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OECD-Studie

Migranten haben auch bei gleichem Bildungsniveau schlechtere Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt

In Deutschland und Österreich sind Defizite bei den Höherqualifizierten besonders ausgeprägt - in der Schweiz gelingt die Arbeitsmarktintegration von Migranten vergleichsweise gut. Eine Erklärung könnte sein, dass in Deutschland und Österreich die Erwartung vorherrscht, dass Migranten eher gering qualifiziert sind.

Freitag, 16.10.2009, 8:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:45 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Nachkommen von Einwanderern haben in Deutschland und Österreich deutlich schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt als junge Menschen mit zumindest einem im Inland geborenen Elternteil. Dies gilt auch, wenn sie das gleiche Bildungsniveau erreichen. In der Schweiz gelingt die Arbeitsmarktintegration der sogenannten „zweiten Generation“ dagegen vergleichsweise gut. Zu diesem Ergebnis kommt eine Vergleichsstudie zur Arbeitsmarktintegration (pdf, 1,3MB, engl.) der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die gestern in Paris vorgestellt wurde.

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Zum ersten Mal liegen mit dieser Studie Vergleichszahlen für 16 OECD-Länder zur Arbeitsmarktintegration der im Inland geborenen Nachkommen von Migranten vor. Die Daten sind ein wichtiger Indikator für den Integrationserfolg, da sowohl die Nachkommen von Migranten als auch die Vergleichsgruppe ohne Migrationshintergrund (schließt auch Personen mit nur einem im Ausland geborenen Elternteil ein) ihre gesamte Sozialisation und Ausbildung im gleichen Land erhalten haben. Die Studie ist Teil eines gemeinsamen Projektes von OECD und Europäischer Kommission und wurde Anfang Oktober in Brüssel unter Fachleuten diskutiert.

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Geringqualifizierte unter Migrantenkindern deutlich überrepräsentiert
In Deutschland ist unter den 20 bis 29-Jährigen mit Migrationshintergrund der Anteil der Geringqualifizierten ohne Abitur oder abgeschlossene Berufsausbildung doppelt so hoch wie in der gleichen Altersgruppe ohne Migrationshintergrund, in Österreich sogar dreimal so hoch. Auch bei den PISA-Studien zeigt sich ein ähnliches Bild: Der vergleichsweise hohe Anteil an Geringqualifizierten bei den 20 bis 29-Jährigen mit Migrationshintergrund korrespondiert in Deutschland und in Österreich mit großen Defiziten, die Jugendliche mit Migrationshintergrund in ihren schulischen Leistungen aufweisen.

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In Deutschland scheint das Berufsbildungssystem die schulischen Defizite etwas aufzufangen: Der Rückstand von jungen Erwachsenen mit Migrationshintergrund ist bei den Ausbildungsabschlüssen etwas geringer, als der Rückstand von Migrantenkindern bei PISA erwarten ließe. In Österreich ist es dagegen umgekehrt: Hier gehen große schulische Defizite einher mit noch größeren Defiziten bei der Berufsausbildung.

Auch in Luxemburg, Dänemark, den Niederlanden und Belgien zeigt sich ein ähnliches Bild. Ganz anders in der Schweiz: hier zeigen die PISA-Studien ebenfalls schulische Defizite bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Dennoch liegt bei jungen Erwachsenen mit Migrationshintergrund der Anteil der Geringqualifizierten auf dem gleichen niedrigen Niveau wie bei der Vergleichsgruppe ohne Migrationshintergrund. Studien Wirtschaft

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  1. Markus Hill sagt:

    Zitat:
    „So haben in Deutschland 90 Prozent der 20 bis 29-jährigen hochqualifizierten Männer ohne Migrationshintergrund einen Arbeitsplatz. Bei der vergleichbaren Gruppe mit Migrationshintergrund sind es dagegen nur 81 Prozent. Bei den Geringqualifizierten gibt es hingegen kaum Unterschiede (56 Prozent für Personen ohne Migrationshintergrund und 54 Prozent für Nachkommen von Migranten). Ein ähnliches Bild ergibt sich in Österreich. Allerdings haben hier geringqualifizierte Nachkommen von Migranten sogar tendenziell eine höhere Beschäftigungsquote als geringqualifizierte Personen ohne Migrationshintergrund.“
    Das klingt recht erfreulich. Das heisst – je nach Sichtweise – dass man ungefähr 10 % „Lücke“ hat. (Wenn ich es richtig verstehe). Man hätte da eigentlich schlechtere Ergebnisse erwarten können – die besagte Lücke wird sich wohl durch verstärkte positive Erfahrungen von Bewerbungen mit Migrationshintergrund schliessen. Vielleicht wird auch das Thema mit grösserem Wohlwollen und Interesse in der Öffentlichkeit diskutiert. (Definitiv ein Prozess und eine Zeitfrage. Das Problem wird ja nicht geleugnet, deshalb sind solche Studien gut.
    Ärgerlich: Die Überschrift des Artikels suggeriert genau das Gegenteil dieses Ergebnisses. Dieser gepflegte „Pessimismus“/Tendenz-Journalismus erscheint mir unnötig und wenig konstruktiv für die Migrationsdebatte).

  2. Krause sagt:

    Ich finde die Werte 90% und 81% auch sehr gut. Schließlich muß man Bedenken, dass nicht alle migrantischen Akademiker perfekt deutsch sprechen. Da hat man natürlich und zu Recht einen Nachteil gegenüber anderen Bewerbern.

    • Non-EU-Alien sagt:

      Es geht hier um Nachkommen von Migranten und nicht um hier ausgebildete ausländische Studenten, die zuerst nur zu Studienzwecken nach Deutschland gekommen sind. Mit anderen Worten: Es geht hier um Bildungsinländer!

      • Krause sagt:

        Non-Eu-Alien
        „Es geht hier um Nachkommen von Migranten und nicht um hier ausgebildete ausländische Studenten, die zuerst nur zu Studienzwecken nach Deutschland gekommen sind.“

        Na, die können aber auch nicht immer gut deutsch. Kleine Anekdote: Ein Freund von mir hat mal als Jura-Assistent eine staatsrechtliche AG unterrichtet. Da meinte ein türkisch-stämmiger Student zu einem Grundsrechtsfall: „Eh Mann, die Frau hat voll krass ein Problem mit der Menschenwürde.“ Der Kollege (bin selbst Jurist) war intelligent, aber mit solch einer Ausdrucksweise im mündlichen Staatsexamen gibt es in jedem Fall einen Abzug in der „B-Note“.

  3. Boli sagt:

    Was soll die Diskussion eigentlich. Es war schon immer so, das das authochtone Volk sich zurerst bedacht hat. Glaubt irgend jemand das das in der Türkei oder einem anderen Land großartig anders ist? Die USA kann man hier nicht zählen, da die Bevölkerung von Anfang an durch Einwanderer gestellt wurde.

  4. AB sagt:

    Hallo,

    nach dem Studium habe ich meine Koffer gepackt und habe Deutschland Richtung USA verlassen. (Und ich scheine nicht die Einzige zu sein, die Deutschland verlässt:
    http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,554163,00.html
    http://www.spiegel.de/unispiegel/jobundberuf/0,1518,645054,00.html.)
    Auch sind mehrere Versuche, mich wieder in Deutschland niederzulassen, gescheitert.

    Ich bin in D geboren, spreche Türkisch leidlich und sehe Deutsch als meine Muttersprache an. Ich selbst habe auch oft erlebt, dass mein türkischer Name hinderlich war, als ich mich in Deutschland bewarb.

    Man müsste mal hinterfragen, warum diese Schüler mit Migrationshintergrund keinen Abschluss machen. (Na ja, was nützt ein Abschluss, wenn man dann doch keine Chancen hat? :-( ) Leider sind solche Schüler auch oft mit Klischees konfrontiert, so dass sie oft trotz guter Noten einen Zweig niedriger in der Schule eingestuft wurden. Ich hatte Glück, dass man mich fürs Gymnasium vorgeschlagen hatte.

    Die einseitige Berichterstattung über Migranten tut ihr Übriges:
    „Das Bild, das in Deutschland von Migranten herrscht, ist häufig klischeebehaftet und einseitig.“
    Quelle: http://www.migazin.de/2009/04/24/migration-wahlkampfe-und-medien/

    Bzw. diese einseitige Berichterstattung ist aus „medialem Interesse“ erwünscht:
    „Innenministerium will „medial interessante Themen“
    Gestützt wird dieser Eindruck von einer Umfrage des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge unter Muslimen: Hierzulande nehme die „große Mehrzahl“ der Schülerinnen und Schüler aus muslimisch geprägten Ländern am Sportunterricht teil, steht dort zu lesen.
    Ganz unverhohlen räumt das Ministerium denn auch ein, das Thema vor allem wegen der öffentlichen Aufmerksamkeit auf die Agenda der Islamkonferenz gesetzt zu haben. Auf Nachfrage von tagesschau.de sagte eine Sprecherin, die tatsächliche Zahl der vorliegenden Fälle habe nicht den Ausschlag gegeben: „Man sucht sich halt die medial interessanten Themen.“ “
    Quelle: http://www.tagesschau.de/inland/islamkonferenz102.html

    Mich ärgert es z. B., dass türkische Frauen oft mit Kopftuch in den Medien gezeigt werden. Ich selbst trage kein Kopftuch; niemand in unserem Verwandten- und Bekanntenkreis trägt ein Kopftuch (außer meiner Großmutter, und die aus Gewohnheit).

    Ich bin jedoch erfreut, dass jetzt differenzierter geforscht wird. Vorher wurde immer die Tatsache, dass Schüler mit Migrationshintergrund keinen Abschluss machten, hervorgehoben. Jetzt zeigt eine andere Studie (was viele von uns schon wussten), dass oft ein guter Abschluss nichts bringt.

    Mal sehen, was die Politik dazu sagen wird.

    Krause schrieb:
    „Schließlich muß man Bedenken, dass nicht alle migrantischen Akademiker perfekt deutsch sprechen.“

    Glauben Sie mir, auch „perfektes“ Deutsch hat nicht weitergeholfen. :-) Oft ist es auch wieder die Sichtweise: Wenn Sie einen Tippfehler machen, verzeiht man es Ihnen eher als mir. Bei Ihnen ist es ein Versehen, bei mir ein Fehler.

    LG

    • Markus Hill sagt:

      „Glauben Sie mir, auch “perfektes” Deutsch hat nicht weitergeholfen. Oft ist es auch wieder die Sichtweise: Wenn Sie einen Tippfehler machen, verzeiht man es Ihnen eher als mir. Bei Ihnen ist es ein Versehen, bei mir ein Fehler.“
      Sie haben ja die vielen Punkte oben gut erläutert. Und es ist auch nicht in Ordnung, wenn man die Leute wegen einem bestimmten Fehlverhalten anderer (die türkischen Eltern sind zum grossen Teil die Verursacher, aber auch der Schlüssel für die Lösung) pauschal „abkanzelt“ und unter Umständen ganze Karrieren und Lebensläufe – oft unbewusst – ins Wanken bringt. Die Deutschen, die nachweislich so reagieren – es gibt sie – tun dass wohl in der Regel aus Selbstschutz und auch aus Effizienzgründen. Ähnlich wie die Orientierung an Vorurteilen Aufwand ersparen können ist es wohl so, dass man es als zu äufwendig betrachtet, genauer hinzuschauen oder das persönlich Gespräch zu suchen. Aus Unternehmersicht verständlich – für den Bewerber (nicht nur türkische) im Extremfall ein „k.o.-Erlebnis“.(Eine Lösung fällt mir leider dazu nicht ein).

      • Erkan sagt:

        Markus

        „Die Deutschen, die nachweislich so reagieren – es gibt sie – tun dass wohl in der Regel aus Selbstschutz und auch aus Effizienzgründen. “

        Kannst du mal bitte erläutern, was du unter dieser Phrase meintest, die Logik darin scheint mir ein wenig undurchsichtig!

        • Markus Hill sagt:

          Ganz einfach, Vorurteile ersparen das Denken und Prüfen. Ehe man irgendwelche Risiken eingeht, schüttet man sozusagen „das Kind mit dem Bade aus“ und kehrt alles über einen Kamm. Mit den von uns hier oft diskutierten Folgen.

        • Markus Hill sagt:

          PS: Oder auch eine andere mögliche Erkärung – den Leuten ist es den Aufwand nicht wert, sich überhaupt mit dem türkischen Bewerber und seiner Bewerbung ernsthaft auseinanderzusetzen. „Man hat ja schon gehört, dass…“, d. h. negatives Gerede und/oder negative Presse führen dazu, dass man sich von vorneherein verschliesst. In der Regel kommt wohl noch dazu, dass sich die Arbeitgeber ohnehin ihre Bewerber aus einer grossen Masse von Bewerbern aussuchen können.

  5. Johanna sagt:

    „Jetzt zeigt eine andere Studie (was viele von uns schon wussten), dass oft ein guter Abschluss nichts bringt.“

    Was möchten Sie mitteilen?

    Dass man sich in Zukunft überhaupt nicht mehr anzustrengen braucht, da das sowieso nichts bringt?

    Na toll!

    • Non-EU-Alien sagt:

      Das ist IHRE Schlußfolgerung, die Sie uns hier aufzwingen wollen. Konstruktiv ist das nicht…

    • Markus Hill sagt:

      Diese von AB angeführte Perspektive empfinde ich als nicht sehr vielversprechend für die Zukunft der angesprochenen Problemgruppen bei den türkischen Migranten. Klingt etwas „wehleidig“ und resigniert. Vielleicht ist das auch nur eine temporäre Stimmung. Hoffentlich täuscht er sich zumindest zu einem bestimmten Teil bezüglich der unzureichenden Motivation der Schüler. Es wäre allen im Lande (auch natürlich AB!) zu wünschen.
      Zu der Pflege der kultivierten „Opfereinstellung“ hatte ich gestern in einem anderen Zusammenhang in ZEIT-online gefunden, einen interessanten Kommentar (passt zu unserer Diskussion und zum Beitrag oben):
      “Die türkische Bildungsmisere – eigentlich eine Schande für die Community in einem System wie unserem mit kostenlosem Service vom Kindergarten bis zum Hochsschulstudium für alle ! – wird der deutschen Sklavenhaltergesellschaft aufgebürdet.
      Diese Dauerbeschallung der türkischen Öffentlichkeit durch Hürriyet und andere, die sie zum weiteren Versagen geradezu ermutigt, indem sie Opferlegenden baut, ist viel schädlicher als die einzelnen Rufe irgendwelcher Hinterhof-Hassprediger.”
      http://blog.zeit.de/joerglau/2008/06/09/turk-obama_1195

  6. Boli sagt:

    @AB

    Die Situation ist heute auch eine ganz andere als in den 60er Jahren. Da haben die Arbeitgeber drum gebettelt bei ihnen zu arbeiten. Nur diese Zeiten sind schon lange vorbei. Früher war so viel Arbeit da, das die deutsche Wirtschaft zusätzliche Arbeiter anwerben musste und jetzt ist es umgekehrt. In den USA bekommst Du in der Regel leichter einen Job, wobei ich dazu sagen muss das wenn es Diskriminierung gibt Du als Türkin wohl denke ich nicht so betroffen bist oder wärst, wie z.B. Afroamerikaner seit Jahrzehnten. Du hast also daher mehr Chancen. Allerdings hängt Deine Zukunft noch mehr als in Deutschland davon ab ob die Arbeit die Du hast relativ sicher ist. Ansonsten sitzt man recht schnell wieder auf der Straße, weil diese Sicherheiten wie in Deutschland gibt es in den USA nicht.

  7. Jens sagt:

    Lesetip dazu:

    http://www.zeit.de/2009/05/B-Vietnamesen

    Das vietnamesische Wunder

    Die Kinder von Einwanderern aus Vietnam fallen durch glänzende Schulnoten auf. Ihr Erfolg straft Klischees der Integrationsdebatte Lügen


    So geht’s auch! Ohne Hartz IV, ohne Gejammer und ohne Integrationskonferenz.

    • Markus Hill sagt:

      Aus Ihrem Artikel zitiert, recht beeindruckend:
      „Keine andere Einwanderergruppe in Deutschland hat in der Schule mehr Erfolg als die Vietnamesen: Über 50 Prozent ihrer Schüler schaffen den Sprung aufs Gymnasium. Damit streben mehr vietnamesische Jugendliche zum Abitur als deutsche. Im Vergleich zu ihren Alterskollegen aus türkischen oder italienischen Familien liegt die Gymnasialquote fünfmal so hoch. »Die Leistungen vietnamesischer Schüler stehen in einem eklatanten Gegensatz zum Bild, das wir sonst von Kindern mit Migrationshintergrund haben«, sagt die brandenburgische Ausländerbeauftragte Karin Weiss.“
      Vielleicht sollten die türkischen Verbände und die deutsche Seite (Land/Bund) einmal zusammensetzen und sehen, was man von diesen Migranten lernen kann. Vielleicht könnten einige der Vietnamesen sozusagen als „Schülerlotsen“ in Lernfragen für Türken und Deutsche, Beispiel, eingesetzt werden. Damit würde man zusätzlich auch noch einmal dieser Einwanderergruppe gegenüber eine besondere Wertschätzung aussprechen.

  8. AB sagt:

    @Johanna
    “ “Jetzt zeigt eine andere Studie (was viele von uns schon wussten), dass oft ein guter Abschluss nichts bringt.”

    Was möchten Sie mitteilen?

    Dass man sich in Zukunft überhaupt nicht mehr anzustrengen braucht, da das sowieso nichts bringt?“

    Nein, ich habe nicht gesagt, dass man sich überhaupt nicht mehr anzustrengen braucht. Eine Frage an Sie: Lassen wir alles andere mal beiseite und konzentrieren wir uns auf den einen Aspekt, dass Akademiker mit Migrationshintergrund schlechtere Karten haben. Was sagen Sie dazu?

    Ich glaube nicht, dass ich wehleidig bin. Resigniert? Ja. Ich hatte genug, als Mensch zweiter Klasse behandelt zu werden. Ich möchte nicht auf der Basis von Klischees beurteilt werden, sondern als Individuum. Die Würde des Menschen ist unantastbar, heißt es. Wo bleibt meine Würde? Muss ich mir Verbalinjurien gefallen lassen? Was ist mit dem Gleichstellungsgesetz?

    Einer der Gründe, warum die Türken schlechter integriert sind, ist, dass diese ständig kritisiert werden, oft wo es nichts zu kritisieren gibt; ständig werden alle in denselben Topf geworfen; ständig wird von der deutschen Leitkultur gesprochen, als ob Türken Barbaren wären. Ständig der gehobene Zeigefinger gegenüber den Nicht-Türken. So isoliert man die Menschen nur.

    Und warum werden Kinder, die 2. und 3. Generation in Deutschland sind, immer noch als Ausländer bezeichnet und so behandelt? Das isoliert auch.

    Ich möchte Teil der Gesellschaft werden, aber man lässt mich nicht. Die Barrieren sind in den Köpfen der Deutschen und Nicht-Deutschen. Ein Italiener oder Franzose z. B. wird als ein Ausländer erster Klasse angesehen, d. h., „besser“ als die Türken.

    Beide Seiten haben Schuld und müssen Ihr Übriges tun, aber ich bin mir nicht immer sicher, ob Deutschland für die Integration bereit ist. Denn es gibt nicht nur ein Gefälle zwischen Deutschen und Türken und ihren Nachkommen, sondern auch ein Gefälle zwischen Westdeutschen und Ostdeutschen:

    http://www.welt.de/politik/article3775359/Ost-und-Westdeutsche-entfernen-sich-voneinander.html

    http://www.bundesregierung.de/nn_640294/Content/DE/Namensbeitrag/2008/08/2008-08-16-chefbk-saechsische-zeitung.html

    Ich hatte einfach irgendwann genug und bin ausgewandert: Heißt das, dass ich Deutschland und die Deutschen nicht mag? Nein, natürlich nicht. Ich wollte einfach nicht mehr in dieser Atmosphäre leben.

    Ich möchte kein Mitleid. Von Täter-Opfer-Darstellungen halte ich auch wenig. Ich möchte lediglich meinen Platz im Leben finden. Nun bin ich in D geboren und aufgewachsen. Warum darf ich denn dort nicht bleiben und arbeiten?

    LG

    • Johanna sagt:

      „Ich möchte Teil der Gesellschaft werden, aber man lässt mich nicht.“

      Gestern abend sah ich bei „Anne Will“ im ARD Güner Balcin. Sie hatte derart vernünftige Ansichten, dass es eine Freude war, ihr zuzuhören. Sie kehrte nichts unter den Tisch, sehr zum Verdruss von Herrn Mutlu.

      Sie ist auch türkischstämmig und hat es geschafft.

      http://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%BCner_Yasemin_Balci

      • Selçuk sagt:

        Es wäre falsch zu behaupten, dass Deutschland nicht die Möglichkeit bieten würde, dass Migranten hier in diesem Lande Karriere machen können. Wenigstens aus meiner eigenen Erfahrung kann ich sagen, dass es gegenüber meinen ehemaligen Lehrern und Lehrerinnen absolut unfair wäre, denen ich für eine gute schulische Bildung dankbar bin. Mein Dank geht natürlich auch an Deutschland, das mit diese Möglichkeiten gegeben hat. Es wäre aber ebenfalls falsch zu behaupten, dass es in der Realität gar keine Benachteiligungen in dieser Hinsicht gäbe. Es gibt leider traurige Erfahrungen, die einige Migranten machen mussten/müssen. An dieser Stelle möchte ich meine Meinung loswerden, dass Schuldzuweisungen zu nichts führen. Wir müssen erkennen, dass es UNSER gemeinsames Problem ist, das wir lösen müssen.

        Nun möchte ich kurz auf die gestrige Sendung von Anne Will eingehen, bzw. auf Ihr Kommentar zu Frau Balcı. Sie sagen, dass es für Sie eine Freude war, dieser Dame zuzuhören. Wenn ich mir die komplette Sendung genauer angucke und das, was sie gesprochen hat, ist es für mich schwer zu erahnen, was Sie genau meinen. Ab der 11. Minute sagt sie: „…, dass allein der Mangel an Deutschkenntnissen das Problem ist, …“. Der Rest Ihrer Aussagen basieren auf Ihren eigenen Erfahrungen, die natürlich keineswegs zu unterschätzen sind. Ich würde mich freuen, wenn sie eine wissenschaftliche Arbeit darüber schreiben würde, in dem wir alle Ihre Behauptungen nachvollziehen könnten.

        Auf welche Aussagen von Ihr beziehen Sie sich? Dass es viele Familien gibt, die nicht möchten, dass Ihre Kinder in dieser Gesellschaft teilnehmen und auch noch Karriere machen? Nebenbei bemerkt wurde das von niemandem in dieser Runde geleugnet, auch von Herrn Mutlu nicht. Die Verärgerung von Herrn Mutlu hatte andere Gründe, wie die Tatsache, dass in den Medien sogut wie nur negative Meldungen im Bezug auf Integration zu sehen/hören/lesen sind. Also nochmal die Frage: Was für vernünftige Ansichten der Frau Balcı sprechen Sie da an?

        Danke für Ihre Antwort.

        • Johanna sagt:

          Perfektes Deutsch ist sowieso das A und O.

          Frau Balci berichtete über ihre eigenen Erfahrungen aus dem Milieu, in dem sie aufwuchs, und über ihre spätere Tätigkeit als Sozialarbeiterin. Darauf bezog ich mich.

          Herr Mutlu hätte am liebsten für alle Schulen Geldmittel, die so nicht zu leisten sind (Rütli-Schule).

          • Selçuk sagt:

            „Perfektes Deutsch ist sowieso das A und O.“
            Perfektes Deutsch ist nicht das A und O. Auch ich kann kein perfektes Deutsch. Gute Deutschkenntnisse sind völlig ausreichend, wobei abhängig von der Fachrichtung unterschiedliche Anforderungen gestellt werden. Für die meisten Berufe werden gute Sprachkenntnisse meiner Meinung nach ausreichend sein, wenn man genug Fleiß und Motivation mitbringt.

    • Markus Hill sagt:

      „Ich möchte Teil der Gesellschaft werden, aber man lässt mich nicht. Die Barrieren sind in den Köpfen der Deutschen und Nicht-Deutschen. Ein Italiener oder Franzose z. B. wird als ein Ausländer erster Klasse angesehen, d. h., “besser” als die Türken.“
      Ich stimme Ihnen zu, dass ist nicht zu leugnen. Türken haben pauschal gesehen ein schlechtes Image in Deutschland, da ist nichts zu beschönigen. Die Dinge wandeln sich aber. Die meisten Leute in meiner Generation haben in der Regel türkische bzw. türkisch-stämmige Freunde (Deutsche Staatsbürger!!! – und das nicht 2. Klasse!!!). In der Regel differenzieren die schon sehr genau. Natürlich sehen die aber auch, dass viele Dinge im Argen sind. Natürlich ist man UNGEDULDIG (deshalb vielleicht auch manchmal sehr hart in den Aussagen) und möchte, dass die problemverursachenden Gruppen langsam einmal in eigener Sache (Bildung!) Fahrt aufnehmen. (Das hat jedoch nichts mit Ihrer Person zu tun).
      Sie schreiben von West- und Ostdeutschen. So hoffnungslos, auch in Bezug auf Türken und Deutsche, erscheint mir die Lage nicht. Ich halte das mit den Ossies etc. für einen Mythos. Vor der Maueröffnung haben sich die Rheinländer über die Bayern lustig gemacht, danach über die Sachsen. Vieles läuft da eher auf der Ebene von „Rivalität“ von Düsseldorf und Köln.:-)
      Ich finde es geht, dass Sie da trotz widriger Umstände etwas Abstand von diesem „Opferkult“ genommen haben. (Das heisst nicht, dass die oben beschriebene Behandlung durch Deutsche in Ordnung ist).

  9. AB sagt:

    @ Johanna

    „Sie ist auch türkischstämmig und hat es geschafft.“

    Ich habe es auch geschafft. Es heißt ja nicht, dass Akademiker mit Migrationshintergrund gar nicht angestellt werden. Es geht darum, dass Akademiker mit Migrationshintergrund es schwieriger haben. Außerdem arbeitet Frau Balcin in einem Metier, wo es einfacher ist.

    Sie sind meiner Frage ausgewichen. :-) Was sagen Sie denn nun zum Befund der OECD?

    LG

  10. Werner sagt:

    Was die Studie m.E. völlig unbetrachtet läßt, sind die Leistungen der Absolventen. Meine Erfahrung speziell mit türkisch-stämmigen Absolventen ist, dass sie selten zu den Top10 gehören. Sorry, aber das sind meine Erfahrungen. Es gibt Ausnahmen, aber die meisten schwimmen so im Dreier- und Vierer-Bereich mit.

    Man darf bei solchen Untersuchungen nicht nur das „Bildungsniveau“ betrachten. Man muß auch die Abschlußnote berücksichtigen!

    Und: Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit werden natürlich auch von Firmen benachteiligt – sprich: erst an zweiter Stelle berücksichtigt. Ist das jetzt auch eine Diskriminierung?

    • Selçuk sagt:

      „Meine Erfahrung speziell mit türkisch-stämmigen Absolventen ist, dass sie selten zu den Top10 gehören. Sorry, aber das sind meine Erfahrungen.“
      Sind Sie Dozent an einer Hochschule? Wenn ja, würde ich Sie bitten, etwas detaillierter drauf einzugehen.

    • Markus Hill sagt:

      Sie haben Recht. Man muss sich das im Einzelfall ansehen. Man kann Bewerbungen absolut ungezielt schreiben – auch Deutsche. Der eine schreibt 9 Bewerbungen und bekommt 3 Einladungen, der andere 170 und nur eine. Die hier oft angeführte magische Zahl 10 (Verhältnis Mehraufwand „Türkischer Bewerber“) aus einer Studie trifft es meiner Ansicht nach nicht den Kern von Bewerbungsverfahren. Es könnte ggfs. bedeuten, dass jeder türkische Bewerber zur Sicherheit 100 Bewerbungen schreibt, um überhaupt Chancen zu haben auf Einladungen – etwas übertrieben dargestellt, natürlich. Das wäre dann mehr Verzweiflungstat als eine gezielte Bewerbungsaktion. Ich glaube nicht, dass das unbedingt die mehrheitlich anzutreffende Praxis ist (Untersuchungen dazu sind mir leider nicht bekannt).
      Diskriminierung ist wie der Begriff Rassismus in der Diskussion mittlerweile völlig „verschlissen“. Eigentlicher Wortsinn: Eine Unterscheidung treffen, Ungleiches ungleich zu behandeln ist nicht unbedingt eine Todsünde.
      Richtig, viele Ausländer werden das Nachsehen haben. Schön – fair – gerecht? In Einzelfällen bestimmt begründbar (fliessende Deutschkenntnisse, der Arbeitgeber sieht nur Unterlagen, keine Zeit für persönliches Interview – dann greift man halt zu dem Deutschen), in der Regel aber dem Einzelfall nicht gerecht werdend (Gibt es das überhaupt?).
      ABER: Es gibt eine sehr unfaire Behandlung in Fällen, wo allein der türkische Name schon eine KO-Karte darstellt. Das sollte nicht verleugnet werden. Bei Mietverhältnissen ist das absolut Praxis. Es trifft viele, die da keinerlei „Schuld“ haben.
      Vielleicht stören Sie sich an dem belasteten und oft missbrauchten Begriff „Diskriminierung“ – der Begriff „Benachteiligung“ (oft systematisch) trifft es auch. Den Tatbestand würde ich als Realität aber anerkennen.