Lamyas Welt
Danke, Politik – Ein Rückblick auf die Sarrazin-Debatte
Es kommt nicht so oft vor, dass sich Menschen bei Vertretern dieser Berufsgattung bedanken: den Spitzenpolitikern. In den vergangenen Wochen aber ist mir als Muslimin dieser Gedanke ein ums andere Mal durch den Kopf gegangen.
Von GastautorIn Donnerstag, 30.09.2010, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 12.01.2011, 23:41 Uhr Lesedauer: 6 Minuten |
Während sich bis heute diverse Zeitgenossen bei der Suche abmühen, auch noch das letzte Körnchen Wahrheit in Thilo Sarrazins Äußerungen zu finden, um ihn als wichtigen Stichwortgeber dieser Tage feiern zu können, kamen von ihrer Seite recht zügig deutliche Zurückweisungen. Ob die Bundeskanzlerin und CDU-Fraktionsvorsitzende Merkel, ob SPD-Chef Gabriel, Grünen-Fraktionschefin Künast, FDP-Vorsitzende Westerwelle oder der CSU-Politiker und Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken Glück. Sie alle erhoben relativ spontan ihre Stimme, denn Ihnen war klar, dass Sarrazins Vorgehensweise zumindest kontraproduktiv ist.
„Ich schätze, Sarrazin selbst hat sich derweil heimlich ins Fäustchen gelacht. Das alles klingt ja auch in der Tat absurd, wenn ein Autor größere mediale Aufmerksamkeit erhält als jeder bisherige Literaturnobelpreisträger.“
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Dafür bekamen sie später von allen Seiten Schelte. Einige wähnten Angriffe auf die Meinungsfreiheit, andere verorteten Politiker gleich in der Reichsschrifttumskammer. Auch von einer Hetzjagd auf Sarrazin war die Rede. Ich schätze, Sarrazin selbst hat sich derweil heimlich ins Fäustchen gelacht. Das alles klingt ja auch in der Tat absurd, wenn ein Autor größere mediale Aufmerksamkeit erhält als jeder bisherige Literaturnobelpreisträger. Für Sarrazin lief alles nach Plan. Man solle doch erst einmal das Buch lesen, hieß es. Was kann einem Autor, einem Verlag besseres geschehen als Prominente, als Titelschlagzeilen und Prime-Time-Fernsehshows, die allesamt erst mal zum Lesen ihres Buchs auffordern. Ein perfekter PR-Coup. Im Lehrbuch für Public Relation dürfte Sarrazin ein Platz sicher sein. Selbst im privaten Umfeld wurde man keck angestoßen: „Und, Sarrazin schon gelesen?“ Nein, und ich bekenne hiermit, ich werde dieses Buch auch niemals lesen.
Warum auch? Bringt es mich weiter – etwa mit neuen Informationen? Nein. Stehen darin konstruktive Lösungsvorschläge? Nein. Ist es ein Lesevergnügen? Nein. Ist der Autor eine Koryphäe auf dem Gebiet der Integration? Nein. Im Nachhinein distanzieren sich selbst Wissenschaftler, auf die sich Sarrazin beruft von dessen abenteuerlichen Schlussfolgerungen. Warum soll man sich also die verquaste Zahlenjonglage eines Bundesbankvorstands und ehemaligen Finanzsenators anschauen, der sich mit Genetik, Integration und islamischer Religion/Kultur befasst. Wenn ich etwas über Astrophysik lesen will, greife ich auch nicht zu einem Theologen, sondern zu einem Astrophysiker. Aktuell Meinung
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Warum sollte ich mich nicht outen?
Solche Vorgänge sind doch absolut natürlich und vorhersehbar.
Ich bin nicht grundsätzlich jemand, der andere ins offene Messer rennen läßt.
Da kann mir keinen einen Vorwurf machen.
Voltaire war übrigens genau so – er war ja immer auch ein erfolgreicher Geschäftsmann, der alle Machenschaften, die er anprangerte, immer ganz offen und exemplarisch selbst durchgezogen hat – um allen zu zeigen, wo etwas schiefläuft.
Und Voltaire war nun mal ein echter Aufklärer.