Deutsche Islamkonferenz
Demokratische Streitkultur
Nicht nur in der Fußball-Bundesliga hat fast jeder dritte Profi mittlerweile keinen ursprünglich deutschen Namen mehr, was auf eine andere Herkunft schließen lässt. Ähnlich wie im Fußball leben immer Menschen mit Migrationhintergrund unter uns und wählen Berufe, wie Ärzte, Rechtsanwälte, Polizisten und Hochschullehrer.
Von GastautorIn Donnerstag, 08.04.2010, 7:44 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 05.09.2010, 17:41 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Sie, die „Migranten-Fußballer“ sind Leistungsträger geworden, ohne sie würde z.B. der populäre Breitensport in Deutschland nicht funktionieren. Der größte Anteil dieser Migranten haben türkische Wurzeln und ihr größtes Kapital neben dem Talent als Fußballspieler ist ein gesundes Selbstvertrauen. Ohne dieses hätte ein Franck Ribery oder Abu Hamsa wie er wegen seines Sohnes genannt wird, ein Mesut Özil, Mohammed Zidane, Nuri Sahin oder Burak Kaplan, um nur einige zu nennen, wohl kaum eine Chance da oben mitzuspielen.
Was im Sport gilt, gilt auch in der Politik, speziell hier in der Islampolitik. Doch machen es die Akteure den Fußballspielern nach? Die Deutsche Islamkonferenz (kurz DIK) des Bundesinnenministers ist so eine Gelegenheit dies zu überprüfen. Schnell feststellbar, wenn man den Äußerungen des Innenministers folgt, dass es ihm an diesem Selbstvertrauen nicht mangelt. Ganz unterschiedlich die muslimischer Seite.
Die Muslime verknüpften mit der Fortführung DIK die Erwartung, endlich nach so vielen Jahren vergeblichen Mühens die ersten Schritte einer institutionellen Integration des Islam auf der Basis des deutschen Religionsverfassungsrechts zu gehen. Das derzeitige Konzept der DIK leistet aber keinen nachhaltigen Beitrag zur Integration von Muslimen und Moscheegemeinden in Deutschland. In dieser Kritik waren sich alle einig im Koordinationsrat der Muslime (KRM), der den allergrößten Teil der Moscheegemeinden in Deutschland abdeckt.
Doch was und wie die Vertreter der Religionsgemeinschaften die Kritik gegenüber der Politik zum Ausdruck gebracht haben, war alles andere als einig und vergleichsweise dilettantisch und uneffektiv. Das lag vor allem daran, dass eine Reihe von ihnen es schwer fällt – ganz im Sinne einer demokratischen Streitkultur – konstruktiv und im Sinne einer besseren Lösung mit der Politik zu streiten. Zu groß der Respekt, zu groß die Furcht, dass dadurch ihnen institutionelle oder gesellschaftliche Nachteile treffen könnten. Doch unsere Streitkultur, ja unserer Demokratie lebt nun mal davon, Dinge zugespitzt in die öffentliche Debatte mit einfließen zu lassen.
Viele wissen vielleicht nicht, dass das Grundgesetz auch ein Ergebnis – ein geistiges Produkt sozusagen – aus den Erfahrungen der Nazidiktatur war. Das deutsche Grundgesetz stärkt demnach die Rechte der Bürger auch in der Verteidigung gegenüber dem Staat, der eben nicht allmächtig ist, der wertneutral sein muss und letztlich dem Bürger im wahrsten Sinne des Wortes dient. Diese Erfahrung eines liberalen und aufgeklärten Bürgertums haben einige Muslime, die nach Deutschland emigriert sind, einfach nicht und scheinen sich weiterhin wie geduldetet Gastarbeiter zu fühlen. Die Gegenseite nimmt ihnen das dankbar ab. Nicht zuletzt die ministerielle Verortung der DIK II in Abteilung Ausländerpolitik des BMI drückt das deutlich aus.
Es ist also kein Ausdruck von Rebellion, sich nicht alles von der Politik gefallen zu lassen, sondern letztlich gehört im Sinne einer Demokratie ein gesundes bürgerliches Selbstvertrauen dazu, denn nur so lässt sich politisch um die beste Lösung trefflich streiten. Ein staatsgläubiges „der Staat weiß schon, was er macht“ hilft da ebenso wenig, wie sich zu ducken, um ja nicht negativ aufzufallen. Der ZMD hat sich deshalb entschieden einer Teilnahme an der Fortsetzung der DIK in der gegenwärtigen Form nicht zustimmen und seine Kritik in einem klärenden und konstruktiven Gespräch mit dem Bundesinnenminister Thomas de Maizière erörtern und nach dem Gespräch endgültig zu entscheiden, wie es weiter geht.
All das und viel mehr hätte man von vorne herein erörtern können, ja müssen und so einen Dialog sozusagen auf gleicher Augenhöhe Genüge verschafft. Durch eine gemeinsame Vorbereitungsphase – so wie die Fußballspieler in Trainingslager – hätten viele Fehler vermieden werden können. Leider ist dies und noch viel mehr nicht geschehen.
Dieser Beitrag erschien bereits am 31.03.2010 bereits in der türkischsprachigen Zaman. Meinung
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Ich finde es gut, dass der ZRM den Mut hat, von der DIK in ihrer jetzigen Form fernzubleiben. Bedauerlich ist vielmehr, warum der KRM es nicht auf die Reihe bekommen hat, ein einheitliches Vorgehen zur DIK auf die Beine zu stellen. Wenn letztlich doch jeder Verband das macht, wozu er Lust hat, büßt der KRM einen Großteil seiner Glaubwürdigkeit ein finde ich.
Andererseits: bei dem Verhalten, dass De Maizière bislang an den Tag gelegt hat, würde er sich wohl kaum davon beeindrucken lassen, wenn die muslimischen Verbände fortblieben. Damit kann man bei einem so konservativen Innenminister insgesamt leider wenig ausrichten glaube ich. Das wäre höchstens noch Anlass für ihn gewesen, noch so ein paar „Islamkritiker“ wie die tolle Kelek oder Ates einzuladen, die ja einen „säkularen Islam“ vertreten…
Für mich eine Lachnummer!!!
Derya, du hast recht. Die Kelek, die ueberall nicht muede wird zu erwaehnen, dass die Verbaende von niemanden gewaehlt sind, hat uns nicht erklaert, wer sie gewaehlt hat. Wessen Mandat hat sie erhalten fuer wen zu sprechen?
Ich versteh auch nicht, warum der Innenminister meint, sie als persoenliche Beraterin behalten zu muessen. Und was ist eigentlich ein saekularer islam. Ein Islam ohne Religion? Ich versteh den Begriff irgendwie nicht. Uebrigens, da bin ich nicht der Einzige ;)
Herr Mazyek, ich wünsche Ihnen und dem ZMD alles Gute. Ich stehe hinter Ihrer Entscheidung und befürworte sie.
@ Dybth:
Genau das ist die Frage! Die Dachverbände mögen nicht repräsentativ für alle vielseitigen Ströme des Islam sein. Aber immerhin repräsentieren sie diejenigen, diejenigen Menschen, die Mitglied in den einzelnen Organisationen sind, welche wiederum in den Dachverbänden zusammen geschlossen sind. Es gibt ein generelles Problem in der Struktur der Islam Konferenz, in ihrer Zusammensetzung. Verbände, die Ahnung von der Religion haben werden suspendiert, aber Hauptsache Polemikerinnen, ja Propagandistinnen wie die beiden Damen bleiben weiter dabei und erhalten am besten noch eine Beförderung!
Natürlich sollte man ein Thema aus verschiedenen Perspektiven beleuchten und durchaus auch kritische Stimmen einladen. Aber alles in einem gesunden Maße…
Das wäre alles kein Thema wenn die verschiedenen islamischen Strömungen kirchenähnlich organisiert und manifestiert wären. Dann wären alle Moslems automatisch und so fern sie nicht ausgetreten sind faktisch im Boot und es könnte keiner mehr sagen diese oder jene Muslimverbände sind nicht repräsentativ. Unter den jetzigen Umständen können sie es auch gar nicht sein. Und das war schon immer so. Wer nicht repräsentativ ist wird halt auch kaum ernst genommen.
@Boli: nein, hier wird wieder mit zweierlei Maß gemessen. Wen vertreten – in Prozent – denn z.B. die Gewerkschaften? Und wer ist schon Mitglied einer Partei? Und wie ist das z..B. bei den jüdischen Gemeinden geregelt? Nur bei den Muslimen werden mal wieder extra Forderungen gestellt.
Kleineren christlichen Gemeinden hält man auch nicht vor, sie müssten sich gefälligst mit der evangelischen oder katholischen Kirche zusammenschließen – sie bekommen den Status als Körperschaft auch bei sehr geringer Größe, z.B. die syrisch-orthodoxen.
Natürlich hätte ich mir hier mal ein geeintes Vorgehen gewünscht – dann wäre noch viel deutlicher geworden, dass der Innenminister einen Staatsislam aufstellen will, ohne Rücksicht auf die Muslime.
Auch die Anmerkung, dass die Islamkonferenz unter „Ausländerfragen“ abgehandelt wird, ist für jeden deutschen Muslim ein Schlag ins Gesicht.
Nicht jedes Land hat dasselbe politische System, trotzdem sind aber diplomatische Beziehungen möglich.
Ähnliches gilt auch für Religionen. Der Islam hat eine ganz andere Tradition und Geschichte, daher sind auch die Organisationsstrukturen ganz andere. Der Islam wird in Deutschland als neue Religion betrachtet, daher ist sein Organisationsgrad auch gering und von bekannten kirchlichen abweichend. Die ersten MSO gibt es gerade seit den 70’er Jahren und sie versuchen ja auch selber als Religionsgemeinschaften bzw. als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannt zu werden. Die Gründung des Koordinierungsrates der Muslime im Jahr 2007 sehe ich als dahin gehenden Versuch. Gelungen oder nicht, ist die andere Frage, aber es gibt Bemühungen, die sich an aktuellen Beispielen (wie dem Zentralrat der Juden) orientieren. Das sollte man zur Kenntnis nehmen.
Ähnlich wie mit der Türkei-EU Geschichte glaube ich auch bei der Diskussion um die Körperschaft öff. Rechts, dass es Ewigkeiten dauern wird, weil damit die Verbände deutlich mehr Macht bekämen. Man sollte den schwarzen Peter nicht immer den Muslimen zuschieben sondern mal ernsthaft hinterfragen, ob auf staatlicher Seite dieser Wille tatsächlich besteht, wie es immer so schön kund getan wird.