Anzeige

Cem Gülay

„Deutschland braucht die Jugend – und die Jugend braucht Deutschland“

Kein Hollywood-Streifen. Aber ein Leben wie im Film: Als 20-Jähriger startete Cem Gülay seine Gangsterkarriere. Er war in einer Bande organisiert. Sie betrogen und erpressten gewerbsmäßig. Nach sieben Jahren stieg er aus. Heute ist Cem Gülay 39 Jahre alt und Buchautor: „Türken-Sam: Eine deutsche Gangsterkarriere“, hat er gemeinsam mit Helmut Kuhn geschrieben. Er erzählt in seiner Autobiografie über das Leben als Gangster und warnt die Politik vor einer verfehlten Migrationspolitik. Journalist und Autor Murat Ham im Gespräch mit Cem Gülay.

Von Freitag, 19.03.2010, 8:05 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 05.09.2010, 17:34 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

MiGAZIN: Sie sprechen gutes Deutsch und haben Abitur gemacht an einem bürgerlichen Gymnasium in Hamburg. Dann folgte kein Studium, sondern eine Gangsterkarriere. Was sind die Hintergründe?

Cem Gülay: Mich hat der Alltagsrassismus im Handel, bei der Ausländerbehörde, aber auch in der Schule belastet. Beispielsweise habe ich während eines High-School-Jahres in Florida mitbekommen, dass schwarze und weiße Schüler die Anti-Diskriminierungs-Gesetze respektieren. Rassistische Bemerkungen werden mit Schulverweis geahndet. Doch Deutschland tut sich schwer. Hier herrscht eine andere Realität.

___STEADY_PAYWALL___

MiGAZIN: Was meinen Sie genau?

Anzeige

Gülay: Als ich zum Beispiel noch Gymnasiast war, wurde ich zum Schülersprecher gewählt. Aber ich habe dieses Amt aus einem Grund wieder abgegeben: Der Schuldirektor sagte, er könne keinen türkischen Schulsprecher dulden. Das war wie ein Schlag ins Gesicht.

MiGAZIN: Sie haben als Gangster etliche Opfer krankenhausreif geschlagen und wollen heute die Jugend schützen …

Gülay: Am Ende geht es um Respekt. Ich wollte als Gangster respektiert werden. Ich suchte meine Chance und fand die Akzeptanz nicht in der deutschen Gesellschaft, sondern im kriminellen Milieu. Der Weg war nicht richtig. Das weiß ich heute auch. Viele Deutsch-Türken fühlen sich ausgegrenzt. Ich kenne das Gefühl.

Murat Ham ist in Braunschweig geboren, Diplom-Politikwissenschaftler und ausgebildeter Journalist. Er besitzt mehrjährige Berufserfahrung als Redakteur bei namhaften Print- und Funkmedien und als Redaktionsleiter in der Unternehmenskommunikation. Murat Ham lebt und arbeitet in Berlin. Mehr über ihn unter www.murat-ham.de.

MiGAZIN: Welches Ziel hat das Buch?

Gülay: Ich weiß genau, wie die Jugend heute im Ghetto tickt. Ob Berlin-Neukölln oder andere soziale Brennpunkte in Deutschland, viele Jugendliche haben keine Perspektive. Sie sind wütend und fühlen sich benachteiligt. Die Politik darf die Generation nicht für verloren erklären. Migrantenkinder sollten nach Quoten vermehrt in deutschen Schulen verteilt werden. Ich will eine echte Chancengleichheit für alle. Deutschland kann sich auch keine brutale Jugend leisten. Deutschland braucht die Jugend – und die Jugend braucht Deutschland. Interview

Zurück zur Startseite
MiGLETTER (mehr Informationen)

Verpasse nichts mehr. Bestelle jetzt den kostenlosen MiGAZIN-Newsletter:

UNTERSTÜTZE MiGAZIN! (mehr Informationen)

Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.

MiGGLIED WERDEN
Auch interessant
MiGDISKUTIEREN (Bitte die Netiquette beachten.)

  1. Dybth sagt:

    Grundsaetzlich stimme ich Ihnen zu, aber Sie koennen es keinem veruebeln, dass Sie in die Ecke Kelek’s gestellt werden, wenn man Ihre vorhergehenden Posts liest.

    Uebrigens:
    Es gibt keine Re-Islamisierung der tuerk. Gesellschaft. Es gab den Islam in der Tuerkei schon immer, wurde aber durch den diktatorisch angelegten Staatsapparat unterdrueckt. Jetzt wird es nur sichtbarer, weil auch viele aus der Unterschicht zu der Mittelklasse aufsteigen und die sog. Elite (immer beschuetzt durch das Militaer) an Macht verliert.

    ich hoffe, dass es die Tuerkei schafft, ueber solche Banalitaeten hinweg zukommen, und sich den wahren Problemen widmet.

  2. sunset sagt:

    Neben den vielen „Unintegrierten“ gibt es ja auch eine „andere“ Sorte von Deutsch-Türken.Diese befinden sich in restlos allen Berufssparten.Bei der Polizei z.B. sind diverse Kommissare türkischer Abstammung.

    DAS sehen die Fans von Henryk Broder und Necla Kelek nicht.Sie wollen das auch garnicht.

    Ich erlebe (wie gesagt) selber immer wieder,wie erstaunt Leute sind,wenn sie hören,dass ich türkischer Herkunft bin.Auf der anderen Seite werden diverse andere Migranten als Türken eingestuft,obwohl sie KEINE sind.
    JEDE Frau mit Kopftuch ist in den Augen von manch einem,eine Türkin.Und jeder südländisch aussehende Mann ein Türke.(Dabei sehen ja nichtmal alle Türken südländisch aus.Es gibt ja auch blonde,blauäugige.Vor allem die aus dem Schwarzmeerraum entsprechen nicht dem Klischee).
    Tagtäglich begegnen Deutsche integrierten Türken ohne es zu merken.
    Das ist sehr armselig.

    Wenn ich nicht mit Leuten persönlichen Kontakt habe,sondern nur über e-mails kommuniziere,erlebe ich manchmal,dass ich aufgrund meines türkischen Namens unfair behandelt werde.
    Persönlich fair behandelt wurde/werde ich auch nicht immer.Eine Mitarbeiterin an der Uni hat mich mal gefragt,ob ich nicht lieber in meiner „Heimat“ studieren möchte.
    Die Gründe für diese unfaire Behandlung liegen manchmal tatsächlich daran,dass vor mir ein Nazi-Hirn steht.Oft ist dieses Verhalten aber auch auf vorangegangene negative Erfahrungen mit Türken zurückzuführen.
    Daher bin ich wütend auf beide Gruppierungen:Auf Deutsche und auf nicht-integrierte Deutsch-Türken.
    Wie dem auch sei…
    Ich persönlich muss mir das ab Herbst 2012 nicht mehr antun.Ich freue mich auf Istanbul und hoffe,dass mir sehr viele folgen werden.(Danach sehen aktuelle Zahlen sogar aus).

    An die Türkischstämmigen hier im Forum:
    Egal ob wir uns in einigen Dingen einig sind oder nicht.Fakt ist,dass wir hier in Deutschland unsere Energie verschwenden.
    Wandert alle aus!Es muss nicht die Türkei sein.Einige Freunde von mir sind auch nach Kanada und in die USA gegangen.Die Hintertür zu den Vereinigten Staaten lasse sogar ich mir noch offen.

    Ich wünsche euch jedenfalls Alles Gute im Leben !

    • Petersen sagt:

      Hallo Sunset,

      ganz kurz eine Frage, die ich ebenso an alle türkischstämmigen hier im Forum richten möchte. Man hört ja oft die Klage türkischer Mitbürger, dass man bei einer Bewerbung öfters mal gefragt wird, wo man herkommt, ob man türkische Vorfahren hat, irgendwas in der Art. Vielen scheint das nicht so recht zu gefallen.

      Was mich jetzt interessieren würde: was wäre denn das Ideal eines Vorstellungsgespräches in dieser Hinsicht?
      1) gar keine Fragen über meine Herkunft. Eventuelles Spezialwissen, wie z.b. perfekte Kenntnisse der türkischen Sprache, könnten dann natürlich ebenfalls unerwähnt bleiben.
      2)Fragen zu meiner Herkunft nur über Dinge, die im Job anwendbar sind, z.b. Sprachkenntnisse oder kulturelle Kenntnisse.
      3)frei von der Leber. Ich habe kein Problem damit und unterstelle meinem Gegenüber auch keins.

      Vielen Dank für Eure Antworten!
      Petersen

      • Selçuk sagt:

        Ich persönlich habe überhaupt kein Problem damit, wenn man mich nach meiner Herkunft fragt. Warum soll ich denn auch etwas dagegen haben, solange (!) die Person doch nur Interesse zeigt und keine bösen Gedanken sich hinter der Frage verbergen. Ich muss aber auch anmerken, dass ich nicht in Deutschland geboren bin. Bei Vorstellungsgesprächen (es waren nur internationale Konzerne) habe ich diesbezüglich keine negativen Erfahrungen gemacht. Es macht auch einen guten Eindruck, denke ich, wenn jemand wie ich, der seit ca. 13 Jahren in Deutschland lebt, verhandlungssichere Deutschkenntnisse vorweisen kann. Es soll aber bitte nicht so dargestellt werden, als sei es eine Ausnahme. Es ist lobenswert, so wie es auch in den Vorstellungsgesprächen ausgesprochen wurde, und zeigt eine besondere Leistung. Ich fände es natürlich bedauernswert, wenn man aufgrund seiner Herkunft abgelehnt wird, ich weiß nicht, ob es in meinem Fall vorkam.

      • cem gülay sagt:

        Lieber Petersen,sie können alles Fragen als Chef.Entscheidend ist immer ,der Ton macht die Musik!Wenn Sie reinen Herzens Sind,kann Ihnen kein Mensch was.LG

        • Petersen sagt:

          Danke für Eure Antworten!

          „Entscheidend ist immer ,der Ton macht die Musik“

          Genauso denke ich auch. Viel Erfolg Euch allen weiterhin!

          Grüße
          Petersen

      • Mehmet sagt:

        Fragen über die Herkunft sind kein Problem. Ein Unternehmen sollte einen Arbeitnehmer aus reinen Argumenten des Unternehmensvorteils betrachen: Ist diese Ressource (Human Ressource) für mich sinnvoll? Welche Aspekte der Ressource sind vorteilhaft, welche nicht? Dann abwägen und entscheiden. Kulturelle Aspekte sollten auf keinen Fall zum Ausschluss führen (es sei denn, diese sind eindeutig nachweisbar nachteilig für das Unternehmen). Dies schließt jedoch ein „Er ist ein Türke. Das wird nicht gern gesehen“- definitiv aus. Man könnte behaupten, dass man dadurch evtl. Umsatzeinbußen haben könnte. Jedoch wird sich sonst nie an dem Bild „Das wird nicht gern gesehen“ etwas ändern, wenn niemand den ersten Schritt wagt. Das bedeutet, dass man Deutschtürken aufgrund der Herkunft diskriminieren würde. Hier könnte man zB über eine „Ausländerquote“ nachdenken. Wenn jemand dagegen ist, sollte er/sie aber auch sagen, wie man dieses Problem sonst in den Griff bekommen könnte. Denn diese Diskriminierung ist nicht nur hypothetisch, sondern real!

  3. Jo sagt:

    Also, ich finde es in keinster Weise tolerierbar, das man alles auf den Türken schiebt!!!! Es gibt andere Migrantengruppen, die sich auch daneben benehmen. Aber auf die wird nicht mit den Finger ge-
    zeigt!!! Klar gibt es Türken, die sich nicht integriert haben in der deutschen Gesellschaft. Aber man
    darf nicht den Fehler begehen, und alle sofort in einen Pott reintun. Ich habe Türken kennengelernt
    die voll integriert sind. Die Hochschulabschlüsse absolviert haben etc. Ich bin Spanier und selber
    ein Ausländer! Auch ich bin schon Mal Opfer von rassistischen Anfeindungen gewesen!! Aber ich
    sag ja nicht, das alle Deutsche Nazis sind.

  4. sunset sagt:

    Gracias a mi amigo !!!!!!

    P.S.:
    ALLES sollte man tatsächlich nicht auf Türken schieben.Mir ist bewusst,dass so manch ein Nazi hinter einer vermeintlich „harmlosen Kritik“ steckt.
    Ich hingegen möchte einfach,dass sich ein (leider täglich negativ auffallende) Teil der Türken weniger asozial verhält.
    Meine Absicht ist ganz sicher nicht,eine ethnische Gruppe,der ich selber angehöre,schlechtzumachen.
    Im Gegenteil:
    Ich möchte,dass sie sich bessern.

  5. malisimo sagt:

    Hi Cem! Ich habe diese Diskussion mitverfolgt und die Doku über Dein Buch im TV gesehen. Ein paar Gedanken von mir: Ich bin der Meinung, dass der Anfang allen Übels in der Familie liegt, egal ob deutsch oder türkisch oder sonstwas. Wenn Du in Deiner Familie Gewalt erlebst, übernimmst Du es als Konfliktlösung. Das prägt Dein Selbstbild. Schlimm genug, wenn Du erleben musstest, dass Deine eigene Mutter von Deinem Vater körperlich angegriffen wurde. Ich habe es in anderer Art erleben dürfen. Nicht offen gewalttätig, aber verbal (später dann sogar auch körperlich). Und das ist, glaube es mir, genauso schlimm und hinterlässt tiefe Narben. Aber genau an diesem Punkt ist es wichtig, dass Kinder und Jugendliche, egal welcher Herkunft, lernen, dass dieses Fortführen der Konfliktlösung ungeeignet ist. An diesem Punkt sind wir Männer mehr denn je für unsere Kinder gefordert. Egal welcher Herkunft. Respekt beginnt in der Familie. Respekt beginnt bei der eigenen Frau. Glaube es mir, wir Männer sind insgeheim die Hosenscheißer. Guck Dir mal diese ganzen verklemmten Nazi-Schergen an, die dieses Unheil im Dritten Reich über uns gebracht haben. Eigentlich ist es unglaublich, dass diese Waschlappen ein ganzes Volk hinter sich gebracht haben. Die steckten doch voller Minderwertigkeitskomplexe. Aber auch in anderen Kulturen ist es (heute noch) so. Vielleicht haben wir Deutschen daraus ein bisschen mehr gelernt, als andere. Auch wenn dabei ein „verweichlichtes“ Männerbild entstanden ist, das sich auch wieder neu finden muss. Und da fängt unsere Arbeit an, egal, ob Migrant oder Einheimischer. Respektiere die Anderen. Respektiere die Alten, die so wertvoll sind, für die Gesellschaft, Respektiere andere Kulturen, von denen wir so viel lernen können. Respektiere die Frauen, die so viel stärker und verantwortungbewusster sind, als wir Männer. Das hat vielleicht nicht so viel mit Deinen Erfahrungen zu tun, die Du mit den Deutschen gemacht hast. Aber die Schwarz-Weiß-Malerei bringt uns auch nicht weiter. Ich glaube nicht, dass das Anderartigsein allein dafür verantwortlich ist, dass es zu solchen Konflikten kommt, wie Du sie erlebt hast. es ist nicht nur die „andere“ Gesellschaft Schuld, sondern auch immer das Selbstbild, das wir durch unsere Familie und unsere Herkunft in uns tragen. Too much?

    • cem gülay sagt:

      Hi Malisimo.Klar nimmt die Familie eine wichtige Rolle ein,aber Du hast mir gerade noch gefehlt.Eine Doku gesehen und wahrscheinlich Freud gelesen und schon weisst Du,was bei mir schief gelaufen ist.Ich glaube nicht,dass ich der‘ anderen Gesellschaft‘ die Schuld gebe.Auch betreibe ich keine Schwarz-Weiss-Malerei.Die ,die das Buch gelesen haben,werden es zumeist bestätigen.Mein Vorschlag,lese mal zuerst das Buch,auch wenn es von mir kommt.Ich verstehe nicht, warum man sich so schwer tut ,mein Buch zu lesen.Jeannette Goddar’s Rezension(Parlament.de)hat mir einen Grund offenbart.Sonst habe eine weitere Buch Empfehlung.Hummel Dum!Ein wichtiger Beitrag für die Gesellschaft. und Konfliktbewältigung.

  6. cem gülay sagt:

    Sorry muss meinen letzten Beitrag zurücknehmen.Es wird wohl erstmal schlimmer werden.Die Mehrheitsgesellschaft hat anders entschieden.Sie wollen eine knall harte rechts ausgerichtete Politik.Viel Glück dabei

  7. Pragmatikerin sagt:

    Ich habe hier eine Diskussion gelesen(alle 16 Seiten) von Deutschen und Migranten, die mich sehr beeindruckt hat.

    Alle Aussagen wurden im april 2010 gemacht und sind immer noch Aktuell.

    Freuen würde ich mich, wenn ein Forenteilnehmer wie Mehmet, Frank, Sunset, cem gülay die Thematik – die ja noch nicht ausgestanden ist – weiterführen würde.

    Ich habe gelernt, wie sich zivilisierte Menschen „duellieren“ und trotzdem akzeptieren. :-)

    Pragmatikerin