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Religion Natur

Grün im Namen Allahs

Der Islam ist vielen Menschen im Westen immer noch fremd, manche halten ihn für rückständig. Doch sie wissen oft nicht genug über diese Weltreligion. Zum Beispiel steckt im Koran mehr Öko als man vermuten würde. Wird Prophet Mohammed gar zum Vorbild für eine nachhaltige Lebensweise?

Von Montag, 26.04.2010, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 05.09.2010, 17:45 Uhr Lesedauer: 15 Minuten  |  

Eine Handgranate verschwindet im azurblauen Meer vor der Küste Tansanias. Ein paar Sekunden passiert nichts, dann schießt eine Fontäne vier, fünf Meter hoch in den Himmel. Das war’s – scheinbar. Denn unter der Dünung rast die Druckwelle mit fünffacher Schallgeschwindigkeit durchs Wasser und tötet alles, Fisch, Muschel, Koralle. Es ist kein Krieg; es geht schlicht darum, schnell Beute zu machen. Dynamitfischen ist eine verbotene, aber gängige Praxis, nicht nur hier in Ostafrika. Die Fänge sind gut, die Kontrollen schwach, die Folgen verheerend.

Vor der nahegelegenen Insel Pemba dagegen ist es mit dem Raubbau vorbei – dank Scheich Mohammed Suleiman Tiwany. Scheich Suleiman ist Imam, also Vorbeter und Gemeindeoberhaupt in Chake Chake, dem Hauptort der Insel Pemba, und er macht vor, wie religiös motivierter Umweltschutz funktionieren kann. „Ich habe meiner Gemeinde klargemacht, dass es Sünde ist, die Natur zu berauben“, sagt er. Er hält einen Moment inne, streicht sich über den Bart und lächelt. „Und die Fischer haben damit aufgehört.“

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Der Imam auf seiner ostafrikanischen Insel ist längst kein Einzelfall mehr. „Weltweit ist eine islamische Umweltbewegung entstanden, die sich klar auf den Koran und den Propheten beruft“, sagt die Soziologin Sigrid Nökel, die seit Jahren die Entwicklung des Islam und seine Wechselwirkung mit westlichen Gesellschaften erforscht.

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Selbst Großprojekte gerieten schon in den Fokus der islamischen Streitkultur – so in Indonesien, dem bevölkerungsreichsten islamischen Land der Welt. Auf der Hauptinsel Java beschäftigte sich 2007 eine Versammlung von rund hundert Geistlichen mit den Plänen für ein Atomkraftwerk, das die Regierung auf der Muria-Halbinsel an der Nordküste von Java bauen will – in einer von Erdbeben bedrohten Zone und obendrein in der Nähe eines aktiven Vulkans. Die Geistlichen prüften das Projekt und erklärten es in einem religiösen Rechtsgutachten, einer fatwa, für haram, also für unislamisch und somit verboten.

Ebenfalls in Indonesien sprach ein geistlicher Führer der Organisation „Nahdlatul Ulama“, Abdul Wahid Qosimy, eine Fatwa gegen die Zerstörung des Regenwalds aus. Die Brandrodung im großen Stil sei „Sünde“, erklärte der Geistliche. Demnach wäre es eigentlich ein Gebot für jeden Muslim, dagegen einzuschreiten. „Eine Fatwa hat nicht dieselbe Kraft wie ein Gesetz“, schränkt Sigrid Nökel ein, „aber sie bringt Dinge auf die Tagesordnung.“ Der Einfluss einer Fatwa ist umso größer, je angesehener derjenige ist, der sie verkündet. Auch die Fatwa gegen das Atomkraftwerk hat die indonesische Regierung nicht nachhaltig beeindruckt, denn das Projekt wurde nach kurzem Stillstand wieder aufgenommen; aber sie hat dem zivilen Protest eine kräftige Stimme hinzugefügt.

Die islamische Welt hätte allen Grund, auf solche Stimmen öfter zu hören. 1,2 Milliarden Menschen bekennen sich zur Religion Mohammeds, aber die Bemühungen muslimischer Länder in Sachen Umweltschutz sind oft marginal und unsystematisch. Für Großprojekte wie den Ilisu-Staudamm in Anatolien werden ganze Landschaften zerstört; in Indonesien verschwinden jedes Jahr Regenwälder in der Größe Mecklenburg-Vorpommerns. Megastädte wie Kairo, Jakarta oder Teheran drohen an ihrem Dreck zu ersticken. Allein in der iranischen Zwölf-Millionen-Metropole verpesten 3,2 Millionen Autos die Luft. Selbst iranische Behörden gehen von 5000 bis 6000 Toten jährlich aus, die direkt auf das Konto von Schwefeldioxid, Ruß und Blei gehen. Sogar die hartgesottenen Teheraner Krähen haben im vergangenen Jahr die Stadt verlassen.

Natur als christliche Gottheit?
Lange Zeit galt das Bibelwort „macht Euch die Erde untertan“ als Freibrief für den Raubbau an der Natur. Doch schon seit jeher gibt es Mahner, die den Vers eher als Aufruf zu einem verantwortlichen Umgang sehen. Zentrale Figur im christlich geprägten Natur- und Umweltschutz ist dabei Franz von Assisi. Er gilt als erster Tier- und Naturschützer der Christenheit; 1980 wurde er sogar vom Papst offiziell zum Patron der Ökologie ernannt. In Deutschland sind die beiden Kirchen mehr als nur Randfiguren der Ökoszene. Immer wieder melden sie sich zu Wort, um auf die Gefahren durch Klimawandel und Artenschwund hinzu-weisen. Und sie leben es auch: Mehr als 1000 Gemeinden haben bereits eine Solaranlage auf dem Dach. Bei aller Liebe zur Natur warnt der Vatikan jedoch, Ökologie werde zur „Religion des Jahrtausends“. Anlass ist der Kinofilm Avatar, der den Kampf Naturvolk gegen Hightech-Gesellschaft zum Thema macht. Vatikansprecher Federico Lombardi: „Hier ist Natur nicht länger eine Schöpfung, die es zu verteidigen gilt, sondern eine Gottheit, die man anbetet.“

Meinung

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  1. Pingback: Greenlinks 26/04/2010 | Umwelt, Hawking, Steph, Dokumentation, Davis, Climate | Neidgruen.de

  2. yasar sagt:

    Lesenswerter Artikel – auf jeden Fall eine andere Sicht auf islamische Werte; und wie ich finde eine sehr richtig und zukunftsweisende.

    Interessant ist für mich, dass es kaum Kommentare zu diesem Artikel gibt. Nun…man kann hier auch nicht auf den Islam und die Muslime schimpfen…schade, oder? :-)

    • maria sagt:

      Yasar, ich gebe dir Recht, ein sehr interessanter Artikel.

      „Weltweit ist eine islamische Umweltbewegung entstanden, die sich klar auf den Koran und den Propheten beruft“, sagt die Soziologin Sigrid Nökel, die seit Jahren die Entwicklung des Islam und seine Wechselwirkung mit westlichen Gesellschaften erforscht.

      Ich wünschte mir in diesem Augenblick, dass sämtliche Bürger, Muhtare, Bürgermeister, Imame, ganz einfach alle halt, die in unserer Gegend hier wohnen, endlich den Koran lesen und dann auch eine islamische Umweltbewegung in Gang setzen.
      LG
      Maria

  3. Der Perser sagt:

    Die Geschichte über Umweltverschmutzung in Teheran kann ich (aus meiner Kindheit) bestätigen.
    Aber der Iran braucht in erster Linie eine gesellschaftliche Reform, die Frauen müssen ihre Rechte zurückerhalten so wie es unter der Herrschaft des Schahs war, dann kann man sich über Umweltschutz „im Namen des Islam“ gedanken machen.

  4. Boli sagt:

    Man könnte auch einfach sagen ….. eeeendlich mal was Positives.

  5. Pingback: Quellen, Diskurse und Perspektiven zum Islamischen Recht und zur Theologie « Serdargunes' Blog