Offener Brief an Christian Wulff
Wir sind auch Deutschland
In einem offenen Brief appellieren zahlreiche prominente Muslime an den Bundespräsidenten Christian Wulff, dass er sich für eine offene, von gegenseitigem Respekt geprägte demokratischen Kultur einsetzt und dafür wirbt.
Von GastautorIn Mittwoch, 15.09.2010, 8:39 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 17.09.2010, 10:38 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Sehr geehrter Herr Bundespräsident,
als Sie vor zwei Monaten Ihr Amt antraten, konnten Sie dies gewiss nicht ahnen: Dass ein (ehemaliger) Bundesbankvorsitzender eine Debatte in Gang setzen würde, in der sich allgemeine Bedenken gegen eine verfehlte Integrationspolitik mit biologistischen Annahmen über mindere Intelligenz vermengen. Dass in sämtlichen Nachrichtenmagazinen, Zeitungen und Sendern pauschalisierend über etwaige intellektuelle, charakterliche, soziale und professionelle Defizite des muslimischen Bevölkerungsanteils diskutiert werden würde. Dass von Musliminnen und Muslimen – egal ob sie deutsche Staatsbürger sind oder auch hier geboren wurden – generalisierend als „Migranten“ gesprochen würde und wir sogar im öffentlich-rechtlichen Fernsehen die offizielle Rückkehr des Wortes „Ausländer“ erleben.
Die UnterzeichnerInnen sind:
Fatih Akin, Filmregisseur
Hatice Akyün Autorin
Prof. Dr. Katajun Amirpur Islamwissenschaftlerin
Gabriele Boos-Niazy für das Aktionsbündnis muslimischer Frauen in Deutschland e. V.
Christian Abdul Hadi Hoffmann, stellv. Vors. der Muslimischen Akademie Deutschland
Lamya Kaddor für den Liberal-Islamischen Bund e. V.
Prof. Dr. Yasemin Karakasoglu Erziehungswissenschaftlerin und Turkologin
Ali Kizilkaya, Vorsitzender des Islamrats e. V.
Halima Krausen für die Initiative für Islamische Studien e. V.
Aiman Mazyek für den Zentralrat der Muslime in Deutschland e. V.
Hamideh Mohagheghi, Theologin
Shermin Langhoff, Intendantin
Aylin Selcuk für die Deukische Generation e. V.
Hilal Sezgin, Schriftstellerin und Journalistin
Feridun Zaimoglu, Schriftsteller
Erinnern wir uns zwei Monate zurück: In Ihrer Antrittsrede sagten Sie: „Unsere Vielfalt ist zwar manchmal auch anstrengend, aber sie ist immer Quelle der Kraft und der Ideen und eine Möglichkeit, die Welt aus unterschiedlichen Augen und Blickwinkeln kennen zu lernen. Wir sollten neugierig sein und ins Gespräch kommen.“ Sie erzählten die berührende Geschichte der niedersächsischen Sozialministerin Aygül Özkan und ihres Vaters, die ein Beispiel für „so viele Erfolgsgeschichten“ sei. Sie sprachen die wunderbaren Sätze: „Wann wird es bei uns endlich selbstverständlich sein, dass unabhängig von Herkunft und Wohlstand alle gleich gute Bildungschancen bekommen? (…) Wann wird es selbstverständlich sein, dass jemand mit den gleichen Noten die gleichen Aussichten bei einer Bewerbung hat, egal ob er Yilmaz heißt oder Krause? Meine Antwort auf solche Fragen lautet: Wenn wir weniger danach fragen, wo einer herkommt, als wo er hin will. Wenn wir nicht mehr danach fragen, was uns trennt, sondern was uns verbindet. Wenn wir nicht mehr danach suchen, was wir einander voraushaben, sondern was wir voneinander lernen können. Dann wird Neues, Gutes entstehen.“
Diese Worte wurden von zahllosen Musliminnen und Muslimen und von Menschen mit Migrationshintergrund mit großer Freude aufgenommen, über religiöse und Parteigrenzen hinweg. Doch was wir momentan beobachten, ist leider das Gegenteil eines solchen Prozesses, in dem Menschen aufeinander zugehen, damit Gutes entsteht. Wir erleben, wie sich Teile der Bevölkerung von anderen absetzen. Wie Minderheiten ausgedeutet und öffentlich als „Andere“ markiert werden. Die Tonlage ist oft genug nicht neugierig und gesprächsbereit, sondern aggressiv und diffamierend. Für Musliminnen und Muslime ist derzeit nicht einmal der Gang zum Zeitungshändler leicht, weil sie nie wissen, welche Schlagzeile, welches stereotype Bild sie dort erwartet. Auch in der Schule, bei der Arbeit und am Ausbildungsplatz kann es sein, dass einem Feindseligkeit entgegenschlägt. Gesellschaft
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Das kann ich auch nur unterschreiben, zumal ich mich in der Unterzeichnerliste gerne einordne, da ich viele deren Meinungen teile.