Die Mär vom
Spieglein, Spieglein an der Wand…
Anlässlich der Feierlichkeiten zur Gründung des Ministeriums für Auslandstürken in der Türkei sprach der Türkische Premier Recep Tayyip Erdogan vor zahlreichen Vertretern türkischer Minderheiten und Moscheevertretern aus dem Ausland.
Von Ekrem Senol Freitag, 05.02.2010, 8:12 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 05.02.2014, 7:23 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Erdogan hob die Bedeutung des Ministeriums für die Auslandstürken hervor und definierte klare Ziele für den Beauftragten: „Was ist der Kern oder die Gemeinsamkeit all der verschiedenen Gruppen, die hier anwesend sind? Ich würde sagen: das Bekenntnis zur eigenen kulturellen Identität. Das vereint Sie, verbindet Sie und das lässt Sie trotz unterschiedlicher Lebenssituationen auch immer wieder zusammenfinden und dem Beauftragten sagen, worum es eigentlich in der Ausführung dieser Aufgabe geht. Ich glaube, es ist auch richtig und wichtig, dass wir uns immer wieder vergegenwärtigen, dass es ein ureigenes und auch ein ganz natürliches Bedürfnis ist, die eigene Sprache zu sprechen und die eigenen Traditionen, Sitten und Bräuche zu leben und zu beleben. Genau das soll auch in der Zukunft weitergeführt werden.“
In seiner Rede ging Erdogan auch auf Probleme mit Staaten ein, die sich eine Einmischung der türkischen Regierung nicht wünschen. „Das ist nicht immer einfach gewesen; da gab es dicke Bretter zu bohren. Das wird in gewisser Weise auch so bleiben. Es gab eine Menge Skepsis gegenüber unserer Unterstützung. Wir haben immer versucht, dieses Misstrauen abzubauen, allerdings mit einem klaren Kompass, nämlich dass es unser Recht und unsere Pflicht ist, diese Minderheiten auch außerhalb der Türkei zu unterstützen.“
Im weiteren Verlauf seiner Rede zitierte Erdogan den türkischen Innenminister Besir Atalay: „Die Qualität einer freiheitlichen Gesellschaft bewährt sich nicht zuletzt darin, wie mit Minderheiten umgegangen wird und wie sich Minderheiten in einer Gesellschaft fühlen.“ Dabei legte Erdogan auf dieses „Fühlen“ ausdrücklich Wert: „Es kann ja sein – das ist auch im Gespräch mit den Titularnationen immer wieder möglich –, dass die meisten finden, alles sei in Ordnung, nur die, um die es geht, fühlen das nicht. Deshalb will ich ausdrücklich sagen: Es geht darum, dass sie sich gut fühlen, und nicht, dass wir oder dass andere Länder glauben, sie täten schon alles, was notwendig ist. Das ist die Grundlage des Gesprächs.“
Faruk Celik, Beauftragter für Auslandstürken, hingegen machte auf die Notwendigkeit von türkischen Schulen im Ausland aufmerksam: „Im Zuge einer so verstandenen Hilfenpolitik kommt der Sprachförderung und der Förderung eines türkischen Schulwesens, das an die Bedürfnisse der türkischen Minderheit anknüpft, eine zentrale Bedeutung zu.“
Eine klare Ansage
Viel Stoff für kontroverse Diskussionen. Erdogan gibt unmissverständlich vor, dass sie die Minderheiten außerhalb der Türkei dabei unterstützen werden, ihre kulturelle Identität, ihre Sprache, Traditionen, Sitten und Bräuche zu erhalten – zur Not auch gegen den Willen der Titularnationen. Denn entscheidend sei, wie sich die Türken im Ausland fühlten. Sich dafür einzusetzen sei das Recht und die Pflicht der Türkei. Der türkische Beauftragte hingegen scheint die Debatte um türkische Schulen in Deutschland erneut entflammen zu wollen. Insgesamt eine klare Ansage an alle Staaten, in denen türkische Minderheiten leben. Meinung
Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.
MiGGLIED WERDEN- Fachkräftemangel vs. Abschiebung Pflegeheim wehrt sich gegen Ausweisung seiner Pfleger
- „Diskriminierend und rassistisch“ Thüringer Aktion will Bezahlkarte für Geflüchtete aushebeln
- Verwaltungsgerichtshof Nürnberg muss Allianz gegen rechts verlassen
- Ein Jahr Fachkräftegesetz Bundesregierung sieht Erfolg bei Einwanderung von…
- Brandenburg Flüchtlingsrat: Minister schürt Hass gegen Ausländer
- Chronisch überlastet Flüchtlingsunterkunft: Hamburg weiter auf Zelte angewiesen
Es ist doch zumindest für uns Deutschtürken wichtig zu sehen, dass
sowohl Deutschland als auch die Türkei daran interessiert sind etwas zu tun.
Wettbewerb belebt den Markt.
Will die Türkei vielleicht die Rückkehr der Deutschtürken vorbereiten oder wollen Sie
das Vertrauen wieder aufbauen, damit stärker Investitionen in der TR getätigt werden?
Oh-oh, das wird nicht besonders gut ankommen in Deutschland.
Den Beitrag sollte man wirklich, wirklich, wirklich bis zum Ende lesen :)
Dieser Artikel ist wunderbar gelungen; er stellt auf so einfache, spielerische und gleichzeitig sehr intelligente Art und Weise die Inkonsistenzen sowie verwendeten Doppelstandards der deutschen Politik in Bezug auf ihre eigenen – neuen – Minderheiten und den deutschen Minderheiten ausserhalb der BRD dar. Gäbe es einen Preis für „beste Artikel“, dann würde ich diesen auf jeden Fall mit einem belohnen.
Danke für die Blumen! :)
ein pi-leser (eurabier nennt er sich charmant) kommentiert diesen artikel wie folgt: „Da können wir IntegrationsbeauftragtInnen einstellen bis zum Abwinken, das neugegründete türkische Kolonialisierungsministerium sieht das aber anders, ein eigener Thread sollte das Theman behandeln:“
herrlich! wer zu ende lies, ist klar im vorteil :) ein eigener thread zum thema wird es bei pi aber nicht geben, lieber eurabier. :)
Seit Erscheinen dieses Kommentars frage ich mich, wo die ganzen Geister hin sind, die sich bei jeder bietenden Gelegenheit über die unmögliche türkische Einmischung beschweren. Wo seid ihr? Lasset uns diskutieren!
Danke, Herr Senol! Besser hätte man es nicht machen können.
Selbst Trolle sind da stumm :)
Sie kommen noch, sicherlich! Die Frage ist nur, ob dies dann zu einer sachlichen Diskussion führt. Meine Vermutung ist eher die, dass es nicht der Fall sein wird. Ich hoffe, dass ich mich irre!
Die Erfahrung zeigt in der Tat, dass die meisten Leser dann kommentieren, wenn sie etwas auszusetzen bzw. zu kritisieren haben. Einsicht zeigt man – sofern man es überhaupt hat – nicht offen.
Danke auch Ihnen für die Blumen :)
Ich kann, offensichtlich als einer der Wenigen, dem Tenor des Artikels nicht zustimmen. Die türkischstämmige Bevölkerung in Deutschland und die Integration derselben brauchen vieles, aber ganz sicher keine zusätzlichen Störfeuer aus Ankara.
Eine Balkanisierung, also dauerhafte ethnische und damit ethische Zersplitterung Deutschlands kann nicht im Interesse unserer Integrationspolitik sein. Assimilation muss auf lange Sicht das Ziel sein.
Davon ab stechen mir zwei DInge bei diesem betont eindimensionalen (Erdogan wird kritiklos rezipiert, Merkel attackiert) Artikel besonders ins Auge:
„Die Qualität einer freiheitlichen Gesellschaft bewährt sich nicht zuletzt darin, wie mit Minderheiten umgegangen wird und wie sich Minderheiten in einer Gesellschaft fühlen.“
Man lasse sich dieses Bonmot auf der Zunge zergehen! Muss nun künftig von der Türkei als Schurkenstaat gesprochen werden?
„Im Zuge einer so verstandenen Hilfenpolitik kommt der Sprachförderung und der Förderung eines türkischen Schulwesens, das an die Bedürfnisse der türkischen Minderheit anknüpft, eine zentrale Bedeutung zu.“
Da kann man sich als Angehöriger einer oftmals marginalisierten Minderheit (in meinem Falle: Niederländer) nur an den Kopf packen! Ist es Türken unmöglich, ihre Kinder bilingual zu erziehen? Zu den Problemen der türkischen Gemeinschaft in Deutschland gehören ganz sicher nicht mangelhafte Türkischkenntnisse. Umgekehrt wird ein Schuh draus!
Grüße
Bierbaron
Da hat es wohl jemand nicht verstanden…
@ Senol
„Die Garantie ihrer [gemeint sind Minderheiten in Deutschland] jeweiligen kulturellen Identität ist uns ein wichtiges Anliegen. So, wie wir mit den Minderheiten umgehen, die bei uns leben, so erwarten wir auch, dass Titularnationen mit den deutschen Minderheiten umgehen.“
Gut gemacht Herr Senol. Dennoch ein kleiner Einwand. Mit Minderheiten meint Merkel wahrscheinlich nur, seit alters her bestehende Minderheiten (Dänen, Sorben), die von Deutschland wirklich hervorragend behandelt werden. Ich bezweifele, dass eingewanderte Minderheiten diesen Sonderrechte bekommen sollen. Deutschland ist ja jetzt Einwanderungsland und da kann nicht jede Migrantengruppe Sonderrechte bekommen – wer sollte dies bezahlen, und es wurde ja auch niemand gezwungen nach Deutschland einzuwandern.
Man kann die Aussage drehen und wenden wie man will: Angela Merkel meint schließlich auch nicht deutsche Minderheiten im Ausland, die seit alters her in den jeweiligen Ländern leben. Auf der anderen Seite meint sie – bezogen auf Minderheiten im Inland – neben den Dänen und Sorben aber auch Sinti und Roma.
@ Mehmet
Inwiefern habe ich den Text nicht verstanden? Es wäre konstruktiver wenn du mir sagtest, was ich denn im Konkreten nicht exakt verstanden habe.
@ Ekrem Senol
Deutsche Minderheiten gibt es von Warschau bis nach Sibirien.
Wie Frau Merkel das Wort „Minderheit“ nun genau meinte (allgemein oder Minderheit im Sinne des Gesetzes), wird aus dem Migazin-Artikel nicht ersichtlich.
Grüße
Bierbaron
> Die Erfahrung zeigt in der Tat, dass die meisten Leser dann kommentieren, wenn sie etwas
> auszusetzen bzw. zu kritisieren haben. Einsicht zeigt man – sofern man es überhaupt hat – nicht offen.
Naja, die Erfahrung zeigt auch, Herr Senol, dass Ihre Moderatoren ihr Amt allzugern als Zensoren verstehen! Wenn hier Beiträge willkürlich gelöscht werden, dann verliert man natürlich die Lust! Dazu ist mir meine kostbare Zeit zu schade.
Zum Artikel: ja der Überraschungseffekt ist gelungen. Hier werden aber Äpfel mit Birnen verglichen. Beides Obst mag man einwenden. Aber wie Krause schon schreibt, wird der Begriff Minderheit staatsrechtlich nur auf angestammte Minderheiten angewendet. Gerade die Türkei ist bei diesem Punkt doch sehr pingelig!! Selbst angestammte Minderheiten (Beispiel Kurden) haben es schwer, ihre kulturelle Identität beizubehalten.
Und wollen die Türken bei uns sich allen Ernstes mit den Deutschen in Osteuropa vergleichen? Haben Sie sich mal mit dem Schicksal der Millionen Menschen deutscher Volkszugehörigkeit in der ehemaligen SU beschäftigt?
Ihr Schmunzeln kommt mir sehr zynisch vor!! Was würden sie sagen, wenn ich über das Schicksal der Türken auf dem Balkan „schmunzeln“ würde?
So kommen wir doch nicht weiter.
Ändern Sie für den Anfang doch mal den wenig gelungenen Titel „Migration in Germany“. Wir sind doch hier in Deutschland. Außerdem assoziiert der Name eine Binnenmigration, dabei geht es doch wohl um Einwanderer. Besser, wenn auch unter Verlust des Wortspiels, wäre z.B. Immigration nach Deutschland.
Und: Ministerium für Auslandstürken – so was Ähnliches gibt es meines Wissens bereits. Nicht als eigenständiges Ministerium, aber als Abteilung. Wahrscheinlich im Außenministerium. Aber jeder der türkisches Leser möge sich fragen, was denn wohl dieses Ministerium für ihn oder sie gemacht hat.
Das wird nicht viel sein. Auch Herr Erdogans Auftritt in Köln war wohl mehr für die türkische Galerie in der Heimat.
Nur so viel dazu: Die Moderation hat lediglich die Aufgabe, Kommentare die gegen die Netiquette und Recht (wir legen es lieber eher eng aus) verstoßen oder vom ursprünglichen Thema ausweichen, nicht freizuschalten.
Einerseits ziehen Sie Vergleiche mit Minderheiten in der Türkei, andererseits lehnen Sie eine Vergleichbarkeit von Türken im Ausland mit Deutschen im Ausland aber ab. Das erinnert mich an Aschenputtel: Die Guten ins Töpfchen … Ich habe auf das Band, in der die Rede von Angela Merkel und noch viele weitere Reden drin sind, verlinkt. Sie können sich selbst ein Bild davon machen, welche Deutschen in welchen Ländern gemeint sind. Im Kern geht es doch aber darum, dass Deutschland sich – zu Recht – um die kulturelle Identität von Auslandsdeutschen kümmert und sich dafür zuständig fühlt – egal was die Titularnationen davon halten.
Nein, so ist mein Schmunzeln bitte nicht zu verstehen. Mein Schmunzeln bezieht sich auf das Spiegelbild.
Meines Wissens befindet es sich in der Gründungsphase. Insofern hat es bisher nicht viel getan, da haben Sie Recht. Aber auch unabhängig von diesem Ministerium, hat die Türkei nicht viel unternommen für seine Auslandstürken. Da sind wir einer Meinung. Die Türkei hinkt Deutschland um 22 Jahre hinterher.