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PISA 2009

Migrantenkinder holen auf

Migrantenkinder hinken trotz einer deutlichen Leistungssteigerung ihren deutschen Mitschülern um mehr als ein Jahr hinterher. Grund ist das Schulsystem. Nirgendwo sonst entscheidet die Schule so stark über Erfolg und Misserfolg wie in Deutschland.

Mittwoch, 08.12.2010, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 31.10.2011, 19:45 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Vorbei scheinen die Zeiten, als Migrantenkinder aufgrund von Sprachmängeln auf Sonderschulen geschickt wurden. Damals machte man sich keine Gedanken um verschwendete Potenziale und die Zukunft Deutschlands. Ex-Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) sprach in diesem Zusammenhang einmal von einem „ganz bitteren Kapitel in unserer Migrationsgeschichte“.

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PISA und Fachkräftemangel sei Dank, schaut man Migrantenkindern heute ganz besonders auf die Finger. Sie werden gefördert, umsorgt, gehegt und gepflegt, wenn es um Bildung geht. Nicht ohne Grund. „Unser Land kann es sich nicht leisten, dauerhaft auf die Potenziale des steigenden Anteils von Migrantenkindern zu verzichten“, erklärte Staatsministerin Maria Böhmer (CDU) anlässlich der Vorstellung der PISA-Studie 2009. „In vielen Städten liegt der Anteil der Migrantenkinder bereits jetzt bei über 60 Prozent“, fügte sie hinzu.

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Tatsächlich stammt rund ein Viertel der fünfzehnjährigen Schüler in Deutschland aus zugewanderten Familien – ein Plus von etwa vier Prozentpunkten seit PISA 2000. Nüchtern betrachtet ist das eine durchschnittliche Quote. Im Vergleich zu anderen mittel- und nordeuropäischen Ländern liegt Deutschland etwa im Mittelfeld.

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Download von „PISA 2009 – Bilanz nach einem Jahrzehnt“ sowie die „Zusammenfassung des Berichts zu PISA 2009“ gibt es auf den Internetseiten des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung als kostenlose PDF-Datei.

Dort liegt Deutschland auch im Leistungsvergleich. Eine deutliche Verbesserung der Leseleistung von Schülern mit Migrationshintergrund verhilft Deutschland zu einem insgesamt kleinen Sprung nach vorne. Dennoch liegen Kinder aus zugewanderten Familien bei PISA 2009 immer noch um mehr als ein Schuljahr zurück.

Schule entscheidet über Schulerfolg
Die Unterschiede in den Schulleistungen sind nach wie vor stark geprägt durch den sozio-ökonomischen Hintergrund der Familien, aber mehr noch der Schulen. Der Leistungsabstand zweier Schüler mit ähnlichem Hintergrund beträgt in Deutschland mehr als 100 PISA-Punkte, je nachdem, ob er auf eine Schule mit günstigem oder ungünstigem Umfeld geht. In keinem anderen Land hat ein sozial ungünstiges Schulumfeld einen derart starken Einfluss auf die Leistungen von Kindern aus sozial schwachen Familien.

Klaus Wenzel, Präsident des bayrischen Lehrerverbandes, warnt in der Süddeutschen Zeitung vor dem „Grundübel“ der großen Ungerechtigkeit im deutschen Schulsystem. Der Leiter des deutschen PISA-Konsortiums, Eckhard Klieme, bestätigt diesen Befund im Deutschlandradio: „Es ist ja auch richtig, weil wir Ungerechtigkeit haben nach wie vor. Wir haben unterschiedliche Chancen, auf eine gute Bildungseinrichtung zu kommen, weiterführende Abschlüsse zu gewinnen“.

PISA wird seit 2000 von der OECD durchgeführt, um die Kompetenzen 15-Jähriger in den zentralen Bereichen Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften zu ermitteln. Bei PISA 2000 und PISA 2009 stand die Erfassung des Leseverständnisses im Zentrum, bei PISA 2003 die Mathematik, bei PISA 2006 die Naturwissenschaften. An PISA 2009 haben neben den 34 OECD-Staaten 31 Partnerstaaten und -regionen teilgenommen. In Deutschland wurden für den internationalen Vergleich insgesamt ca. 5000 Schülerinnen und Schüler aus 226 Schulen getestet.

Mehrgliedriges Schulsystem abschaffen
Ungeachtet dessen zählt Maria Böhmer folgende fünf Punkte für eine stärkere Förderung von Migrantenkindern auf: Neben einer Sprachförderung bereits ab drei Jahren plädiert sie für eine verbesserte Qualifikation der Lehrkräfte, individuelle Förderung, Mitwirkung der Eltern sowie eine verstärkte Unterstützung von Schulen mit hohem Migrantenanteil.

„Typisch für Deutschland“ nennt das Memet Kilic (Die Grünen). Man gehe nicht an die Strukturen und Ursachen ran. Vielmehr werde Zeit mit der Bekämpfung der Symptome vergeudet. Solange an der Mehrgliedrigkeit der Schule festgehalten werde, sei das Schicksal vieler Migrantenkinder vorprogrammiert. Für eine bessere Zukunft dieser Kinder müsse das mehrgliedrige Schulsystem abgeschafft und flächendeckend gebundene Ganztagsschulen eingerichtet werden.

Ähnlich sieht es auch die bildungspolitische Sprecherin der Linkspartei, Rosemarie Hein: „Eine zentrale Ursache für diese soziale Ungleichheit liegt nach der Studie im gegliederten Schulsystem begründet, welches die Kinder viel zu früh in eine für sie vermeintlich passende Schulform einsortiert.“ Es sei nicht hinnehmbar, dass insbesondere Schüler bei vergleichbarem sozialem Hintergrund in Abhängigkeit davon, welche Schule sie besuchen, Lernunterschiede von bis zu zwei Schuljahren aufweisen.

Weniger dramatisch fasst Professor Eckhard Klieme vom Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) die PISA-Ergebnisse zusammen: „Die Kompetenznachteile sind immer noch groß, aber das deutsche Schulsystem ist der Chancengleichheit ein Stück näher gekommen.“ Gesellschaft

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