Mordprozess
Marwa-Mörder verantwortet sich unter hohen Sicherheitsvorkehrungen
Im Juli hatte der tragische Tod Marwa El-Sherbinis, die in einem Gerichtssaal von einem 28-jährigen aus islamfeindlichen Motiven erstochen wurde, ganz Deutschland erschüttert. Heute beginnt der Prozess unter hohen Sicherheitsvorkehrungen.
Montag, 26.10.2009, 8:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 05.09.2010, 0:53 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Im Dresdner Landgericht beginnt heute der Prozess um den Mord an der schwangeren Muslimin Marwa El-Sherbini, die am 1. Juli in einem Gerichtssaal erstochen wurde. Der Täter ist wegen Mordes an der schwangeren 31-Jährigen und versuchten Mordes an ihrem 32-jährigen Ehemann angeklagt. Für den Prozess, der unter strengen Sicherheitsauflagen stattfindet, sind bislang elf Verhandlungstage bis zum 11. November vorgesehen.
Marwa El-Sherbini war Anfang Juli als Zeugin im Prozess gegen den 28-jährigen Alex W. eingeladen. Es ging um eine Beleidigung. Alex W. hatte die Kopftuch tragende Frau im Sommer 2008 auf einem Spielplatz als „Islamistin“, „Terroristin“ und „Schlampe“ beschimpft. Während der Verhandlung zog der Angeklagte ein Küchenmesser und stürmte auf die Zeugin los. Marwa erlag ihren schweren Verletzungen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mörder einen „ausgeprägten Hass auf Nichteuropäer und Moslems“ als Motiv für seine Tat vor. Ein Gutachter erklärte Alex W. inzwischen für voll schuldfähig.
Für den Prozess gelten strenge Sicherheitsauflagen. Im Schwurgerichtssaal wurde unter anderem eine mobile Wand aus fünf Zentimeter dicken Panzerglas eingebaut, der Zuschauer und Prozessbeteiligte trennt. Etwa 200 Polizisten sollen das Gerichtsgebäude absichern.
Der islamfeindliche Mord hat die islamische Welt und die Muslime in Deutschland sehr bewegt und zahlreiche Proteste und Großdemonstrationen ausgelöst. Das Institut für Medienverantwortung ruft deshalb die deutschen Medien dazu auf, zum Mordprozess umfassend und kritisch zu berichten. Es gehe auch um den Ruf Deutschlands, seiner Justiz und seiner Polizeibeamten. „Gerade im Ausland wird man kritisch beobachten, ob die deutschen Behörden und Medien selbstkritisch mit dem tragischen Ereignis umgehen“, erklärte die Institutsleiterin, Dr. Sabine Schiffer.
Schiffer bemängelte zudem die mangelhaften Sicherheitsvorkehrungen im Gerichtssaal, obwohl der Täter in seiner ersten Vernehmung gedroht habe, „Waffen oder Sprengstoff“ mitzubringen, wenn er welche gehabt hätte. Einem Bericht der Süddeutschen Zeitung zufolge habe der Ehemann von Marwa El-Sherbini aus diesem Grunde Strafanzeige gegen den Gerichtspräsidenten und den Vorsitzenden Richter des Verfahrens eingereicht. „Wir versuchen gegen den Polizisten und gegen das Gericht selbst ein Verfahren anzustrengen“, sagte auch der Bruder des Opfers Tarek El-Sherbini, der Badischen Zeitung mit Hinweis auf den Polizeibeamten, der während der Messerattacke in den Gerichtssaal stürmte und statt auf den Angreifer auf Marwas Ehemann schoss, der versucht hatte, seine Frau zu schützen. „Schließlich ist Marwa nicht in einem Supermarkt, sondern in einem Gericht ermordet worden“, sagt er. Also liege ein Teil der Verantwortung bei der Justiz. Gesellschaft
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So abscheulich auch der Mord an der Muslimin Marwa El-Sherbinis ist, wird doch eines bitter deutlich, dass die Angst vor dem sogenannten Fremden nicht nur ein Thema von Menschen ohne Migrationshintergrund auf der einen Seite und Menschen mit Migrationshintergrund auf der anderen Seite ist.
Es leben Menschen unterschiedlicher Herkunft in Deutschland, die natürlich ganz unterschiedliche Wertesysteme haben. Das ist eine Realität. Es ist doch dann nur natürlich, wenn Menschen, die ganz verschiedene Werte und Anschaugen haben, die Nähe zu dem vermeidlich Anderen oft nicht ertragen können. Dieses ist aber nichts Neues, wie die Geschichte und Gegenwart anderer Einwanderungsländer zeigt. Das Üben von Tolerranz ist ein gesamtgesellschaftliches Projekt, und fordert eine Bringschuld von allen Menschen in diesem Land, die an einer offen und solidarischen Gesellschaft interessiert sind.
Dieser Vorfall ist leider keine Singularität, sondern spiegelt die innere Zerrissenheit dieser Gesellschaft wider. Die Hauptschuld dieses schrecklichen Ereignisses liegt nicht bei den Protagonisten, dies wäre doch zu einfach, sondern bei der Politik, die sich dei dem Thema Integration als zu beschränkt erwiesen hat.
Markus Eisgruber
So einfach ist es denn auch nicht.
Die Schuld liegt ganz unzweifelhaft bei dem Täter.
Die Gesellschaft ist aktuell keinesfalls innerlich so zerrissen, dass solche Taten gutgeheißen würden.
Selbst die Schreibtischtäter, die mit ihrem Appell an die Fremdenfeindlichkeit durch verschiedene Phrasen wie z.B. „Fördern und Fordern“ sind über solche Taten erschrocken und können sich den Mitwirkungsanteil ihrer Integrationspolemik kaum vorstellen.
„Die Gesellschaft ist aktuell keinesfalls innerlich so zerrissen, dass solche Taten gutgeheißen würden.“
Richtig, das sehe ich ähnlich. Es erscheint mir deshalb umso verwerflicher, dass da bestimmte Leute/Verbände zu versuchen, die Tat zu instrumentalisieren. Weniger um des Opfer Willens, sonder wollen eher um sich selbst etwas aus der Kritiklinie zu bringen. Ich tue mich schwer mit der Politik-Medien-Schelte, dass diffuse Umfeld hat meiner Ansicht nach immer weniger Einfluss als persönliche Faktoren. Nicht alle Computerspieler werden zu Killern – allein anhand dieser Diskussion sieht man, auf was für einem schlüpfrigen Argumentationsfeld man sich bewegt. Da ist bis heute noch Streit, Widerspruch – wie generell in diesem Feld. Die oft kritische oder unkritische Kommentierung von Islam-Fragen in Deutschland kann ich (die Anzahl dieser Fälle, die man „konstruiert“, scheint keineswegs steigend) mit DIESEM Vorfall nicht in Verbindung setzen. Ich bezweifele, ob der Mörder überhaupt richtig die Tagespresse verfolgt. Sollte er diese getan haben, wird er da keine Mordaufrufe gesehen haben. Genauso wie die ständige, kritische Berichterstattung über Heuschrecken und überzogene Boni nicht zu Mordaufrufen an Bänkern umgedeutet werden sollten. (Die Instrumentalisierung im Nachhinein halte ich für eine zu durchschaubare Absicht, die Medien bei der gegenwärtigen Prozessberichterstattung erscheint mir da wesentlich besonnener – es gibt ja auch berechtigterweise viele offen Kritikpunkte, wie z. B. das Verhalten der Polizei etc.).