EU-Agenda Türkei
Zehn-Schritte-Plan, Marshall Studie
In dieser Woche der EU-Agenda der Türkei werden zwei Themen angesprochen: Zunächst werden die zehn Schritte des Fahrplans zur Eröffnung von zwei Verhandlungskapiteln im EU-Beitrittsprozess behandelt. Anschließend werden die Ergebnisse der Studie "Transatlantische Tendenzen", die vom German Marshall Fund ausgearbeitet wurde, zusammengefasst.
Von GastautorIn Donnerstag, 24.09.2009, 13:36 Uhr|zuletzt aktualisiert: Samstag, 21.08.2010, 13:13 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Zehn-Schritte-Plan
Der Zehn-Schritte Plan für die neuen zwei im EU-Prozess zu eröffnenden Kapitel ist bereit: Unbegrenzte Freiheit für das Internet, Vorbereitung der Arbeiten für die neue Verfassung, Gründung der Anstalt für nationale Menschenrechte.
Die Türkei hat für die Öffnung der Kapitel „Justiz und Grundrechte“ sowie „Gerechtigkeit, Freiheit und Sicherheit“ während der am 1. Januar 2010 von Spanien zu übernehmenden EU-Ratspräsidentschaft einen Zehn-Schritte Fahrplan ausgearbeitet. Demnach werden im zweiten Halbjahr 2009 die Arbeiten für die zivile Verfassung eingeleitet, der Internet-Zugang vollkommen von Beschränkungen befreit, die Transparenz der Ausgaben in Wahlzeiten mit einem Gesetz festgelegt und die Justizreform gemäß dem Kalender verwirklicht.
Staatsminister und Verhandlungsführer Egemen Bagis gab im Anschluss an die Tagung zu den Reformen in Trabzon die gefassten Beschlüsse bekannt und sagte, der Schlüssel für einen erfolgreichen Abschluss dieser schwierigen Zeit liege in den politischen Reformen. Bei der Tagung seien zu erfüllende Themen bewertet worden. Den Zehn-Schritte-Fahrplan gab er wie folgt bekannt:
- Zivile Verfassung: Anhand einer umfangreichen Verständigung würden die Arbeiten für eine zivile Verfassung eingeleitet und abgeschlossen.
- Freies Internet: Die Einschränkungen beim Zugang zu Internetseiten wie zum Beispiel Youtube würden aufgehoben. Die Umsetzung von Artikel 301 des türkischen Strafgesetzes würde mit Aufmerksamkeit verfolgt.
- Wahlausgaben: Der Gesetzentwurf über Grundsätze der Wahlen und Wählerregistrierungen, der auf eine Transparenz der Ausgaben bei Wahlzeiten zielt, wird legalisiert.
- Ombudsmann: Für die Steigerung des Einflusses von Nichtregierungsorganisationen wird eine Anstalt der Ombudsmänner gegründet.
- Unabhängigkeit der Justiz: Die im Aktionsplan der Justiz-Reform-Strategie aufgeführten Absichten und Ziele werden in angegebener Zeit umgesetzt.
- Die Strategie für Korruptionsbekämpfung wird in kürzester Zeit gebilligt.
- Menschenrechtsanstalt: Der Kampf gegen Diskriminierung wird sich mit internationalen Verantwortungen decken. Das Zusatzprotokoll zur UN-Antifolterkonvention wird gebildet.
- Beschlüsse des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte: Die Überwindung der Probleme bei der Umsetzung von Beschlüssen gegen die Türkei.
- Grenzeinheit: Die Gründung einer Grenzsicherheitseinheit, die dem Innenministerium unterstellt ist.
- Minderheitenrechte: Herbeiführung von umsetzbaren Lösungen gegenüber Kritiken an der Türkei. Einer vom German Marshall Fund durchgeführten Studie zufolge steigen die Erwartungen der türkischen Öffentlichkeit hinsichtlich der Europäischen Union erneut.
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Ich finde es eine gute Sache, dass die Türkei nun auch politisch umstrittene, zugleich aber auch für den Beitritt – vor allem aber für das Land selber – wichtige Verhandlungskapitel eröffnen kann. Jedes Land muss Veränderungen durchlaufen, um dem Acquis Communautaire der EU gerecht zu werden, da sollte natürlich auch bei der Türkei keine Ausnahme gemacht werden.
Ich habe mich vor einiger Zeit mal ausführlich mit dem EU-Beitritt Rumäniens auseinander gesetzt und musste auch feststellen, dass dort zeitweise die Identifizierung der Bevölkerung mit der EU bis zu 90 % betrug. Es ist nicht verwunderlich… für kein beitrittswilliges Land! Die EU hat sich mittlerweile zu einer Wertegemeinschaft entwickelt, deren Zielsetzungen durchaus löblich sind. Doch sollte man auch nicht vergessen, dass das ganze Projekt vor allem als Wirtschaftsunion angefangen hat. Oder wieviel sagt der Name ‚Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl‘ über geteilte und gemeinsam dafür zu kämpfende politische Werte aus? Gar Nichts! Nach dem Zweiten Weltkrieg war das Ziel vor allem eins: die Herstellung von Frieden. Dies ging zu dem Zeitpunkt nur durch wirtschaftliche Integration. Der ’spill-over‘ auf andere Bereiche kam nach und nach.
Die EU ist kein statisches Konzept und das ist mehr als nur positiv, wenn man auf die Entwicklung in den letzten 50 Jahren zurückblickt. Sie steht heute für Werte, die über rein wirtschaftliche Interessen hinausgehen. Trotzdem ist das wirtschaftliche Kalkül immer noch ein wichtiger Aspekt in der europäischen Integration, das darf man nicht vergessen. Die Türkei hat sich schon in den frühen 60er Jahren auf die Reise Richtung Europa begeben und es dürfte wohl auch noch einige Jahre dauern, bis es tatsächlich soweit ist. Ich denke nicht, dass irgendeines der beigetretenen Länder aus reiner Nächstenliebe in die EU ist. Jedes Land hat seine Gründe. So auch die Türkei.
Ich denke, wenn die Türkei weiterhin an sich arbeitet und die EU ihre Scheuklappen abnimmt, wird es am Ende zu einer Hochzeit kommen. Es darf nicht sein, dass Türkei-Kritiker die gefassten Zusagungen und den Status der Türkei als Beitrittskandidaten anzweifeln und so ihre eigene Glaubwürdigkeit verspielen.
„Pacta sunt servanda“ Verträge sind einzuhalten. Und dass der Türkei seit mehr als 40 Jahren die Aussicht auf einen Beitritt gestellt wird, sollte Grund genug sein nicht alles in Frage zu stellen. Diese wäre nur fair. Fair für die Türkei und die Türken und auch fair für die europäische Bevölkerung. Denn das Nichteinhalten von in der Vergangenheit getätigten Aussagen trägt nicht zu einer Verständigung bei.