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Sevim Dagdelen

Wie viele Integrationsverweigerer gibt es wirklich?

Sevim Dagdelen möchte es ganz genau wissen: Wie viele Ausländer wurden aufgrund der Nichtteilnahme an Integrationskursen bisher sanktioniert? Das ist die Kernfrage einer parlamentarischen Anfrage an die Bundesregierung.

Donnerstag, 07.10.2010, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 20.10.2010, 21:10 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Insbesondere Unionspolitiker fordern gerne und häufig Gesetzesverschärfungen im Aufenthaltsgesetz. So auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Er hatte am 5. September 2010 erklärt, dass es „vielleicht 10 bis 15 Prozent wirkliche Integrationsverweigerer“ gibt, um die man sich verstärkt kümmern müsse.

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Angesichts dieser Verweigererquote zeigten sich viele Unionspolitiker von der Notwendigkeit einer Gesetzesverschärfung überzeugt. Hans-Peter Uhl (CSU) beispielsweise kündigte ein Tätigwerden der Union noch im Herbst an, um ausländische Integrationsverweigerer strenger zu bestrafen. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel kündigte eine Überprüfung der Sanktionspraxis an.

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Keinerlei Erkenntnisse
Auf Anfrage von Memet Kilic (Die Grünen) wurde zwischenzeitlich jedoch bekannt, dass de Maizières Verweigererquote auf keinen Fakten beruhte, sondern aus diversen Studien hergeleitet wurde. Das überraschte nicht. Denn bereits im Mai 2009 hatte Sevim Dagdelen (Die Linke) im Rahmen einer parlamentarischen Anfrage die Bundesregierung nach Kenntnissen zur Sanktionspraxis bei Nichtteilnahme am Integrationskurs befragt. Die Bundesregierung verfügte damals über keinerlei Erkenntnisse, da für die Ausführung des Aufenthaltsgesetzes die Länder zuständig seien.

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Vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte möchte Dagdelen es nun erneut wissen. In einer parlamentarischen Anfrage erkundigt sie sich zum zweiten Mal nach den Zahlen vermeintlicher Integrationsverweigerer und „räumt der Bundesregierung vorsorglich eine längere Frist“ zur Beantwortung der Frage ein. Sie soll sich „empirische Erkenntnisse und Einschätzungen“ bitte durch eine Abfrage an die Bundesländer verschaffen.

Es spricht nicht für die Bundesregierung, dass sie sich erst auf Nachfrage der Opposition danach erkundigen muss. Schließlich sind es insbesondere Unionspolitiker, die sich für Gesetzesverschärfungen starkmachen und den Anschein erwecken, es gebe keine geeigneten Sanktionsmittel. Bevor man Gesetzesänderungen fordert, ist es jedenfalls üblich, Erkenntnisse über die Praxistauglichkeit der geltenden Gesetze einzuholen.

Sanktionsmittel bei Integrationsverweigerung
Und die sehen bereits eine Fülle von Sanktionsmöglichkeiten vor. So können zur Integrationskursteilnahme Verpflichtete von den Ausländerbehörden „mit Mitteln des Verwaltungszwangs“ zur Erfüllung der Teilnahmepflicht „angehalten“ werden. Sanktionsmöglichkeiten bestehen auch, wenn „ein Ausländer seiner Teilnahmepflicht aus von ihm zu vertretenden Gründen nicht“ nachkommt. Dies kann sich selbst auf die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis auswirken.

Vor allem sozialrechtliche Sanktionen können bei einer Nicht-Teilnahme am Integrationskurs verhängt werden. Eine Kürzung der Leistungen um 30 Prozent ist in solchen Fällen die Folge. Im Wiederholungsfall werden die Leistungen um 60 Prozent gekürzt, bei weiteren Pflichtverletzungen sogar um 100 Prozent. Politik

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  1. lynxxx sagt:

    Das erinnert mich ein wenig an das Gebaren von Sarrazin, der mal Journalisten der SZ (?) gesagt hat, auf die Frage, woher er diese Zahl habe, dass er sie sich ausgedacht habe.
    Trotzdem hat der Innenminister ja gerade diese Zahl genannt, um den Druck aus dem Kessel zu nehmen, und im Gegenzug sagen zu können, Leute, denkt nicht beim Hören eines Sarrazins und Co., die Mehrheit hier im Lande wäre so wie die Berichte von Frau Heisig oder Buschkowskis Erlebnisse, es ist nur eine Minderheit von Integrationsverweigerern. 90% sind gute Mitbürger. Das war denke ich die Intention.
    Wenn nun nach genauerer Empirie gefragt wird, so ist dieses sehr erforderlich. Gleichzeitig kann jedoch vielleicht der Schuss auch nach hinten losgehen, und herauskommen, dass, je nach Kriterien, vielleicht noch mehr als 10-15 % sog. „Integrationsverweigerer“ sind. Vielleicht sind ja auch 20-25% der hier lebenden Türkischstämmigen so ganz zufrieden in ihrem türkischem Klein-Istanbul? Wo sie umgeben sind von türk. Diskos, türk. Anwälten, Ärzten, Supermärkten, Friseuren, usw., usw.?

  2. delice sagt:

    Bitte das reinstellen, auch, wenn es lang geworden ist:

    Ich lese Sätze wie, dass man als Türke oder als Araber nicht integrationwillig sei oder dergleichen unsinnigem Geschwätz.

    Aber was ist das eigentlich, das Geschwafel mit der nicht funktionierenden so genannten „Integration“ oder diesem Unwillen? Was wird hier und wer wird hier nun gemeint?!

    Zuvorderst werden damit wohl wir gemeint sein, Menschen aus vorwiegend muslimischen Ländern und Regionen, also Menschen aus der Türkei und dem arabischen Raum.

    Und mit vermeintlich fehlender Integration oder dem Unwillen dazu, wird eigentlich nur das eine gemeint und das ist der fehlende Wille zur Assimilation! Also die völlige Aufgabe der bisherigen Identität, dass sich naturalisieren Wollens, die Änderung seiner Gewohnheiten, seiner Riten, seines Verhaltens, sein gesamten Denken und seine Religion, also des Individuums des eigenen bisher bestehenden Ich´s also. Man muss sich in allem, auch in der Veränderung der Art und Weise des Lebens, also auch seiner Trink- und Essgewohnheiten so vorstellen, sich also völlig an die Mehrheitsgesellschaft anpassen – ohne wenn und aber. Was daran noch freiheitlich, demokratisch oder gar noch rechtsstaatlich ist, wäre nur noch zu vermuten, wenn sie denn noch so vorhanden wäre.

    Aber wer kann oder könnte das so ohne weiteres mit sich selber tun bzw. machen lassen und wie könnte und würde denn so etwas nun schließlich aussehen, dieser sich selbst auferlegten absoluten Demütigung des eigen Ichs und seiner so verkauften Seele?

    Betrachten wir also alleine die Bilder in bayerischen Biergärten, die wir auch in der Werbung von einem Glas Weißbier manchmal sehen können, aber auch ohne diese Werbung können wir das alles und noch viel mehr an den jährlich stattfindenden Oktoberfest – so schön – sehen und genüsslich betrachten, wo z.B. besonders japanische Touristen und Geschäftsleute sich dieser so heimatlichen Gepflogenheiten inbrünstig anpassen können.

    Sie essen dabei Unmengen von Spanferkel, Klose, Rettiche und Weißwürste und trinken dazu das obligatorische bayerische Bier dazu. Diese Bilder finde ich persönlich ein wenig surreal und mehr als irritierend, denn jeder von uns sagt sich da unweigerlich, das sind doch keine Bayern, zumal auch ihre Augen uns dies leicht verraten, obwohl sie wohl bei jeder tollen Gaudi auch auf den Bänken mit gesungen hatten und mitgeschwungen waren – bis zum Abwinken eben auch gesoffen hatten.

    Kann das also sein, was man von uns so sehr erwartet, dazu noch in Trachtenmode?

    Anerkennen wir, auch unser Mehmet und unser Mustafa oder Ali oder Said würden nicht nur in den Kleidern ziemlich albern so wirken, sondern auch ihr Gehabe von: „Ich will unbedingt dazu gehören!“

    Es wäre weder glaubhaft noch real, eher noch ein wenig Lachhaft. Weder ihr wolltet es im Grunde so von uns haben, noch wir könnten das uns selber zugestehen (wollen)! Aber wir würden auch nicht akzeptieren und euch und uns erlauben, dass man sich an unsere Frauen in der Öffentlichkeit so herantasten könnte, denn selbst für sehr viele Deutsche wäre so etwas je hinnehmbar.

    Ich denke aber eher, dass unsere Frauen und jungen Mädchen das selbst nie erlauben würden. Diese Art der Geselligkeit wäre uns aber ohnehin sehr suspekt und völlig fremd und sie bleibt es auch. Und so sind wir freiwillig nicht mit dabei, bei Biergeselligkeiten in Bierzelten oder an vergleichbaren Orten. So etwas wird uns immer fremd bleiben!

    Ist es aber wirklich das, was man als angeblicher Deutscher, von den hier lebenden türkischen und arabischen Muslimen, sich so sehr erwünscht – die Teilnahme an dieser Art der Freizeitausübung? Nur, was bringt das denn schließlich uns allen, dem der sich so derart verändern solle und denen die das als vermeintliche Mehrheit so von uns fordern?! Eigentlich rein gar nichts. Es wäre nur ein weiterer Selbstbetrug auf beiden Seiten. Selbst, wenn man blond wäre, würde sich daran rein gar nicht ändern!

    Dann sagt man, dass wir das Grundgesetz nicht achten und auch gar nicht kennen würden, was ja nur eine recht gemeine Unterstellung sein kann. Zumal das Grundgesetz (GG) keineswegs eine (große) Errungenschaft der Deutschen aus dem 2. Weltkrieg war und immer noch ist und kein Deutscher dafür je gekämpft hat, geschweige denn dafür sein Leben hingegeben hatte. Die westlichen Alliierten schenkten es dem deutschen Volke, dass in ihren besetzten Zonen wohnten, aber die Deutschen die auf der sowjetischen Seiten leben mussten, haben diese westlichen Errungenschaften ohnehin nur seit etwa 20 Jahren kennengelernt, die Freiheit, die Brüderlichkeit, die Demokratie und den Rechtsstaat usw., davor gab es nur eine Diktatur.

    Die Bürger der Ost-Zone wurden erst einmal im Sozialismus á la DDR ausgebildet und anerzogen – vom Kreissaal bis zur Jugendweihe und auch bis zum Sarg. Wenn man das alles schon rückblickend betrachtet, gab es nur den sächsischen respektive den preußischen König und dort in Personalunion in Gestalt des späteren deutschen Kaiser´s. Und später gab es da noch so etwas, wie ein kurzes Aufflackern der so genannten „Weimarer Republik“, den die SPD schon damals mit ordentlich vergeigt hatte. Und so hatten die Ost-Bürger gleich darauf den Hitler und dann noch die Fußtritte der SED-Granden zu spüren gehabt. Man bedenke, dass sie erst seit 20 Jahren nichts mehr spüren, deshalb vermisst wohl so manch einer von denen diese Gefühle auf den Hintern, die sie wohl so sehr missen. Kein Wunder also, wenn Ost-Deutsche immer noch arg die Knute spüren wollen, jemanden der Ihnen also sagt wo es hier lang geht.

    Traurig und dennoch wahr, ist aber umso mehr die Tatsache, wenn man dann das gleiche an tollkühnen und unsäglichen Sprüchen, auch noch von denen hört, von denen man es am wenigsten erwarten würde, wo man doch eigentlich schon – seit 1949 – dachte, dass sie eigentlich schon längst entnazifiziert sein müssten/sollten. Anscheinend sind diese bierernsten Stammtisch-Gesichter abgrundtiefer deutscher Seelen wohl doch nicht in einer demokratischen Rechtsstaatlichkeit angekommen. Sie hatten sich wohl zu Scharen im äußersten Tiefkühlfach der Republik nur verschanzt und tauen erst jetzt wieder langsam auf. Der „Biedermann und die Brandstifter“ sind wieder aufgewacht und verweilen unter uns. Sie riechen ihre aktuelle Chance und ihre Morgenröte, von Tag zu Tag werden sie immer dreister und öffnen ihre abgrundtiefen Seelen der Deutschen Gemeinschaft. Es ist so, als wären sie nie weggegangen, als wären sie immer noch hier gewesen, nur eben versteckt.

    Es sind die gleichen, die sich betören lassen wollen, noch spielen die Vorwärmer Ihnen die Musik des Sieges und des Heiles über Deutschland. Noch ist der richtige Superstar nicht angekommen, der Heiland der Esoterik, der schönen Reden und Gesten, der Mimik und der Motorik. Es wird kalt in Deutschland. Deutschland ist nicht nur ein Wintermärchen.

    Aber es sind eigentlich die gleichen Ungeister, die selber wenig Wert auf das Grundgesetz legen und legen wollen, aber uns doch unbedingt und tatsächlich noch einreden, dass wir das Grundgesetz nicht kennen und mögen würden! Welch eine Verdrehung von Tatsachen!

    „Es ist Zeit sich wieder zu verabschieden aus diesem Land, bevor man gar nicht mehr verschwinden kann“, wird sich so manch ein Zeitgeist sich selber hören – in unserer so traurigen Zeit. Niemand hat dazu gelernt und niemand will es wieder einmal später gewusst haben wollen.

    Jedes Mal muss ich dann immer wieder an Heinrich Heine denken und sein Wintermärchen:

    „Denk ich an Deutschland in der Nacht,
    Dann bin ich um den Schlaf gebracht,
    Ich kann nicht mehr die Augen schließen,
    Und meine heißen Tränen fließen.

    Und zählen muß ich – Mit der Zahl
    Schwillt immer höher meine Qual,
    Mir ist, als wälzten sich die Leichen
    Auf meine Brust – Gottlob! sie weichen!

    Gottlob! durch meine Fenster bricht
    Französisch heitres Tageslicht;
    Es kommt mein Weib, schön wie der Morgen,
    Und lächelt fort die deutschen Sorgen.“,

    oder

    „Dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.“ – Almansor, Vers 243f“

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