ein Schlüssel dazu ist die Bildung und das Kennenlernen des Ortes, an dem man lebt. Nocht nicht einmal viele autochtone Deutsche haben leider auch nur fragmentarische Kenntnisse ihrer Geschichte, wenn ich z.B. an christliche Ikonografie denke.
Oder was wäre für Sie die Alternative?
„Aber halten Sie es wirklich für zielführend, immer wieder Suren aufzuführen, die beweisen sollen, dass der Islam nicht “Europa-tauglich” ist? Meinen Sie, es gibt keine Bibelstellen, mit denen man ähnliches beweisen könnte?“
@ Frank
Es besteht ein entscheidender Unterschied zwischen dem Verhältnis der Christen zur Bibel und Moslems zum Koran. Der Koran wird als unveränderlich verstanden und i.A. wörtlich genommen. Vielleicht als Folge daraus gibt es im Islam keine Reformation und keine Aufklärung. Von moslemischer Seite werden gerne die für uns nett klingenden Stellen zitiert und die richtig üblen weggelassen, um zu beweisen, wie friedliebend der Islam ist. Natürlich kennt auch die Bibel solche Stellen, aber welcher Christ ist gewalttätig und rechtfertigt dies durch den Wortlaut der Bibel, es sei denn, er ist geisteskrank?
Wenn der Koran wörtlich verstanden wird, stehen bedenkliche und und unbedenkliche Vorschriften und Gebote gleichwertig nebeneinander und jeder kann das anwenden, was ihm gerade in den Kram passt.
hallo sanne,
finden sie nicht auch, dass sie mit einer gewissen doppelmoral an die sache herangehen, wenn sie gewalttätige christen, die sich auf die bibel berufen als „geisteskrank“ abtun und muslime nicht. die regierung bush hat sich von gott auserkoren gefühlt, als sie den krieg im irak angezettelt haben. wie viele menschen sind dort umgekommen auf welche weise? haben sie dennoch auch nur einmal irgendwo gelesen, dass man nun die bibel oder christen allgemein als gewalttätig bezeichnet? nicht selten werde ich das gefühl nicht los, als sei die aufklärung nicht nur bei muslimen notwendig.
der koran ist unabänderlich, das stimmt. der koran ist jedoch im historischen kontext zu lesen. die allermeisten stellen, die im zusammenhang mit gewalt stehen, beziehen sich auf kriegszeiten und sind dann noch weiter zu differenzieren. wie bei allen abstrakten schriften lässt sicherlich vieles viel raum für unterschiedliche interpretationen. dass die allermeisten muslime allerdings friedlich sind spricht aber dafür, dass der historische kontext richtig verstanden wird. die, die das nicht kappieren, sind – sie haben es erfasst – „geisteskrank“.
Liebe Sanne, danke für Deine Antwort. Dass es Unterschiede gibt, bestreite ich gar nicht. Was Sie andeuten, wird ja auch von vielen Muslimen als Argument gegen die Christen verwendet; dass die Bibel „fehlerhaft“ sei, weil sie von Mnschen aufegschrieben wurde und der Koran „richtig“, weil er Muhammed gleichsam auf Arabisch diktiert wurde. Ich kenne auch die muslimische Kritik an der heiligen Dreifaltigkeit, nach der wir Christen keine monotheistische Religion sein sollen und die Kritik an Jesus und den bildlichen Darstellungen. Es gibt auch eine christliche Kritik an den Muslimen, eine innerchristliche Auslegungstradition aber soweit ich weiß auch eine innermuslimische kritische Tradition oder bin ich hier falsch informiert?
Ich glaube noch immer nicht, dass Aspekte wie die Gewltverherrlichung in bestimmten Suren immer und immer wieder bei Diskussionen über Integration aufgezählt werden müssen. Weil dann immer und immer wieder die Gegenargumente fallen werden und wir am Schluss überhaupt nichts erreicht haben.
Wichtiger wäre, auf die Vorteile eines säkularen Rechtsstaates hinzudeuten. Denn nur, weil es eine Reformation gab, einen Augsburger Religionsfrieden, einen Westfälischen Frieden, v.a. aber eine Aufklärung und Sakularisierung können heute Anhänger unterschiedlichster Religionen hier leben. Das zu verdeutlichen, z.B. in der Schule, wäre wichtig. Genauso gut könnten wir aber auch auf Tendenzen hinweisen, die es im Osmanischen Reich des 16. Jhs. oder unter den Mauren gab.
Es ist schwierig, einen gläubigen Muslim dafür zu kritisieren, dass er seine Religion für die beste hält, genauso wie ein gläubiger Christ immer seinen Glauben bevorzugen wird. Im Kindergarten meines Neffen (evangelisch) sind aber viele muslimische Kinder, deren Eltern erst kürzlich kein Problem hatten, sich an der Weihnachtsfeier zu beteiligen. Sollte ich das ignorieren, weil in Saudi-Arabien oder auch in manchen deutschen Moscheen jemand gegen die Christen oder die Atheisten hetzt? Gerade in Deutschland leben z.B. viele Aleviten, die die Türkei verlassen haben, weil sie dort nicht anerkannt wurden. Ich traue einem Großteil dieser Gläubigen schon zu, dass sie den Vorteil eines weitgehend säkularen Staates mit einem säkularen Gesetzessystem schätzen können. Sie nicht?
Natürlich macht mir das kategorische Auftreten bestimmter Muslime auch Angst. Aber ich habe lediglich zu bedenken gegeben, ob es uns sinnvoll ist, aus dieser Angst heraus zu entscheiden. Es ist ein Merkmal Europas, dass wir auch Zweifel formulieren, die dem Islam (auf den ersten und natürlich irgendwie auch kolonialen Blick) zu fehlen scheinen. Aber ist der, der zweifelt und relativiert wirklich derjenige, der zum Untergang verurteilt ist?
Sie haben zwar zu recht auf bestimmte Kennzeichen des Islam hingewiesen, aber eine wichtige Frage haben Sie sich und mir noch nicht beantwortet: Was wäre denn Ihre Lösung im Umgang mit gläubigen Muslimen?
Lieber Frank,
ich verstehe, worauf Sie hinauswollen. Erstmal gebe ich Ihnen Recht, man kann nicht sagen, welche Religion die „richtige“ ist. Aber darum geht es mir auch nicht, es geht mir darum, dass der Koran aufgrund seiner göttlichen Autorität dazu verleitet, ihn über weltliche Gesetze zu stellen, und dass der Koran eben hin und wieder ganz andere Aussagen trifft als unser Grundgesetz. Ich stelle also fest, dass ein gläubiger Moslem, der hier lebt, sich insofern in einem Dilemma befindet, und ich wäre nicht überrascht, wenn er eher dem Koran zugeneigt wäre.
Ich kann nicht sagen, wie jeder einzelne Moslem zu den Gewaltsuren steht. Aber ich habe großes Verständnis dafür, wenn diese immer wieder benannt werden, eben wegen der Autorität des Koran und weil diese Suren sich lange Zeit der Kenntnis des Durchnittsdeutschen entzogen haben. Sie haben einen gewissen Erklärungswert. Wenn es durchgehend bei einer bestimmten Gruppe zu Integrationsproblemen kommt und bei anderen nicht, fragt man natürlich nach den Ursachen. Warum die Abgrenzung zur Einheimischen Bevölkerung? Man kann sich nicht nur auf den Unwillen der Autochthonen berufen. Das als einzigen Grund anzugeben halte ich für unglaubwürdig. Vor allem unter dem Aspekt, dass ein Großteil der Deutschen eine Heidenangst davor hat, als „rechts“/rassistisch/Nazi zu gelten. Und dieser „wunde Punkt“ wird ja auch nicht gerade geschont von linker/islamischer Seite.
Ich will nicht sagen, dass alle Probleme vom Islam herrühren, aber er spielt in meinen Augen keine unbedeutende Rolle. Er ist eine Ideologie, die zu schlimmen Dingen verführen kann, es hängt immer vom Einzelnen ab, wie stark er sich leiten lässt.
Es gibt zudem immer Probleme mit Einwanderern aus Ländern, die im Vergleich zum Einwanderungsland ein Modernitätsgefälle aufweisen. Es gibt verschiedene Anpassungsschwierigkeiten, die auch nicht zuletzt auf einem Mangel an Bildung beruhen. Auch die Einstellung des Migranten ist wichtig. Zieht er los mit dem Vorsatz, etwas zu erreichen?
Man kann natürlich herumanalysieren bis man schwarz wird. Aber was macht man nun, wenn man sieht, bei einer gewisse Schicht von Einwanderern tut einfach nichts? Man wartet Generationen ab, räumt Zeit ein, aber es wird eher schlimmer als besser? Die Eltern kümmern sich nicht, weil sie selbst nie erfahren haben, was zu tun ist, weil sie selbst ungebildet sind und das an ihre Kinder weitergeben, sich damit schwer an ihnen versündigen, ohne es zu merken?
Ich kann beim besten Willen nicht sagen, wie man diese Probleme in den Griff bekommt. Ich weigere mich aber, die Verantwortung allein dem Staat aufzubürden. An erster Stelle sind immer die Eltern verantwortlich. Tja, und jetzt? Die Eltern in Kurse stecken? Aber wurde das nicht in den letzten Jahren schon alles versucht, Sozialarbeiter, Familienhilfe, Jugendarbeiter, Integrationskurse? Alles auf Kosten des Staates. Ich stelle die Wirksamkeit solcher Maßnahmen in Frage.
Was hältst Du davon Frank?
Liebe Sanne,
danke für die Antwort! Natürlich wird es Muslime geben, die Ihren Glauben unserem Grundhesetz vorziehen, ich frage mich aber, ob das nicht auch mit Christen so ist, die aus sehr abgeschiedenen Gegenden kommen?
Ich glaube aber immer noch, dass Partizipation neben der immer wieder genannten Bildung ein Schlüsselbergriff ist: Indem wir jemandem anbieten, sich an dieser Gesellschaft zu beteiligen, zu konkreten Bedingungen werden wir – so hoffe ich – auch viele (nicht alle) MigrantInnen erreichen. Wir müssen die Botschaft vermitteln, dass man es in unserer Gesellschaft nur zu etwas bringen kann, wenn man ihre Freiheit nutzt und anderen auch Feiheit läßt. Im Moment glaube ich, dass wir es aber gerade den Migranten und v.a. Muslimen erschweren, die eigentlich viele Punkte erfüllen, die wir von Ihnen erwarten, z.B. Bildung und Qualifikation. Viele von Ihnen wandern ab, weil sie keine ihrer Qualifikation adäquate Stelle finden, wobei sicherlich auch Vorurteile in Firmen usw. eine Rolle spielen.
Ein weiterer Aspekt spielt hierbei eine Rolle: Wir haben in Deutschland einen „fürsorglichen“, Sozialstaat. Ich glaube, lange Zeit dachten man: Wir zahlen Kindergeld, Arbeitslosenhilfe, Sozaialhilfe, Dann Hartz IV und die Migranten machen dann schon. Wir sehen aber, dass es trotzdem bisweilen nicht klappt. Ehrlich gesagt, hat mich häufig in Diskussionen geärgert dass von den Migranten nie erwähnt wurde, dass sie hier immer noch eines der großzügigsten Sozialsysteme der Welt nutzen können. Ich glaube aber, dass dieses Sozialsystem leider auch die Eigeninitiative bzw. die Möglichkeit zur Partizipation blockiert, was letzlich dann die Unzufriedenheit vieler MigrantInnen mit ihrer Situation erklären würde. Z.B. zahlen wir Kindergeld, aber sorgen nicht dafür, dass dieses Geld auch wirklich den Kindern zu Gute kommt. Ich weiß aus vielen Schulen, dass die Kinder teilweise ohne Pausenbrot und im Winter ohne warme Kleidung in die Schule geschickt werden (was natürlich z.T. alle sozial schwachen Familien betrifft). Meiner Meinung sollten soziale Leistungen als Hilfe zur Selbsthilfe angelegt sein. Ich weiß nicht wie es Ihnen geht, aber ich finde das soziale Anliegen verfehlt, wenn Kinder sagen, sie würden wie ihre Eltern „Hartzer“. In bestimmten Fällen drängen wir MigrantInnen aber geradezu in die soziale Unterschicht: Ich kenne einen jungen Arzt aus Burkina Faso der hier in Deutschland Asyl suchte. Anstatt ihm eine Arbeitstätigkeit zu geben – was er gern gemacht hätte, erhielt er zunächst einen Geldbetrag zum Leben. Als der Asylantrag genehmigt war, wollte er im Krankenhaus arbeiten, aber seine Appobation wurde nicht anerkannt. Also dachte er sich, es als Pfleger zu versuchen, aber auch hierfür wurde sein Medizin-Studium nicht anerkannt. Am Ende arbeitete er wohl im Krankenhaus, nur in der Putzkolonne.
Um nun den Bogen wieder zu schließen: Wir senden – glaube ich – viel zu oft die Botschaft aus, dass man es in Deutschland ohnehin zu nichts bringen kann. Wenn für junge Migranten und eben auch Muslime die einzige Perspektive ist, in der Putzkolonne zu arbeiten oder eben Hartz IV zu beziehen, ist das tragisch. Wenn Sie dann in einem bestimmten Milieu landen ist das gefährlich. Hier sind bisher gerade die Moscheen aktiv geworden, die ja oft nicht nur Gebetshäuser sind, sondern auch so eine Art „Gemeindezentrum“. Ich sage nicht, dass dies per se schlecht ist, aber wenn die Moschee der einzige Ort bleibt, an dem man Teil einer Gemeinschaft ist, ist dies ein Hemmschuh für die Intergration. So bleiben diejenigen hier, die sich an den Plätzen in der Gesllschaft einrichten, die wir Ihnen z.T. zugewisen haben und diejenigen, die ihr Milieu durchbrechen, kehren Deutschland zu einem großen Prozentsatz den Rücken weil ihre Leistung nicht honoriert wird.
Ich fände sozialer, um es noch einmal zu sagen, bestimmte Leistungen an – sinnvolle – Forderungen zu knüpfen, die gleichzeitig fördern. Vielleicht wäre das auch ein Umgang mit dem Islam, indem wir zusichern, dass ein Muslim hier in Deutschland alles erreichen kann, sofern er an dieser Gesellschaft partizipieren möchte. Partizipieren heißt, diese Gesellschaft an zu nehmen. Wer es nicht will, den würde ich eben auch sanktionieren.
Ob so eine Forderung unbedingt das berühmte Kopftuchverbot sein muss, das bezweifle ich. Wichtiger scheint mir, bestimmten Absonderungstendenzen (z.B. beim Sportunterricht etc.) entgegen zu wirken. Ich halte, ehrlich gesagt, auch einen gemeinsamen Religionsunterricht für alle für zumindest diskussionswürdig, aber das wird schon am Widerstand der Kirchen scheitern. Die Botschaft wäre also: V.a. den Kindern zu helfen aus ihren Milieus (eben auch aus den muslimischen) auch einmal herauszukommen und zwar, indem die Sozialleistungen gezielter eingesetzt werden und auch, z.B. an Schulen, die entsprechenden Angebote vorhanden sind. Das kann übrigens auch vielen sozial schwachen autochtonen Familien, v.a. den Kindern, nur zu gute kommen.
Verehrte Redaktion,
war mein Tonfall im vorigen Kommentar unangemessen?
Ich möchte es nochmal gemäßigter versuchen, aber trotzdem dem von Biker Geschriebenem etwas entgegensetzen.
Ich wollte darauf hinweisen, dass der Irakkrieg keinesfalls die breite Zustimmung der westlichen, chirstlich geprägten oder christlichen Welt hatte. Es haben Amerikaner und Europäer, ich meine mich auch an deutsche Anti-Kriegs-Demos zu erinnern, öffentlich und für die Welt sichtbar ihren Protest gegen das Vorgehen der Bush-Regierung bekundet. Man darf auch nicht vergessen, dass zuvor der 11. September stattgefunden hatte, und wenn das zumindest den pannenhaften Krieg im Irak nicht rechtfertigt, war das doch eine Steilvorlage für die Bush-Regierung. Ich halte es daher für unangebracht, zu behaupten, ein Christ könne sich ohne Weiteres auf die Bibel oder Gott berufen, um Gewalt zu rechtfertigen, und dass andere Christen diese religiös begründete Gewalt dann akzeptieren. Natürlich gibt es auch christlich getaufte Mörder. Es wäre äußerst dumm, so zu tun, als hätte unsere Gesellschaft keine Probleme, keine Gewalt. Aber wir entschuldigen oder billigen in gesellschaftlichem Konsens keine Gewalt, sie ist durch nichts zu rechtfertigen. Sind wir uns da einig?
Als aktuelles Beispiel verweise ich auf die Afghanistan-Einsatz-Kritik von Frau Käßmann und die Kritik des Vatikans an dem Schweizer Minarettverbot.
Werte/r Sanne!
ich möchte mich für Ihren spannenden und kontroversen Beitrag bedanken. Mein Dank gilt auch den anderen Kommentatoren! Zunächst möchte ich klar stellen, dass Ihr Beirag – trotz kontroverser Standpunkte – sehr wohl ausgewogen ist.
Da mein Zeitbudget gegenwärtig knapp bemessen ist, möchte ich einige Punkte von Ihnen mit der mir in aller Kürze gebotenen Möglichkeiten antworten. Ich hoffe, ich kann Ihre Fragen ausreichend beantworten.
Viele Ihrer Kritikpunkte bzw. Ihrer kritischen Reflexionen begründen sich auf die Annahme: Ein guter Muslim muss dem Koran – dem unabänderlichen Wort Gottes – bedingungslos folgen.
Im Islam ist der Koran ohne Zweifel eine heilige Schrift. Sie ist die Maßgabe aller sozialen Ordnungen und sozialen Verhaltens in einer Gesellschaft und im Staatswesen. Im Koran werden neben moralphilophischen und weltanschaulischen Gesichtspunkten hinaus Regelungen zur Kleiderordnungen, zur Erbschaft, zur Scheidung, zum Handel, zum Streit usw. formuliert.
Ich möchte mit meinem Beispiel keinesfalls beide Bücher/Schriften gleichsetzen, wohl aber auch darauf hinweisen, dass auch die deutsche Straßenverkehrsordnung die Maßgabe von verkehrspolitischer Ordnung und Fahrverhalten in Deutschland ist. Und trotzdem werden in einem Jahr Tausende von Knöllchen wg. Falschparkens, Geschwindigkeitsübertretungen usw. verteilt.
Ich möchte sagen, nicht ein Buch selbst stellt eine Gefahr dar, sondern die Menschen, die den Inhalt des Buches auslegen und ihrer Auslegung entsprechend handeln.
Dschihad beispielsweise, also das Bestreben, Bemühen, Kampf auf dem Weg Gottes, wird in der islamischen Welt und unter islamischen Gelehrten sehr unterschiedlich ausgelegt. Er muss nicht unbedingt als „Heiliger Kampf“ gedeutet werden, wie es in manchen deutschen Berichterstattungen „frei“ übersetzt wird. Es gibt Muslime, die den Dschihad tatsächlich als Kampf mit dem Bestreben zur Weltherrschaft des Islams verstehen. Es gibt auch Muslime, die Dschihad als (militärische) Verteidigung des Islams gegenüber ausländische Mächte ansehen. Manche sind der Auffassung, dass dieser Verteidigungsfall eintritt, wenn diese „ausländische Mächte“ Soldaten mit kriegerischen Absichten schicken. Andere wiederum sehen den Verteidigungsfall dann, wenn Kulturprodukte z.B. der westlichen Welt wie beispielsweise Coca Cola, Barbie-Puppen oder die Ausstrahlung der Simpsons Eingang in die islamische Gesellschaften finden. Es gibt sogar noch weitere Abstufungen.
Zur realistischen Einschätzung der Gefahr durch die Muslime sind zwei Fragen entscheidend:
1. Wer vertritt welche Art der Interpretation des Korans?
2. Und wie viele Personen stehen hinter den jeweiligen Gruppen, die den Koran unterschiedlich auslegen? Oder konkret: Wie hoch ist der Anteil derjenigen Muslime, die aus dem Koran einen militärischen-gewaltätigen Auftrag ableiten.
Diese Fragen sind ungeklärt: Muss sich die westliche Welt vor 99% der Muslime auf der Welt fürchten, oder vor 50% oder vor 5%!? Auf Deutschland übertragen möchte ich nur zu bedenken geben, dass die Mehrheit der Muslime von den Türken und auch von den Bosniers gestellt wird. Beide Länder sind in der islamischen Welt neben Pakistan die einzigen Länder, die eine säkulare, laizistische Staatsordnung vertreten. Die Muslime in Deutschland, die aus Iran, Irak, Palästina usw. stammen, haben eine ganz andere Einwanderungsgeschichte und -motive als beispielsweise die Türken. Die meisten sind nach Deutschland „geflohen“. In vielen Fällen handelt es sich um hochgebildete Menschen, die in ihren Ländern verfolgt wurden. Die iranische Diaspora in Deutschland beispielsweise engagieren sich gegen das Ayatollah-Regime.
Zu den Türken möchte ich noch anführen, dass wir – ich bin ja auch ein Türke – eine ganz andere religiöse Entwicklungsgeschichte haben. Wie Sie vielleicht wissen, begründet sich die moderne Türkei auf eine säkulare Grundordnung, die auf den Prinzipien des Kemalismus aufbaut. Aufgrund islamischen Geschichte des Osmanischen Reiches und der damit geprägten Sozialisation der Bevölkerung, insbesondere der Landbevölkerung, entwickelte sich in der türkischen Bevölkerung ein kompliziertes Verhältnis zwischen Religion, Staat und seinen Bürger. Dies darzustellen, ist sehr umfangreich. Ich möchte aber auf die Arbeiten von Herrn Günter Seufert hinweisen, der zum Schluss kam, dass der Islam in der Türkei Religion und Ideologie zugleich ist.
Ich denke also nicht, dass in Deutschland eine Mehrheit in der muslimischen Bevölkerung gibt, die gewaltbereit ist oder terroristische Absichten hegt. Aber wie die Ereignisse von 11.9. beweisen, reichen 19 Menschen aus, umdie halbe Welt in Angst und Schrecken zu versetzen und schreckliche Kriege anzuzetteln. Eine handvoll von Menschen reichen aus, dass in Deutschland über den Einsatz von Körperscannern diskutiert wird und dass die Fluggäste lange Wartezeiten und sonstige Nachteile aushalten müssen.
Ich frage mich in der Debatte über den Islam und das friedliche Zusammenleben mit den Muslimen, ob es gerechtfertigt ist und vorallem (!) das Problem der terroristischen Gefahr löst, wenn man eine ganze Volksgruppe unter einen Generalverdacht stellt.
Schonen wir doch unsere Nerven und unsere Ressourcen, in dem wir uns bei diesem Problem/Thema auf realistische, empirisch-belegbaren Sachverhalte konzentrieren, anstatt Gift zu streuen. Denn pauschalisierende Aussagen führen unter den Muslimen in Deutschland zur Resignation, zum Rückzug in die eigene ethnische Milieu und zur verhärteten Identifikation abseits der Werte der deutschen Gesellschaft.
Diese Gedanken abschließend möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass die Islamdebatte von rechtspopulistischen Initiativen wie pro Köln / NRW oder teilweise durch einige fragwürdige Autoren von politically incorrect als Steigbügelhalter genutzt werden, um ihre ausländerfeindlichen Haltungen politisch durchzusetzen und verbreiten. Bei aller Respekt gegenüber einer ehrlichen Debatte sollten auch die Absichten und der Zweck solcher Gruppen kritisch hinterfragt werden.
Sie haben gefragt: Ist der Islam mit den europäischen Werten vereinbar?
Ja, selbstverständlich… genauso wie das Christentum mit den europäischen Werten vereinbar ist. Bedenken Sie bitte, dass diese „europäischen“ Werte sich auf die Reformation, Renaissance, französische Revolution und Aufklärung aufbauen. Das Christentum war – mit eingeschränkter Ausnahme bei der Reformation – kein Antreiber und Promotor dieser gesellschaftspolitischen Umbrüche jener Zeiten. Im Gegenteil, die katholische Kirche hat dagegen angekämpft und nicht selten Kriege geführt, Menschen gefoltert und verfolgt. Ich möchte nur daran erinnern, dass die katholischen Kirche erst vor einigen Jahren das Hausarrest von Galileo Galilei aufgehoben hat.
Das Christentum, wie es sich heute darstellt und erlebt wird, ist das Resultat dessen, dass es des Volkes Meinung akzeptiert und Rechnung getragen hat. Ich bin überzeugt, dass es eine europäische Auslegung des Islams geben wird. Die Anzeigen heute kann man schon beobachten. Wenn in Deutschland Moscheen mit MInaretten und Kuppeln gebaut wird, dann entsprechen sie nicht den rein islamischen Vorschriften. In sehr vielen Moscheen in islamischen Ländern gibt es keine Freizeitangebote für Jugendliche und Frauen, keine Seminar- und Geschäftsräume, die von Nicht-muslimen genutzt werden können. Diese Variante der Moscheen ist das Resultat des Dialogs mit der Mehrheitsgesellschaft und in dieser Form eine europäische Einzigartigkeit. Der Islam in Europa wird ein anderes Gesicht haben als der Islam in den meisten islamischen Ländern.
Ich denke, dass ich in meinem Beitrag im Querschnitt Ihres Beitrags geantwortet habe.
Nochmals vielen Dank alle für die Rückmeldungen, die mir interessante Einblicke in die Denkprozesse bieten!
Viele Grüße
Kamuran Sezer
Lieber Herr Sezer,
schön, dass Sie sich auch an der Diskussion beteiligen. Wir sind ja eigentlich auch etwas weg gekommen von der Frage ob „Leitkultur“ oder „Leitvision“.
Ich glaube, ich habe in meinen Beiträgen hier zum Ausdruck gebracht, dass ich es schon für möglich halte, dass wir in Zukunft in Deutschland eine gemeinsame Leitvision entwickeln können, an der „Autochtone“ und „Migranten“ teilhaben können.
Ich würde Sie, Herr Sezer, aber doch ganz gerne noch einmal ansprechen. In einer Diskussion haben Sie – denke ich zu Recht – darauf hingewiesen, dass die autochtonen Deutschen Angst vor „Überfremdung“ haben, d.h. mit zunehmender Zahl der Migranten das „Deutsche“ (was auch immer das sein soll) zu verlieren. Ehrlich gesagt gehen meine Ängste in Bezug auf die künftige Gesellschaft in eine ähnliche Richtung. Ich kann jetzt nur aus eigener Erfahrung sprechen und keinerlei wissenschaftliche Belege anführen. Da ich zahlreiche, auch ehrenamtliche Tätigkeiten im kulturellen Sektor wahrnehme, habe ich, denke ich, bezogen auf meine Heimatstadt einen ganz guten Überblick, wer am „klassischen“ Kulturbereich partizipiert. Damit meine ich z.B. Theater/ Oper/ Museumbesuche usw., d.h. was wir als „Hochkultur“ bezeichnen würden, auch wenn mir der Begriff nicht gefällt. Mir fällt auf, dass hier nur bestimmte Migrantengruppen (z.B. überprportional viele Russen) vertreten sind, wärend Türken kaum in die örtliche Gemäldegalerie (sehr viele Bilder mit christlicher Ikonografie aus der Frühen Neuzeit und dem Barock) kommen. Das kann ich beurteilen, weil ich meine Führungen in Dialogform halte und somit auch etwas über die Besucher erfahre. Ich habe lange über die Gründe nachgedacht, und welche Konsequenzen daraus zu ziehen wären. Ich glaube, dass gerade in Russland ein Bildungsideal vorherrscht(e), das sehr stark auf Wissen von Daten und Fakten ausgerichtet ist. Ich könnte mir schon vorstellen, dass bei Türken der Glaube eine Barriere ist, d.h. einfach kein Interesse an Bilder aus christlichem Kontext besteht. Es könnte aber auch sein, dass bedingt durch kulturelle Konvetionen, die mit Glauben zusammenhängen (z.B. das Bilderverbot) Türken nicht mit Darstellungsmodi wie der Perspektive vertraut sind, und deshalb Scheuh haben, ins Museum zu gehen. Oder das Museum als Ort flöst per se Respekt ein. Oder wir finden nicht die richtigen Vermittlungsformen. Dabei sind durchaus auch Migranten in den örtlichen Museen beschäftigt (Iraner, Türken, Russen) So richtig habe ich die Gründe für mich nicht klären können, aber es wäre mir wichtig, gerade auch Türken und türkisch Stämmige ins Museum einzuladen. Einen Anknüpfungspunkt sehe ich in der Mythologie als gemeinsame Grundlage der westlichen (christlichen) und östlichen (christlich-orthodoxen/ islamischen) Kultur. Letzlich ist die Renaissance die Sie nennen ja nichts anderes als die Auseinandersetzung europäischer Eliten des späten Mittelalters mit der auch über den Islam vermittelten Antike in einer Summe von Rezeptionsprozessen.
Leider ist es bisher aber trotz Angeboten nicht gelungen, mehr Migranten ins Museum zu locken.
Ähnliches stelle ich z.B. auf dem Sektor der Denkmalpflege fest. Es engagieren sich leider insgesamt wenige Migranten (ich kenne keine) für das historische Erbe.
Nun zum Ausgangspunkt des Gedankengangs, nämlich der Angst das „Deutsche“ zu verlieren, was ja eigentlich bedeutet, dass man Angst hat, das „Erbe“ zu verlieren: Ich bin mir sicher, dass wir in den nächsten Jahren eine Welle von Schließungen von Theatern, Museen und eine Welle von Abbrüchen historischer Bauten gerade in den „Städten in der zweiten Reihe“ erleben werden. Zum Teil beginnt das gerade. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Ich mache dafür nicht die Migranten verantwortlich, sondern eher unser Bildungssystem, denn viele „autochtone“ Deutsche kennen ihre Geschichte auch nicht und Kultur wird leider zunehmend zum Feigenblatt für die „Upper-Class“. Dass es uns nicht gelingt, Migranten für unser kulturelles Erbe zu gewinnen (ohne dass Sie ihre Herkunft verleugnen) ist für mich Symptom einer bisher gescheiterten Integrations- und Bildungspolitik. Insofern ist die Angst, das Erbe zu verlieren, höchst begründet. Und es hat insofern etwas Migration und Demografie zu tun, als die Interessenten an der Art von Kultur, von der ich spreche, im vorgerückten Alter sind und das junge Publikum (von dem ein relativ großer Anteil einen Migrationshintergrund hat) nicht nachrückt. Anscheinend vermitteln wir dank Konsum und Werbung vielmehr die anglo-amerikanische Kultur als werthaft, als die, die wir vor Ort haben. Dies wird, wenn wir nichts ändern, dazu führen, dass das kulturelle Erbe nicht mehr verstanden wird. Nicht verstehen führt zu Desinteresse. Und von da ist es nur ein kleiner Schritt bis zur Preisgabe. D.h. eine „Kultur“ werden wir vielleicht auch in 20 oder 50 Jahren sicherlich haben. Aber ob wir unser Erbe bewahren können, da bin ich mir ehrlich gesagt nicht sicher.
Werter Herr Frank,
die Rolle des Islams und das Verhältnis zwischen dem Islam und Christentum sehe ich (inzwischen) als ein Teil der Leitvision an. Ich habe mich sehr lange Zeit gescheut, mich an der Debatte zum Islam zu beteiligen, weil ich Religion als etwas Intimes ansehe, das nur mich betrifft. Ich sehe mittlerweile ein, dass der Islam ein unvermeidlicher Diskussionspunkt auf dem Weg zu einer gemeinsamen Leitvision ist. Daher passt das Thema schon zu meinem Kommentar, wobei m.E. die von mir geforderte Leitvision mehr ist als die Islamdebatte. Da gebe ich Ihnen Recht!
Veränderungen machen den Menschen schon immer Angst – und das überall auf der Welt. Wenn sich das bisher Gewohnte verändert, dann sind die Menschen verunsichert. Die Emanzipationsbewegung der Afroamerikaner hat die „weiße“ Bevölkerung genauso verunsichert, wie die Verbreitung der Kutsche in Europa oder später der Dampflok. Wussten Sie, dass es mal eine Regelung gab, dass Kutschen in der Nacht nur dann fahren durften, wenn ein oder zwei Menschen, mit einer Laterne vor der Kutsche den Weg beleuchteten. Da haben sich die Menschen im wahrsten Sinne des Wortes vor den technologischen Fortschritt gestellt. Oder wussten Sie, dass es Ärzte gab, die der Meinung waren, dass das Gehirn des Menschen einfrieren wird, wenn er sich mehr als 50 Km/h bewegt. Daher haben diese die Einführung von Dampfloks abgelehnt. Ängste sind natürlich und verständlich. Gleichzeitig sollte man sich bewusst machen, dass Ängste irrational oder unbegründet sein können und nicht immer etwas Schlimmes bedeuten müssen.
Ich finde Ihr ehrenamtliches Engagement sehr schön. Ich kann die von Ihnen beschriebenen Schwierigkeiten bei der Überzeugung und Aktivierung der Türken in ihrer Heimatstadt sehr gut nachvollziehen. Ich würde mich bei der Ursachenanalyse allerdings nicht nur zu sehr auf den Islam versteifen. Die Gründe für die sehr geringe Teilnahme an den kulturellen Angeboten sind sehr banal:
Die meisten Türken, die als Gastarbeiter nach Deutschland eingewandert sind, wurden hauptsächlich aus der Landbevölkerung rekrutiert. Wie Sie sich vorstellen können, gab es auf dem Land schlicht keine Museen und Theater und Konzerte. Sehr viele Türken sind schlicht nicht daran gewohnt, solche Einrichtungen zu besuchen. Dieses mangelnde Verständnis für „Hochkultur“ färbt sich auch auf die Kinder dieser Menschen ab.
Mein Freund und Geschäftsführer vom Deutsch-Türkischen Forum Stuttgart,Kerim Arpad, engagiert sich auf diesem Gebiet. Anbei finden Sie einen Link zu einem gelungenen Interview mit ihm. Aus dem Interview können Sie für Ihre Arbeit einige Tipps ableiten, wie man u.a. Türken für kulturelle Angebote begeistern könnten.
http://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/journal/interviews/-/id=659252/did=5821458/pv=mplayer/vv=popup/nid=659252/16m5ewa/index.html
Viele Grüße
Kamuran Sezer
Lieber Herr Sezer,
vielen Dank für den Link! Ich muss aber nochmals darauf hinweisen, dass meine These nicht war, dass der Islam die Partizipation am Kulturleben blockiert. Ich bin viel mehr der Meinung, dass uns der zunehmend aus den Schulen verbannte Kunst- und Musikunterricht fehlt. Wenn dann das Elternhaus nicht für Kompesation sorgt, haben wir eben ein mangelndes Interesse an Kulturthemen, die sich in den unterschiedlichen Gruppen auch unterschiedlich äußert. Den Islam habe ich nur ins Spiel gebracht, weil ich nicht weiß, in wie weit es für einen gläubigen Menschen zum Beispiel ein Probelm sein könnte, eine Türkenmadonna zu sehen oder in die Entführung aus dem Serail zu gehen.
Mein Gott ihr habt euer euch geschenktes GG erst seit 1949 – meist auch noch widerwillig angenommen. Und jetzt führt ihr euch auf, als seid ihr die Erfinder von Menschenrechten oder gar der Würde der Menschen!
Davor gab es doch bei euch nur eine Willkürherrschaft nach der anderen. Der Obrigkeitsstaat bestand doch in Westdeutschland bis 1949 und im Osten dieses Deutschalnds erst seit der so genannten „Wiedervereinigung“. Gerade die aus dem Osten sollten noch ihre Unterdrücker persönlich kennem – oder nicht!
Wie lebenswirklich sind die Deutschen eigentlich, dass sie diesen von oben geschenkten demokratischen Rechtsstaat, als ihre eigene Leistung und Errungenschaft deklarieren!?
Und was sollen „wir“ (also die autochtonen Deutschen als Konsequenz aus Ihrer Erkenntsnis ziehen? Dass wir uns jetzt verschämt in die Ecke stellen und das Grundgesetz nicht verteidigen weil wir es „geschenkt“ bekommen haben? Nur weil ich auf das Grundgesetz als etwas wertvolles hinweise, heißt es doch nicht, dass ich es als meine eigene Leistung deklariere. Verliere ich das Recht, mich an einer Diskussion zu beteiligen, nur weil aus einem Land komme, in dem eben nicht alles eitel Sonnenschein war und ist? Wer hätte dann überhaupt das Recht, zu diskutieren? Ich habe in meinen Diskussionbeiträgen, denke ich, deutlich gemacht, dass mir dieses stetige „wir“ – „ihr“ mit gegenseitigen Schuldzuweisungen nicht zielführend erscheint.
Im Übrigen: Sie verschweigen, dass Deutschland ohnehin eine „verspätete“ Nation war, also ein Nationalstaat erst seit 1871 existierte. Sie verschweigen die Revolution von 1918 und die Weimarer Republik (!).
Und weiterhin: Geben Sie einmal das Stichwort Nationalsozialismus im Opac der Deutschen Bibliothek ein. Sie werden auf eine Fülle von Literatur stoßen, über alle möglichen Aspekte. Ich denke schon, dass in Deutschland auch der dunklen Seiten der Geschichte gedacht und immer wieder darauf hin gewiesen wird, dass ein Großteil der Deutschen den Nationalsozialismus mitgetragen hat und das Grundgesetz nur nach dem Zusammenbruch des Unrechtssystems möglich war. Forschungen zur Nachkriegszeit über die Verdängung der NS-Verbrechen existieren in Fülle. Ich bin mir sicher, dass eine ähnliche Aufarbeitung auch mit der DDR stattfinden wird, mit einem gewissen Abstand, erste Anzeichen gibt es ja schon. Meiner Meinung verpflichtet uns die Geschichte Deutschland gerade dazu, die Freiheit zu verteidigen, oder wie sehen Sie dies, delice?
Vielleicht meint delice das, was Hagen Rether in diesem Video zum Ausdruck bringt:
http://www.youtube.com/watch?v=_IV3OJQNA14
(von 3:45 bis 5:10)
Ist aber nur eine Vermutung.
Hagen Rether wäre für mich ein Beweis, dass es diese Kritik an der deutschen Politik und Gesellschaft gegenüber von Muslimen genauso wie am Christentum gibt, oder?
Aber eine Antwort auf meine Frage ist das nicht: Ich habe gefragt, welche Konsequenzen wir in Deutschland daraus ziehen sollen, das wir unser Grundgesetz „geschenkt“ bekommen haben. Oder welche Konsequenzen die Christen daraus ziehen sollen, dass es einmal die Kreuzzüge gab. Sie zählen jetzt immer die (z.T. berechtigten) Kritikpunkte auf, sagen aber nicht, welchen Schluss sie daraus ziehen und was aus Ihrer Sicht konkret notwendig wäre, um hier miteinander leben zu können.
Schade, die Diskussion wird gar nicht mehr fort geführt. Meine Frage an delice und Selcuk war wirklich ernst gemeint: Was ist denn Ihre Erwartung speziell von gläubigen Muslimen an die autochtone Bevölkerung?
Ich habe heute (15. Okt.2010) erst diese Seite gelesen. Wie nicht anders zu erwarten war, sind die Probleme noch die gleichen wie vor einem Jahr. Mit einer Ausnahme: die Deutschen (nicht die Menschen mit Migrationshintergrund!) sagen heute laut und deutlich ihre Meinung zu den vielfältigen Migrantenproblemen, ungefiltert, nicht weich gespült von der politischen Korrektheit. Zu dieser heutigen Diskussion passt dieser Artikel „wunderbar“. Er offenbart uns Deutschen (nicht den Menschen mit Migrationshintergrund) welche Gesellschaft und welches „Leben“ uns in Zukunft erwartet. Dafür bin ich dem Autor zutiefst dankbar. Niemand von den Deutschen (nicht die Menschen mit Migrationshintergrund) soll später sagen können, er habe von nichts gewusst, wenn er kulturell gehäutet ist. Es ist übrigens auch erhellend, dass von Deutschen und Menschen mit Migrationshintergrund gesprochen wird. Sind die Deutschen keine Menschen oder die Menschen mit Migrationshintergrund keine Deutschen? Zum Schluss: Über den folgenden Satz habe ich gegrübelt: „Die sozioethnische Veränderung der deutschen Gesellschaft (Multikulturalisierung) ist fortgeschritten und ohne die Aufgabe oder zumindest Relativierung der demokratischen Staatsordnung eine irreversible soziale Realität.“ Ist das nun eine Drohung oder eine Verheißung?
Werte/r Anne Radack,
die von Ihnen angeführte Passage ist weder eine Drohung noch eine Verheißung. Ich würde es ehr als „mit Sorge erfüllte Konsequenz, die möglich ist und abzuwenden gilt“, umschreiben.
In einer meiner Antworten oben habe ich zur Veränderung in der Gesellschaft (und Multikuluturalisierung ist eine sichtbare Veränderung) Folgendes geschrieben:
„Veränderungen machen den Menschen schon immer Angst – und das überall auf der Welt. Wenn sich das bisher Gewohnte verändert, dann sind die Menschen verunsichert. Die Emanzipationsbewegung der Afroamerikaner hat die “weiße” Bevölkerung genauso verunsichert, wie die Verbreitung der Kutsche in Europa oder später der Dampflok. Wussten Sie, dass es mal eine Regelung gab, dass Kutschen in der Nacht nur dann fahren durften, wenn ein oder zwei Menschen, mit einer Laterne vor der Kutsche den Weg beleuchteten. Da haben sich die Menschen im wahrsten Sinne des Wortes vor den technologischen Fortschritt gestellt. Oder wussten Sie, dass es Ärzte gab, die der Meinung waren, dass das Gehirn des Menschen einfrieren wird, wenn er sich mehr als 50 Km/h bewegt. Daher haben diese die Einführung von Dampfloks abgelehnt. Ängste sind natürlich und verständlich. Gleichzeitig sollte man sich bewusst machen, dass Ängste irrational oder unbegründet sein können und nicht immer etwas Schlimmes bedeuten müssen.“
Veränderungen machen Angst. Die Multikulturalisierung als Faktum muss nicht zwingend eine Gefahr sein. Der Umgang mit ihr wird darüber bestimmen, ob sie zu einer Gefahr in der Gesellschaft werden könnte.
Die von Ihnen aufgeführte Passage, also meine Sorgen von damals, werden durch die jüngste Studie der Friedrich-Eber-Stiftung bestätigt. Rechtsextreme, ausländer- und islamfeindliche Haltungen haben in der Bevölkerung zugenommen. Der Wunsch nach einem „Führer“ oder nach einer „Diktatur“ hat ebenfalls zugenommen.
Meine Lösung, die ich in meinem Beitrag dargelegt habe, ist die Entwicklung einer gemeinsamen Leitvision als Fortsetzung der Leitkultur. Während die Leitkultur impliziert, dass eine Gruppe einer anderen Gruppe sagen kann, wie sie zu leben haben, meint Leitvision die Begegnung auf gleicher Augenhöhe. Und Letztere ist wichtig.
Ich befürchte, dass wir die Fehler der 1980er Jahre wiederholen. Der deutsche Staat und seine Akteure nehmen zunehmend die Haltung ein, dass man ohne den Dialog mit den Betroffenen über die Deutungshoheit von Integration bestimmen könnte. Hier will der Staat und seine Akteure keine Verantwortung „nach unten“ delegieren. Meiner Einschätzung nach ist dies enorm fatal!
Ich erachte es als enorm wichtig an, dass der Integrationsgipfel wieder stattfindet. Ich bin ebenso der Meinung, dass die Islamkonferenz wieder gestärkt werden sollte. Über die Debatten im öffentlichen Raum, in dem sie auch von Profit- und Machtinteressen gesteuert wird, muss der Dialog auf institutioneller Ebene geführt werden.
Solange diese öffentliche Debatte nicht nur ehrlich und ausgewogen sondern auch in einem institutionellen Rahmen gefördert wird, riskieren wir einen Rechtsruck in der Bevölkerung. Das ist meien Sorge..!