Integration im 16:9 Format
Die Koreaner in Deutschland – Wir sind (k)ein Volk!
„Seit Rostock habe ich die Gewissheit, dass die Welle des Fremdenhasses immer wieder in Erscheinung treten kann.“ Martin Hyun über die Bedeutung der deutschen Einheit und über das Warten auf die deutsche Einheit.
Von Martin Hyun Freitag, 01.10.2010, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Samstag, 09.05.2020, 1:01 Uhr Lesedauer: 10 Minuten |
In diesen Oktobertagen jährt sich die Wiedervereinigung Deutschlands bereits zum 20sten Male. Ein Grund zum Feiern? Ich bin mir nicht sicher. Als die Mauer fiel, war ich 10 Jahre alt. Meine politische Bildung war noch ungereift, um zu verstehen, was sich in diesem Land zutrug. Doch was mir von der deutschen Einheit haften blieb, war der Brandanschlag auf ein vietnamesisches Asylantenheim 1992 in Rostock und diese plötzliche Welle von Hass und Gewalt, die ich selbst zu spüren bekam. Meine Heimat wurde zur Fremde. Ich erlebte als Mensch, eine zweite Geburt. Dieser Tag in Rostock und die Tage danach veränderten meine Beziehung zum Land.
„Seit Rostock habe ich die Gewissheit, dass die Welle des Fremden- hasses immer wieder in Erscheinung treten kann.“
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Als Eishockeyspieler mit koreanischem Migrationshintergrund hatte ich erhebliche Vorbehalte im Osten der Republik zu spielen, weil es dort fast immer zu rassistischen Vorfällen kam. Wenn wir jemals in Rostock hätten spielen müssen, hätte ich mich geweigert, auch nur ein Fuß in diese Stadt zu setzen. Trotz der 18 Jahre, die seitdem vergangen sind, habe ich Rostock bis heute nicht verzeihen können, auch wenn ich von diesem Anschlag nicht betroffen war. Die Bilder vom brennenden Asylantenheim, Beifall klatschenden Passanten, die zu Mitläufer und Mittäter wurden, die Handlungsunfähigkeit der Polizei und die um ihr Überleben flehenden Vietnamesen, haben mein Gedächtnis bis heute nicht verlassen. Seit Rostock habe ich die Gewissheit, dass die Welle des Fremdenhasses immer wieder in Erscheinung treten kann. Nach der elften Klasse verließ ich Deutschland Richtung Amerika. In Deutschland war ich nicht nur Ausländer, sondern auch Bildungsausländer. Damit schloss sich der Kreis meines Ausländer-Daseins.
Wenn ich die Entwicklungen in der koreanischen Gemeinschaft beobachte, besonders bei der ersten Generation Koreaner, die sich in ihrer Parallelgesellschaft arrangiert haben, dann ist dieser historische Tag für mich kein Grund zur Freude. Unbemerkt von der deutschen Gesellschaft stieg die Zahl der koreanischen Kirchengemeinden auf über 60. Bundesweit gibt es mittlerweile über 40 koreanische Sprachschulen. Auch gibt es eine Vielzahl von Rückkehrern der ersten Generation Koreaner in die alte Heimat. In Korea gibt es mittlerweile ein deutsches Dorf, das von den Heimkehrern besiedelt wird. Man hat dazu gelernt. Aktuell Meinung
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Danke Herr Hyun für die offenen und klaren Worte.
Ich kann Ihnen nur zustimmen, dass es leider immer noch viele
Vorurteile gegenüber Menschen einer anderen Kultur gibt.
Auch in einer Stadt wie Berlin, die als offen und tolerant gelten will, ist das leider immer noch der Fall.
Auch ich kenne und lebe mit Koreanern und Deutsch-Koreanern zusammen und kann nur bestätigen, dass sie willig sind sich in die Deutsche Gesellschaft einzubringen, aber oft keine Gelegenheit bekommen.
Als Vertreter des Forums für Interkulturelle Beziehungen bei einem Ökumenischen Netzwerkes besuche ich Koreanische Kirchen und Gemeinden in Berlin. Ich treffe mich mit Koreanern der 2. Generation und erlebe die Paralellgesellschaft der 1. Generation.
Haben Sie Geduld mit uns Deutschen – es braucht manchmal etwas länger doch es gibt Menschen die lernen wollen – die Christen in unseren Gemeinden suchen mehr und mehr den Kontakt zueinander.
Am 3. Oktober gibt es einen Ökumenischen Interkulturellen Gottesdienst in der Herz-Jesu Kirche im Prenzlauer Berg, wo wir gerade die Koreaner bewußt mit eingeladen haben den Gottesdienst zur Deutschen Einheit mit uns zu gestalten. ( nähere Infos unter: http://www.gfberlin.de/cgi-bin/gfb_pub_webseite.pl?Index=2&en=&title=Termine)
Es braucht Menschen wie Sie, die Situation ansprechen und konstruktive Lösungen vorschlagen wie sich Situationen verändern können.
Ich werde mich dafür einsetzen, dass es selbstverständlich sein wird dass wir in einigen Jahren gemeinsam mit den Koreanern „Chuseok“, feiern und am 3. Oktober das Fest der Deutschen Einheit aber auch wir Deutsche kommen nicht einfach ohne eingeladen zu werden.
Vielen Dank für den – längst überfälligen – Beitrag!
Ich hatte vor einigen Jahren ein mehrstündiges Gespräch mit einer deutsch-koreanischen Wissenschaftlerin, die nach Australien ausgewandert ist. Sie erzählt mir viel über die Einwanderungsgeschichte der Koreaner nach Deutschland. Auch darüber, dass viele koreanischen GastarbeiterInnen in abgeschottenen „Internierungslager“ – wie sie es sagte – untergebracht wurden. Ich hakte nach, ob sie nicht die „Gastarbeiter-Wohnheime“ meine, in denen viele türkische Gastarbeiter, auch mein Vater, viele Jahre gelebt haben. Sie verneinte! Ein- und Ausgänge wären stark reglementiert gewesen.
Nach diesem Gespräch ist mir allerdings klar geworden, dass die deutsche Einwanderungsgeschichte noch unbekannt ist – insbesondere der Gruppen, die zahlenmäßig unauffällig sind.
Ich danke Dir für deinen Beitrag, der einen Einblick in Deine Lebenswelt gegeben hat.
Ein Beitrag, der es in sich hat und auch den Zugang zu anderen Migrantengruppen schafft, die vergleichbare und ähnliche Probleme haben. Würde es sich bei Martin Hyun allerdings um einen Türken oder Araber handeln, müsste er nolens volens 10 Seiten noch dranhängen, um quantitativ den vorhandenen Problemen gerecht zu werden. Ich bin weiterhin der Auffassung, dass die muslimischen Migranten in der BRD der größten Diskriminierung unterlegen. Statistisch kann ich es nicht belegen, dafür empirisch und subjektiv umso mehr.
Dennoch: Vielen Dank für den überaus gut gelungenen Beitrag an meinen koreanischen Freund Martin Hyun. Türken und Koreaner verbindet so einiges ;)