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Lamyas Welt

Warum die Muslime so rückständig sind

In der islamischen Welt gibt es keine einzige Demokratie. Auch hat sie kaum einen Nobelpreisträger hervorgebracht. Schuld allein ist der Islam. Gut gebrüllt, Löwe, findet Lamya Kaddor in ihrer neuesten Kolumne.

Von Freitag, 10.12.2010, 8:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 29.01.2017, 10:13 Uhr Lesedauer: 6 Minuten  |  

In letzter Zeit hört man immer wieder zwei schlagende Argumente für die Rückständigkeit des Islam. Eines davon lautet, dass es in der gesamten islamischen Welt nicht eine einzige Demokratie gebe. Dem mag man im ersten Moment beipflichten, genauso wie der Aussage, dass es kein afrikanisches Land mit einer Demokratie gebe oder kein buddhistisches.

Der Hinweis auf die Türkei wird in der Regel damit gekontert, dass diese keine echte Demokratie sei, weil sie zu viele Defizite aufweise. Wenn dem so wäre, ist sie es ebenso wenig wie Südafrika, Thailand oder Brasilien, nur mit dem Unterschied, dass diesen Ländern in unseren Diskussionen der Status seltener abgesprochen wird. Aber bleiben wir beim Inhaltlichen.

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Über welches andere Mitgliedsland der 57 Staaten der Organisation der Islamischen Konferenz wollen wir hinsichtlich der Demokratiefrage reden? Über den Irak? Über Afghanistan? Oder eines der anderen Staaten, in denen fremdländische Kulturen in den vergangenen Jahrzehnten kräftig an den Rädern der Macht gedreht haben – mal so herum, mal so herum? Wir können auch über den Iran sprechen, es muss ja nicht immer gleich ein Krieg mit ausländischer Beteiligung sein, der die eigenständige Entwicklung gestört hat. Wer griff dort in den 50er Jahren noch mal ein, um das autoritäre Regime von Schah Reza Pahlavi zu stärken, dessen Herrschaft später in die Islamische Revolution mündete? Richtig, ebenfalls Ausländer, schließlich mussten diese den Zugriff auf die iranischen Bodenschätze sicherstellen, was ihnen der Schah im Gegensatz zu den demokratischen Kräften im Land nun mal großzügig gewähren wollte. Und wenn wir schon dabei sind, fragen wir uns doch auch gleich, wie viele fremdländische Kulturen im Gegenzug eigentlich in Deutschland, Frankreich und Großbritannien die Geschicke manipuliert haben? Richtig, keine!

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Aber gut, lassen wir das, sprechen wir über die Vereinigten Arabischen Emirate oder über Katar, Bahrain, Kuweit. Diese Länder waren vor fünfzig Jahren nichts als eine Ansammlung von Gehöften in der Wüste. Plötzlich kam märchenhafter Reichtum in Form von Öl und Gas über sie, sodass das Sinnieren über staatliche Strukturen zur Nebensache geriet. Welche vergleichbare Entwicklungsgeschichte gibt es im Westen?

Oder sprechen wir über Indonesien, Malaysia oder Bangladesch. Das sind mehr oder weniger funktionierende Demokratien. Gewiss gibt es dort viel mehr Defizite als in Norwegen, Schweden oder Finnland. Aber die „Unabhängigkeit“ der Skandinavier währt auch schon länger als 60, 50 bzw. 40 Jahre.

Beim Stichwort „Unabhängigkeit“ kann man natürlich auch an Länder wie die USA, Kanada oder Australien denken. Der Unterschied zu Indonesien ist nur, dass die Urbevölkerung dort durch die Einwanderung ganzer Heerscharen aus der alten Welt marginalisiert wurde. Zugleich kamen die Einwanderer überwiegend zu einem Zeitpunkt, als das Abendland zur aufstrebenden Weltmacht in politischer, militärischer und wissenschaftlicher Hinsicht avanciert war. Entsprechend brachten sie die politischen, militärischen und wissenschaftlichen Ideen und Fortschritte ihrer Zeit mit, die denen der anderen überlegen waren. Ähnliches geschah übrigens im 7., 8. und 9. Jahrhundert durch die Muslime.

Allerdings gründen die Aufstiege der Europäer oder der Araber auf nichts anderem, als auf einem zufälligen Zusammentreffen bestimmter historischer Ereignisse. Ihr Erfolg rührt jedenfalls nicht daher, dass die Europäer an sich so besonders intelligent oder die Araber als solche so besonders begabt gewesen wären.

Wenn wir uns also darüber unterhalten wollen, warum es „keine“ Demokratien in der islamischen Welt gibt, dann können wir dies nicht ohne die Berücksichtigung der Weltgeschichte und der jeweiligen Landesgeschichten tun. Die Betonung liegt auf „Berücksichtigung“. Das heißt, es sind nicht allein die Historie und die so genannten „exogenen Faktoren“, die für die diagnostizierte Rückständigkeit eine Rolle spielen. Sie sind lediglich ein gewichtiger Teil des Problems.

Der andere Teil des Problems sind die hausgemachten Defizite, die so genannten „endogenen Faktoren“ wie Korruption, Misswirtschaft, mangelnde politische Partizipation der Bevölkerung bzw. Bevölkerungsteile oder – und an dieser Stelle findet nun auch endlich „der“ Islam seinen Platz – ein restriktives Religionsverständnis.

Nobelpreisträger
Ein weiteres schlagendes Argument lautet: Der Islam ist bildungsfeindlich, schließlich haben die Muslime nur wenige Nobelpreisträger hervorgebracht. Gut gebrüllt, Löwe. Diese einfache „Beweisführung“ eignet sich prima, um munteres Kopfnicken an Stammtischen zu erzeugen. Dabei dürfte der Grund derselbe sein, warum die Hindus so wenige Nobelpreisträger hervorgebracht haben, oder die Afrikaner, oder die Südamerikaner oder die Chinesen. Nur, mit deren Religion und Kultur hat das weniger zu tun.

Man sollte besser fragen, warum die USA so einen Riesenvorsprung in allen Nobelpreis-Kategorien haben? Vielleicht sind US-Amerikaner ja tatsächlich so viel intelligenter als Europäer, Asiaten und andere. Ich glaub jedoch, es liegt weniger daran, dass eine Geburt in den nicht-muslimischen USA mit der Weitergabe einer besonderen Intelligenz verbunden ist. Ich glaube, es liegt eher daran, dass die Wissenschaftslandschaft in den USA um einiges besser ist als anderswo. Und beim Stichwort Wissenschaftslandschaft sind wir wieder bei den exogenen und endogenen Faktoren der staatlichen Entwicklung.

Selbstverständlich kann auch hier bezüglich der islamischen Welt das Islamverständnis als Faktor berücksichtigt werden, aber eben nicht als zentraler oder gar als einziger. Wenn explizit der Islam so sehr mit fehlender Bildung zu tun hätte, wie konnte dann die islamische Welt einst einen so großen Wissensvorsprung in allen Bereichen erzielen, während Europa im finsteren Mittelalter darben musste? Wer hätte wohl vor einigen hundert Jahren die meisten Nobelpreise bekommen?

Vielleicht der Mathematiker Khawarizmi wegen seiner Ausführungen zur Algebra. Oder sein Kollege al-Battani wegen seiner Arbeiten zur Trigonometrie, zur Planetenberechnung oder zur bis auf zwei Minuten exakten Bestimmung des Sonnenjahres. al-Biruni böte sich vielleicht an wegen seiner nahezu exakten Berechnung des Erdradius oder der Erfindung des Pyknometers, mit dessen Hilfe bis heute die Dichte von Flüssigkeiten und Pulvern ermittelt wird. Auch der berühmte Mediziner Ibn Sina wäre gewiss nicht leer ausgegangen. Ebenso der große Naturwissenschaftler Ibn al-Haytham, der maßgebliche Wegbereiter der Optik und Erfinder der Lupe. Oder der Konstrukteur al-Jazari, Vordenker der Kybernetik und Pionier der Zeitmessung. Oder al-Fazari, dem der Bau des ersten Astrolabs in der islamischen Welt zugeschrieben wird. Heiße Anwärter wären sicher auch der Geograf al-Idrisi mit seiner Weltbeschreibung und der dazugehörigen Karte („Tabula Rogeriana“) gewesen sowie der Botaniker al-Baitar für seine systematische Darstellung von mehr als 1.000 Heilpflanzen und Rezepturen. In den Fokus würde sich vermutlich auch der osmanische Erfinder Taqi al-Din drängen, von dem im 16. Jahrhundert – also auch noch nach dem so genannten goldenen Zeitalter des Islam – die Beschreibung einer Dampfmaschine überliefert ist; lange bevor sie in Europa entdeckt und zum Motor der Industrialisierung wurde. Die Liste der potenziellen Nobelpreiskandidaten ließe sich noch beliebig verlängern… Aktuell Meinung

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  1. ernst sagt:

    @Tei Fei „Vor Erfindung des protestantischen Arbeitsethos war die Menschheit auch nicht anders organisiert.“ Falsch.

    1. Das sehen Sie völlig falsch. Von ca. 500 bis 1100/1200 gab es im Alltagsleben der Europäer außerhalb Südeuropas keine umfassende Geldwirtschaft. Geld hat man benützt, wenn es darum ging, wirklich teure Waren zu kaufen (Salz, Eisen, Metalle, Gewürze usw.). Deswegen kann man aber nicht von einer Geldwirtschaft sprechen. Sie werden außerhalb des städtischen Bereichs kaum Rechnungsbücher aus dieser Zeit finden. Schon die Verkehrsbedingungen haben dazu geführt, dass eine Massenproduktion und ein Massenvertrieb von Waren unmöglich war. Die Welt war total feudal, kannte nicht einmal einen Staat. Darum konnten die Werte Arbeit-Verdienst-Konsum-Leistung-Erfolg nicht vorrangig sein. Wichtiger waren Schutz und Schirm, Treue, Gabe und Gegengabe, Pflicht, Huld, Caritas und Friede, denn Friede war stets gefährdet. Arbeit war wichtig, aber Kennzeichen des Dritten Standes. Etwas Unvornehmes.
    Eine große Überschussproduktion war nicht möglich. Viel wichtiger als irgendwelche Ungerechtigkeiten seitens der Feudalherren war es, gegen die Natur anzukämpfen. Die Welt war also total anders. Ah ja und wenn Sie jetzt die „Städte“ erwähnen, möchte ich doch zu bedenken geben, dass das mit wenigen Ausnahmen meist „Dörfer“ waren. Fazit: Kultur ist nicht gleich Kultur.

    2. Märkte waren das Nonplusultra, da man Waren außerhalb der Städte nicht mir nichts dir nichts erwerben konnte. Waren waren aber teuer. Die Subsistenzwirtschaft herrschte vor, in Deutschland hat es diese Subökonomie noch bis ca. 1950 gegeben. Da hat man erfinderisch sein müssen. Schwaben war z.B. arm, genauso Schottland. Frage: Wo leben die größten Sparfüchse? Eben.

    3. Der Vorteil der Europäer war ihre Armut und der Hang zunächst nach Innen zu expandieren. Das Phänomen der Armut trifft selbst auf die Fürsten zu, die bekanntlich in der Frühen Neuzeit unter stetigem Geldmangel litten.
    Dieser jahrhundertelange notorische Geldmangel ist es, wieso die kapitalisitische Arbeitsethik so um sich gegriffen hat.
    Sie wurde gezielt gefördert, so wie man in moderner Zeit Russland oder in China das Arbeitsethos gefördert hat, beides Länder die in Teilen noch sehr weit „hinten“ sind, obwohl sie eigentlich viel mächtiger, viel größer und viel reicher sind.

    4. „Der Held der Arbeit“ kommt nicht von ungefähr. China hat sich unter Mao Tse Tung radikal an europäischen Vorbildern orientiert, so dass man mit Fug und Recht sagen kann, dass die Chinesen in vieler Hinsicht europäisiert wurden. Wer trägt denn europäische Anzüge, Krawatte oder Arbeitermützen? Wer spricht denn Englisch? Eben.

    5. Der große Unterschied zu anderen Kontinenten liegt darin, dass man den Menschen in Europa eher als wertvolle individuelle Ware betrachtet hat, als Teil des landesfürstlichen Reichtums. Der Alte Fritz, Herrscher eines Kartoffelstaats, hat händeringend nach klugen Leuten gesucht.
    Im osmanischen Reich z.B. hatte man so viele Menschen, dass man sich nicht um die Erziehung, die Ausbildung usw. groß kümmern musste. Da war immer jemand, der etwas konnte. In Europa ist das anders. Da hat man auf kleinster Ebene etwas auf die Beine gestellt. Wie sonst könnte man erklären, wieso es in vielen deutschen Kuhstädten Universitäten gab? Genau das ist es, was z.B. Russen an Mitteleuropa auffällt, die große Dichte und Vielzahl der Einrichtungen. „In Russland hat man Moskau und St. Petersburg und sonst quasi nichts“ (Zitat einer Bekannten mit russischem Migrationshintergrund). Das hat nichts mit „Rasse“ zu tun, sondern mit Geschichte.

  2. TaiFei sagt:

    @Ernst
    zu 1. Sie sehen die Welt immer nur eurozentrisch. Ihre Darstellung ist in vielen Punkten nicht falsch aber eben auf Europa beschränkt. In vielen Teilen der Welt gab es ein Geldsystem. Es gab auch breiten internationalen Handel und eine große Überschussproduktion. Der gesamte Indo-pazifische Raum funktionierte auf diese Weise bereits vor dem Eintreffen der Europäer schon so.
    2. Nochmal Sie sprechen hier nicht für die MENSCHHEIT.
    ernst sagt: 23. Dezember 2016 um 13:50
    „3. Der Vorteil der Europäer war ihre Armut und der Hang zunächst nach Innen zu expandieren. Das Phänomen der Armut trifft selbst auf die Fürsten zu, die bekanntlich in der Frühen Neuzeit unter stetigem Geldmangel litten.Dieser jahrhundertelange notorische Geldmangel ist es, wieso die kapitalisitische Arbeitsethik so um sich gegriffen hat.“
    Der „Geldmangel“ ist auf der Tatsache der fehlenden Geldwirtschaft begründet und keineswegs auf allgemeine „Armut“. Natürlich gab es sehr arme Gegenden aber immer schon auch sehr reiche. Die sächs. Wirtschaftskraft gründete sich z.B. auf den lukrativen Erzabbau. Die italienischen Fürstentümer/Adelsrepubliken wiederum waren die letzten Zwischenhändler für den Fernost-Handel. Gerade letztere waren sehr reich und damit auch die Basis für den Beginn der kap. Produktionsweise. Deren Ursache liegt nämlich weniger im Geldmangel als vielmehr in der Suche von überschüssigem Kapital nach Anlage und Gewinn. DAS ist vor allem die Basis des europ. Aufstiegs. Dieses Kapital finanzierte zu Beginn die großen europ. Expansionen. Diese waren auch gar nicht nach innen gerichtet, wie behauptet. Die Kolonisation verlief zeitgleich mit dem europ. Aufstieg. Der Aufstieg der Niederlande und Englands zu führenden Wirtschaftsmächten ist eng mit der Übernahme des Zwischenhandels aus Fernost bzw. der Entwicklung des Atlantikhandels gekoppelt. Diese etablierten das kapitalistische System, welches wiederum eine konsequente Industrialisierung in Gang setzte. Von dieser Industrialisierung wiederum profitierten dann erst die dt. Gebiete, welche bis in 19. Jh. wirtschaftlich eher zweitrangig waren, von einigen Handelszentren abgesehen.

    4. Ganz im Gegenteil Mao entzog sich dem europ. Vorbild. Er entwickelte einen völlig konträren Weg, was ja auch zum Bruch mit dem Leninismus führte. Chinas Erfolg ist aber weniger auf Mao sondern mehr auf Deng Xiaoping zurückzuführen. Die Übernahme großer Teile der kapitalistischen Produktionsweise führte zum entscheidenden Erfolg. Das Tragen von Anzügen und sprechen der international vorherrschenden Sprache sagt nichts über irgendwelchen Ethos aus. Ferner war das in den sozialistischen Perioden von Russland und China sogar eher verpönt.
    5. Das sich viele Fürsten mit reichen und klugen Leuten umgaben, hat wenig mit einer allgemeinen Wertschätzung des „Menschen als Ressource“ zu tun. Übrigens hat Peter der Große ähnlich gehandelt, auch er suchte händeringend nach klugen Beratern. Das hat Russland aber in weiten Teilen auch nichts gebracht. Zudem war die Einführung der Schulpflicht in Europa in vielen, gerade ländlichen Bereichen, eher eine Absichtserklärung. Eine allgemeine Durchsetzung war gar nicht möglich. Dies ist eigentlich eher die Errungenschaft des späten 19. Jhs. Es ist auch nicht sinnvoll hier Russland mit Mitteleuropa zu vergleichen. Europa war in vielen Perioden der Geschichte überbevölkert, was ja die großen Expansionswellen hervorrief. Das gilt für weite Teile Russlands und auch des osmanischen Reiches überhaupt nicht. Hinzu kommt, dass gerade das dt. aber auch das ital. Territorium lange Zeit dezentral organisiert waren. Das ist auch der Grund, warum es in DE nie eine große Megapole gegeben hat und gibt. In den meisten anderen europ. Ländern ist das anders. Der Großraum Paris oder London schlägt andere Zentren dieser Länder um Längen. Hier ist also schon innerhalb Europas eine starke Diversität gegeben.

  3. Veronik sagt:

    @TaiFei
    @ernst

    Ich resümiere mal Ihre Ansichten:
    TaiFei mag Europa, die Europäer und ihr Art zu denken nicht. Europa hat der Welt keine nennenswerten Errungenschaften gebracht und wenn doch, dann gab es davor bereits irgendwo irgendwann eine Kultur die das Gleiche auch schon gemacht hat. Eurozentrisches Denken hat für ihn eine ähnlich negative Konnotation, wie Rassismus.

    Ernst glaubt Europa wäre der Nabel der Welt und aus religiös-sozialen Gründen zu dem geworden, was es heute ist. Er denkt, dass das abkupfern von anderen Staaten (Bsp. China von Europa), die Überlegenheit des agekupferten Staats unterstreicht. Ernsts Überlegenheitsgefühl das er als eine Art Selbstverständlichkeit ansieht würde zum Verfall Europas führen.

    Europas einzige Überlegenheit ggü. bspw. den muslimischen Ländern (Thema des Artikels) ist die Fähigkeit sich weiter zu entwickeln. Dinge/Dogmen in Frage zu stellen, Konzepte zu entwerfen sie durchzusetzen und dran zu bleiben. Dafür ist hauptsächlich die Abwesenheit/Einschränkung von Religion notwendig. Religion ist immer eine Bremse des Fortschritts und absolut niemals eine Innovations- oder Inspirationsquelle und das mit Sicherheit nicht in unserem heutigen schnelllebigen Zeitalter. Die islamische Welt war vor der Hochzeit der Europäer auch weniger dogmatisch und religiös. Heute ist man derart sensibel, dass keine Sekunde an Selbstkritik gedacht wird. Ganz im Gegenteil denkt man sogar, dass mehr Religion die Lösung der aktuellen Probleme ist, dabei war der Islam seit Jahrhunderten nicht mehr so konservativ, wie Heute.

  4. TaiFei sagt:

    @Veronik
    Oh da missverstehen Sie mich. Das Europa nichts Nennenswertes hervorgebracht hätte, habe ich nie behauptet. Nur lässt sich die Menschheitsgeschichte nicht auf die letzten 500 Jahre europäische Geschichte und Vorherrschaft eindampfen und schon gar, wenn man die Wechselwirkungen der europäischen Geschichte, Wirtschaft und Wissenschaft mit dem „Rest“ der Welt einfach ignoriert. Dass eurozentrisches Denken die Basis des Rassismus ist, wird heute eigentlich kaum bestritten, sofern man strukturellen/administrativen Rassismus nicht komplett ignoriert. Ich kann darin letztendlich auch nichts positives entdecken.
    Veronik sagt: 4. Januar 2017 um 11:42
    „Europas einzige Überlegenheit ggü. bspw. den muslimischen Ländern (Thema des Artikels) ist die Fähigkeit sich weiter zu entwickeln“
    Schon dieser Ansatz ist wieder eurozentrisch. Sie verweigern allen muslimischen Ländern (vom Magreb bis Südostasien) vollständig die Fähigkeit sich weiter zu entwickeln. Das ist natürlich lächerlich. Jede Gesellschaft entwickelt sich weiter. Jede hat aber auch ihr eigenes Tempo und ihre eigene Richtung. Die Annahme das allein unserer, also der europ. Weg DER Richtige ist, finde ich schon eher bedenklich. Zurzeit arbeiten wir z.B. eher recht kräftig an einen dritten Weltkrieg oder wahlweise einem kompletten Konkurs unseres Finanzsystem, was einen wirtschaftlichen Weltkollaps bedeuten könnte.
    Veronik sagt: 4. Januar 2017 um 11:42
    „Dafür ist hauptsächlich die Abwesenheit/Einschränkung von Religion notwendig. Religion ist immer eine Bremse des Fortschritts und absolut niemals eine Innovations- oder Inspirationsquelle und das mit Sicherheit nicht in unserem heutigen schnelllebigen Zeitalter“
    Allein die Abwesenheit von Religion bedeutet gar nichts. Die Golfmonarchien sind theokratische Autokratien und dennoch ist der technologische Fortschritt dort inzwischen sehr hoch, auch wenn z.Z. hauptsächlich nur eingekauft. Der Stalinistische Block lehnte Religion rigoros ab ist dennoch moralisch wie wirtschaftlich gescheitert. Religion war auch in der Vergangenheit vielfach sogar eine Inspirationsquelle. Problematisch wird Religion i.d.R. nur wenn sie dogmatisch gesellschaftliche Veränderung behindert. Das ist aber nicht zwangsläufig im Kern einer Religion verankert sondern eher an der jeweiligen herrschenden Klasse. Das Problem haben einige muslimische Länder im Kleinen aber die Welt insgesamt gesehen im Großen. Die herrschende Klientel des Planeten lebt noch fast vollständig in westlichen Breiten und bestimmt das Wesen der globalen Wirtschaft und Politik nach Ihren Bedürfnissen. Davon partizipiert aber auch im Westen nur noch ein immer kleinerer Teil.
    Veronik sagt: 4. Januar 2017 um 11:42
    „Die islamische Welt war vor der Hochzeit der Europäer auch weniger dogmatisch und religiös. Heute ist man derart sensibel, dass keine Sekunde an Selbstkritik gedacht wird. Ganz im Gegenteil denkt man sogar, dass mehr Religion die Lösung der aktuellen Probleme ist, dabei war der Islam seit Jahrhunderten nicht mehr so konservativ, wie Heute.“
    Die islamische Welt ist nicht so homogen, wie hier unterstellt. Sie reicht von Nordafrika bis nach Südostasien. Nicht überall wird eine mehr an Religion gefordert und dort wo das passiert ist diese Entwicklung auch keineswegs vom Himmel gefallen. Sie wurde recht aggressiv vom Westen gefördert, um dortige Gebiete unter Kontrolle zu bringen oder sie der Kontrolle durch andere zu entziehen. Nach dem WW2 wurde gerade im arabischen Raum eine umfangreiche Säkularisierung betrieben. Die Wende erfolgt hier erst nach dem 6-Tage-Krieg. Aber weder davor noch danach war die Entwicklung in den heutigen muslimischen Krisenherden niemals frei von westl. Beeinflussung. Die heutige globale Wirtschaft basiert im Wesentlichen immer noch auf dem kolonialen System westl. Vorherrschaft. Die zunehmende Schwäche der USA ihre Pax global umzusetzen, bewirkt den zunehmenden Einfluss einiger radikal religiöser Elemente auch nach Europa, welches seine Dominanz seit dem WW1 nicht mehr global durchsetzen konnte. Diese religiöse Radikalisierung einiger/vieler Muslime ist aber vielfach eine späte Folge des Systemkonflikts der „freien Welt“ mit dem „gottlosen“ Stalinismus.
    Neu hinzugekommen sind seit den späten 80ern die Staaten, welche die Kolonisation inzwischen überwunden haben, bzw. sich daraus befreien konnten. Das sind im Wesentlichen die BRICS-Staaten ohne Russland, welches man etwas gesondert betrachten muss, sowie die asiatischen Tigerstaaten. Besondere Bedeutung kommt hier nun eben China zu aber auch Indien als direkten Konkurrenten. Gerade die asiatischen Staaten haben aber ganz andere Traditionen als die westliche Kultur. Die Übernahme des kapitalistischen Wirtschaftssystems geschah dort eher aus der Notwendigkeit heraus und weniger aus kultureller Überzeugung.

  5. Ernst sagt:

    @Veronik

    Religion kann sehr wohl Innovationsmotor sein. Wir haben in Deutschland z.B. eine Relgion der Arbeit und der Nützlichkeit, das hat historisch gesehen viel mit protestantischer Ethik zu. Heute würde man das nicht mehr als „Religion“ bezeichnen, sondern als verbindliches Normengefüge. Im Prinzip ist das aber nichts anderes als eine Religion.
    Juden sind gebildeter als Muslime, weil Bildung jahrhundertelang ein hohes Gut war im religösen Kult der Juden.

    Es wäre ein großer Irrtum, zu glauben, dass moderne Menschen keine „Religion“ hätten. Religion ist die Sache, der man sich tagtäglich hingibt, die man gewissermaßen anbetet. Was betet der Deutsche an? Die Arbeit, das Geldverdienen, das Konsumieren, die Leistung und den Erfolg. Wir würden das Amerikanismus nennen, dabei sollten wir aber nicht vergessen, dass mindestens ein Viertel der Amerikaner in den USA deutsche Wurzeln haben. Fahr durch ein x-beliebiges Dorf in den USA. Das haucht den deutschen Pietismus in Reinkultur.

    @Tei Fei Dass Europa weltweit expandierte und über Reichtumszentren verfügte, sei nicht bestritten. Allerdings darf man Ursache und Wirkung nicht verwechseln.

    1. Gerade Länder, die k e i n e Kolonien hatten, wurden zu global playern. Regionen in Baden-Württemberg oder der Schweiz können bezüglich der Zahl an Patentanmeldungen pro 100.000 Einwohner spielend leicht mit Großregionen wie London oder Paris mithalten. Das hat schon mit Tradition zu tun. Denn das Kapital ist in London viel einfacher zu bekommen als in Sindelfingen oder Uri.

    2. Die aufstrebenden Nationen des 19. Jahrhunderts verdankten ihren Reichtum nur bedingt dem Imperialismus und Kolonialismus. Bismarck hat z.B. über die deutschen Kolonien gespottet, die wenig einbrachten.
    Spanien und Portugal, die einst über die größten Landgebiete verfügt hatten, war es eben nicht gelungen, eine leistungsfähige Wirtschaft zu entwicklen. Italien war ökonomisch betrachtet – vom Norden abgesehen – eine Lachnummer, Frankreich war zurückgefallen, Großbritannien ebenso. Die USA verdankten ihren Wohlstand gewiss dem materiellen Reichtum, aber ganz gewiss auch der Arbeitsethik der protestantischen Weißen. Jedenfalls ist mir nicht bekannt, dass die katholischen Länder Südeuropas durch eine hohe Dichte an Unternehmen wie in den USA auffallen. Der typische Unternehmer der USA war Protestant, war arm und hat hart gearbeitet. Bei europäischen Juden ist es ähnlich. Gegenbeispiele gibt es natürlich auch, nur ist das halt nicht „typisch“ für diese Zeit.

    3. China und v.a. Japan haben sich radikal an Europa orientiert. Bei Japan kann das überhaupt nicht abgestritten werden. Militärisch und juristisch war Preußen ein großes Vorbild für Japan.

    4. Gab es in Deutschland sehr wohl Megapolen: Das Ruhrgebiet (immer noch sehr rgroß!), Hamburg, Berlin (das früher kein Sozialistenparadies, sondern eine führende Weltstadt war). Nürnberg, Frankfurt, Köln usw. waren auch im Mittelalter europäische Zentren. Auch Wien war groß. Der deutschsprachige Raum hatte mehr Millionenstädte als Großbritannien. Man hatte daneben aber auch viele andere Zentren, ganz im Unterschied etwa zum ländlichen Frankreich.

    5. Kann man den „Reichtum“ Sachsens, der Schweiz, Frankens oder Schwabens keineswegs mit Kapital erklären, das aus irgendwelchen Kolonien kam. Deutschland hatte keine Kolonien. Im Übrigen gab es auch in Sachsen und Thüringen arme Regionen. Tirol, das einen ähnlich bedeutenden Bergbau hatte, entwickelte sich nicht zum industriellen Zentrum, trotz hervorragender Verkehrslage.

    6. War Deutschland im 19. Jahrhundert Großbritannien wissenschaftlich und technologisch weit überlegen, aber nicht finanziell. Gerade das widerlegt aber ihre These, dass Europa seinen Wohlstand der Ausbeutung der übrigen Welt zu verdanken hat. Auf Mitteleuropa trifft dies eben nicht zu.
    Man musste sich selbst ausbeuten, durch Arbeit, professionelle Arbeit, denn die brachte etwas ein.

    7. Ist es im Prinzip ja auch heute noch so, dass deutsche Unternehmen sich nicht auf „Macht“ und „Größe“ ausruhen können und einem Militärapparat (wie die USA). Sie müssen einfach die besseren Produkte anbieten. Um das zu erreichen, braucht man „Tugenden“, „deutsche“ Tugenden.
    Das ist sehr wohl ein Riesenunterschied auch zu Asien, wo man die eigene Industrie übertrieben protegiert. Die Philosophie ist schon eine ganz andere. Wo in Asien (z.B. in Korea) industrielle Cluster, Großsstruktren und Kartelle geschaffen werden, um den Weltmarkt nach Möglichkeit zu beherrschen, spezialisiert sich der deutsche Unternehmer und besetzt Nischen. Am Ende wird er damit erfolgreicher sein. Was nützt China z.B. die Dominanz im weltweiten Stahlgeschäft, wenn so viel Stahl produziert wurde, dass er am Ende nichts mehr wert ist? Beim Autobau oder beim Schiffsbau in Korea dürfte es nicht viel anders sein. Giganten auf tönernen Füßen. Die USA sind da auch nicht viel besser, sie haben ihre Autoindustrie durch Protektionismus bekanntlich kaputt gemacht. Der gigantische High-Tech Sektor in den USA bringt am Ende auch nichts, da die industrielle Basis fehlt. Unterhalb der börsennotierten Riesen gibt es dort in der Relation recht wenig.
    (Dass Deutschland in den letzten Jahrzehnten hinsichtlich seiner Wettbewerbsfähigkeit erheblich geschludert und geschlampt hat, sei nicht bestritten. Ein Land ohne Ressourcen kann sich das nicht leisten.)

    8. Hat es in Mitteleuropa immer eine gebildete Mittelschicht gegeben, schon im Mittelalter. Bildung war wichtig. Die Städte machten es vor, die Fürsten förderten es. Dass weite Teile der Bevölkerung nicht gebildet waren, ändert nichts daran, dass man auch in kleinen Städten eine gebildete Schicht hatte. Auf diesen Strukturen konnte man aufbauen. Viele deutsche Universitäten, Museen, Schulen, Bibliotheken und Akademien haben ihren Ursprung vor 1600. Von nichts kommt nichts.
    Daher ist es kein Zufall, dass Deutschland um 1900 eine geringere Analphabetenquote hatte als heute (die heutige ist weitgehend zuwanderungsbedingt). Die deutsche Bildungselite konnte um 1900 jedenfalls auf eine lange Tradition zurückblicken, ebenso das Handwerk usw. Noch heute stammen viele Unternehmen aus dieser Zeit. Die Krupps, die Siemens und die Rathenaus sind nicht aus dem nirgendwo gekommen. Viele haben klein angefangen, viel stammten aus Bürger- und Handwerkerschichten.

    9. War es letztlich für Deutschland ein riesiger Vorteil, k e i n e Kolonien zu haben, da man ohne fremde Hilfe mit wenig Geld erfinderisch und innovativ sein musste, um mit anderen mitzuhalten. Das ist noch heute der Vorteil, gegenüber den USA oder China. Die können ohne Protektionismus ja gar nicht auf das … gehen! Man bedenke doch, was für einen Zirkus ein deutscher Unternehmer in China veranstalten muss, um Geschäfte zu machen oder Produkte feilzubieten. Da muss man „besser“ sein, sonst besteht man einfach nicht.

    10. Ist Deutschland immer noch relativ arm. Andere vergleichbare Länder, die technologisch weniger vorn sind, sind reicher. Es ist also keineswegs immer ein Vorteil, am großen Geld zu sitzen.

    11. Unterscheidet sich ein schwäbischer Millionär in aller Regel von einem saudischen Ölprinzen. Spare, spare, schaffe, schaffe, Häusle baue, koan Hond kauffa, selbr bella. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein superreicher Araber so denkt. Auch ein „Edling“ aus den Reihen der KP wird wohl eine andere Mentalität haben.

    (12. Sind noch alle Großreiche schnell zusammengebrochen. Deutschland hat den Vorteil, „klein“ zu sein. Darum ist es sinnvoll, nicht übermäßig zu expandieren. Die EU bringt uns z.B. in ihrer jetzigen Form recht wenig. Entscheidend sind nicht so sehr die Marktmacht und die Absatzmärkte (was bringt uns die Ukraine oder die Türkei?), entscheidend ist die Fähigkeit sich anzupassen und die Qualität der Produkte. Dass es ohne Euro geht, hat die Zeit zwischen 1949-89 hinreichend gezeigt.)

  6. Samson sagt:

    @Tei Fei Ich fasse Ihren Standpunkt zusammen: Deutschlands Wohlstand beruht darauf, dass Deutschland Kolonien hatte, mit deren Hilfe man fremde Völker ausgebeutet hat. Das hat uns das Kapital gebracht, mit dem wir unseren Wohlstand aufgebaut haben, denn Wohlstand ist das Resultat von Ausbeutung. Wir verdanken unseren Wohlstand also unserer Kolonialzeit von 1884-1918. Kamerun hat es möglich gemacht!
    Wer Wohlstand durch Ausbeutung erlangt hat, kann in Bildung investieren. Hat er das gemacht, ist er klug. Kultur ist das Produkt von Geld. Wer kein Geld hat, hat keine Kultur. Nur wer erfolgreich ist und etwas darstellt, kann etwas im Kopf haben. Wer Erfindungen macht und Ideen hat, muss automatisch privilegiert sein. Darum muss jeder, der nicht gebildet ist, keine Ideen hat und keine Erfindungen macht, an Geld kommen. Die Migrationsprobleme lösen sich alleine dadurch, dass man Geld in die Hand nimmt und es verteilt, am Besten 6000 Euro pro unbegleiteten Flüchtling. Die Investitionen führen dann automatisch dazu, dass die Leute integriert sind. Darum sind Menschen in unserem Sozialsystem ja viel besser integriert als in Ländern, in denen es keinen vergleichbaren Sozialstaat gibt. Im Übrigen sind die Söhne von Millionären und Fußballspielern viel intelligenter als diejenigen von Mathematikprofessoren, die 6000 Euro im Monat verdienen. Bildung ist schließlich Geldsache. Wer Geld hat, muss gebildeter sein. Darum empfehle ich jedem: Werdet Maurermeister, LKW-Unternehmer oder Fußballspieler. Die verdienen mehr als manche Akademiker. Das bringt die Nation voran. :) :) :) :)

  7. Veronik sagt:

    @TaiFei

    Sie machen es sich zu einfach, wenn Sie die Schuld immer nur beim „Westen“ suchen. Ich frage mich warum es denn dem Westen überhaupt möglich war, die muslimisch geprägten Länder so beeinflussen zu können, Kriege anzuzettel oder zu unterstützen. Warum geht das nicht in Brasilien , China, Amerika, Kanada oder Indien. Viele Länder scheinen vom Westen auch mal kolonialisiert und haben trotzdem einen steigenden Wohlstand und Innovationskraft. Warum gibt es bspw. keinen Flugzeugbauer aus dem Nahen oder Mittleren Osten? Weltraummissionen? Gibt es Autobauer? Wieso gibt es selbst zwischen Sunniten und Schiiten unüberwindbare Konflikte, obwohl so viele Möglichkeiten zur Zusammenarbeit vorhanden wären?

    Ich glaube nicht unbedingt dass der Islam schuld oder nicht schuld ist. Die Menschen sind verantwortlich, die Bürger und Zivilgesellschaft. Wieso ist der arabische Frühling gescheitert? Es war nicht der Westen der radikal islamische und Konservative Gruppen so stark unterstütz haben. Saudi Arabien und Qatar sind dafür verantwortlich zu machen. Aus meiner Perspektive war der Westen glücklich über die Aufstände gegen Diktatoren und es sah lange gut aus bis zu den ersten Wahlen…

  8. TaiFei sagt:

    Ernst sagt: 6. Januar 2017 um 12:05
    Zu1. So Baden-Württemberg ist also ein Global Player? Die Firmen welche Ihren Sitz dort haben, die sind es ganz sicher, das Bundesland selber aber eher nicht. Mir ist zumindest nicht bekannt, dass BW eine eigene Außen- und Militärpolitik betreibt. Außerdem ist die Schweiz auch nicht nur Uri sondern eben auch Genf. Dort dürfte kaum weniger Kapital liegen als in London und gerade die Schweizer profitieren schon lange von Raubgold/-geld und das sogar ganz ohne Kolonien.
    Zu 2. Die aufstrebenden Nationen profitierten vor allem von der Industrialisierung aber auch von Kolonien. Dass Bismarck über den Nutzen spottete ist doch nur Ablenkung. Natürlich kosteten Kolonien viel Geld. Die Unternehmen die dort aber Ihre Rohstoffe günstig bezogen und die Kolonien als sichere Absatzquellen hatten, verdienten sich eine goldene Nase. Sie vergessen eine Grundformel des modernen Kapitalismus: Gewinne werden privatisiert-Verluste solidarisiert. Was die USA betrifft, so sind im 19. Jh. allerdings auch recht viele katholische Iren und vor allem auch viele katholische Süddeutsche in die USA ausgewandert. Der typische amerikan. Unternehmer war zu jener Zeit übrigens der Räuberbaron. Das leugnen noch nicht mal die Amis. Und wieso ist denn UK im 19. angeblich zurückgefallen obwohl auch dort jede Menge protestantische Weiße leben und lebten. Sie merken schon, das Ihre Konzept Erfolg durch Arbeitsethik wirtschaftlicher Unsinn ist? Ich darf sie auch daran erinnern, dass das Empire den Rüstungswettlauf vor dem WW1 gewonnen hat. Es war also immer noch wirtschaftlich stabiler aufgestellt als das Reich.
    Zu 3. China wurde bis zum Sieg der Kommunisten nach dem Bürgerkrieg kontinuierlich ausgebeutet. Sie scheinen noch nichts von den ungleichen Verträgen gehört zu haben, die China inzwischen annulliert und auch diskreditiert hat. Japan hat im 19. Jh. sehr viel von europ. Staaten übernommen. Aber, und genau das ist der Punkt, keines dieser Länder hat ihre protestantische Ethik übernommen. Der Protestantismus hat weder in Japan noch in China eine Basis. Ihr Ansatz geht also komplett an der Realität vorbei. Ja beide haben die kapitalistische Produktionsweise übernommen, logisch, die ist auch überlegen. Das war´s dann aber auch schon.
    Zu 4. Dennoch ist DE nie so zentral ausgerichtet gewesen wie Frankreich, UK oder Russland. Das Ruhrgebiet ist die größte dt. Megapole umfasst jedoch mehrere Großstädte und flächenmäßig den Großteil eines ganzen Bundeslandes. Dennoch kommt es einwohnertechnisch an keinen der Großräume Paris, London, Moskau heran. Von den Megapolen in Asien oder Lateinamerika mal ganz zu schweigen. Wie Sie schon richtig sagten DE hatte schon immer mehrere Zentren.
    Zu 5. Doch DE hatte Kolonien, auch wenn Sie das gerne verdrängen. Übrigens unterhielt Brandenburg im 17. Jh. auch eine kleine Flotte um am Atlantikhandel zu partizipieren. Und ja auch in Sachsen gab es arme Gebiete und reiche Gebiete. Das ist ja meine Rede und hat eben auch nichts mit Ihrer protestantischen Arbeitsethik zu tun, die Sie ja als den Schlüssel zum Erfolg ansehen, denn Sachsen ist ja protestantisch oder sind die armen Sachsen doch Muslime?
    Zu 6. Nochmal, was beweist das? UK war und ist eine protestantische Nation. Hatten die im 19. Jh. plötzlich keine protestantische Arbeitsethik mehr, Preußen aber schon? Gab es in der gesamten englischen Industrie plötzlich keinen professionellen Arbeiter mehr? Und wo widerlegt das meine „These“ denn gerade im 19. Jh. hatte DE ja Kolonien. Das professionelle Arbeit ein Schlüssel zum europ. Erfolgsmodell war, habe ich auch nie bestritten. Professionelle Arbeit ist aber das Ergebnis der Industrialisierung, welche vor allem durch überschüssiges, anlagewilliges und profitsuchendes Kapital befeuert wurde. Dieses Kapital musste aber eben erst mal akkumuliert werden.
    Zu 7. Deutschlands wirtschaftliche Stärke basiert auf dem Automobilbau, Maschinenbau und der chemischen Industrie. Das sind keine Nischen. Und natürlich protektioniert DE auch seine Industrie. Der VW-Skandal beweist das ja in aller Deutlichkeit. Auch in DE geben Kartelle den Ton an, schon mal was vom Schienenskandal gehört? Sie fallen auf die Propaganda des dt. Mittelstandes herein. Ja der war und ist wichtig für die dt. Wirtschaft aber eben völlig abhängig von multinationalen Konzernen. Es sind auch nicht die „deutschen“ Tugenden die den Mittelstand in DE noch vor dem Sterben bewahren, sondern der größte europ. Niedriglohnsektor. Außerdem sind die USA momentan ebenfalls noch eine vorwiegend protestantische Nation. Wo ist denn nun den Ihre protestantische Arbeitsethik hingekommen?
    Zu 8. Ja, der europ. Aufstieg begann im 17. Jh, da haben Sie völlig Recht. In die gleiche Zeit fallen aber eben auch die europ. Expansion, der Beginn der ursprünglichen Akkumulation in England und der Beginn der kapitalistischen Produktionsweise. Die Welt ist halt etwas komplexer als Sie behaupten. Was den Vergleich der Analphabetenraten angeht so hinkt der recht gewaltig. Um 1900 wurde diese Quote anhand der Unterschriftsfähigkeit im Standesregister erfasst. Die moderne Sozialwissenschaft hat aber er in der zweiten Hälfte des 20. Jh. begonnen den funktionalen Analphabetismus zu erfassen und hier mit einzurechnen. Ihre Zahlen basieren auf völlig verschiedenen Erfassungsmethoden und sind damit nicht vergleichbar.
    Zu 9. Nochmal, Deutschland hatte Kolonien und zwar genau in seiner Periode des wirtschaftlichen Aufstiegs. Die gesamte Periode der dt. Industrialisierung ist geradezu geprägt von einer Periode des Protektionismus. Diese Periode kam ohne Protektionismus gar nicht aus. Sie ist ein entscheidendes Kriterium des Imperialismus im langen 19. Jh.. Sie schreiben an Fakten vorbei. China wiederum hatte und hat KEINE Kolonien. Ja China betreibt Protektionismus, Deutschland betreibt aber eben auch starken Protektionismus. Das europ. Ungleichgewicht und die EURO-Krise sind ja genau die Folge dieses Protektionismus. Und was den Zirkus angeht, den haben chinesische Unternehmer in DE auch. Wie war das noch mal mit der versuchten Aixtron-Übernahme?
    Zu 10.Woran messen Sie das denn bitte schön? DE ist ein armes Land? Das mag für Sie und mich gelten unser BIP sagt was anderes. Die in DE zunehmende Armut ist eher ein Verteilungsproblem, was der zunehmende GINI-Koeffizient bestätigt.
    Zu 11. Tja, ich persönlich kenne keinen schwäbischen Millionär. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass der noch selber sein Häusle baut oder bellend über sein 100qm-Grundstück rennt. Dafür kenne ich aber dt. Geschäftsführer, die sich auf Unternehmenskosten einen Ferrari leasen und ein Herr Winterkorn zahlt auch nicht die volle Miete für seine Villa. Den Rest zahlt der VW-Käufer. ;)
    Zu 12. Marktmacht und Absatzmärkte sind nicht entscheidend? i.O. das ist der Beweis, Sie leben im Takka-Tukka-Land. ;)

  9. TaiFei sagt:

    @Samson
    Nein, das ist keineswegs die Zusammenfassung meines Standpunktes. Meine hier vorgebachten Fakten geben nur darüber Auskunft, dass das europ. Erfolgsmodell nicht auf Basis einer gottgewollten Arbeitsethik zu suchen ist. Nur das, habe ich hier zum Ausdruck bringen wollen. Die Basis des europ. Erfolg, und hier sehe ich auch über den dt. Tellerrand hinaus, ist die kapitalistische Produktionsweise. Diese hat Europa zur dominanten Macht der Welt werden lassen. Sie ist die Basis unseres beherrschenden Wirtschaftssystems. Die Akkumulation des wichtigen Kapitals erfolgte vielfach durch Raub, Protektionismus und Imperialismus. Bis zum Einsetzen der Industrialisierung in Europa waren aber noch einige Regionen der Welt, siehe vor allem der indopazifische Raum, sehr wohl noch konkurrenzfähig, sowohl kulturell wie wirtschaftlich.
    Was die Migrationsprobleme angeht, so lösen sie sich keineswegs durch Zahlung von 6000 Euro pro Person. Wo habe ich so einen Schwachsinn behauptet? Sie ignorieren aber ebenfalls die EINE Tatsache. Die Welt wird beherrscht vom europ. inspirierten Wirtschafts- und Finanzsystem. Dieses System baut darauf auf, den Wohlstand seiner herrschenden Elite zu schützen, sowohl mit wirtschaftlichen als auch militärischen Mitteln. Vielleicht gehören Sie ja zu dem Verein, dann kann ich gut verstehen, dass Sie diesen Zustand so lange wie möglich zu kultivieren wünschen. Ansonsten machen Sie sich aber selber etwas vor und leben in einer Traumwelt. Viel Spaß darin.
    PS: „Blubb blubb… Bildung ist schließlich Geldsache.“ Ja Bildung ist tatsächlich eine Geldsache. Bildung ist aber keineswegs an Intelligenz gekoppelt, Ihre unterstellte Kausalität ist falsch. So kann sich eine reiche Familie für Ihren Nachwuchs eine bessere Bildung erkaufen, als eine H4-Familie. Und ja das ist empirisch nachgewiesen.

    @Veronik
    In Teilen der indischen Union gibt es noch Bürgerkrieg oder zumindest bürgerkriegsähnliche Zustände. In Brasilien kann die legitime Staatsmacht in den Favelas kaum durchgesetzt werden und auch China hat in einigen Provinzen, siehe z.B. Tibet) Konflikte, die teils auch von außen befeuert werden. Wie viele Flugzeugbauer gibt es in Kolumbien, Mosambik, Georgien oder Thailand? Sicher haben etliche Länder, die einmal kolonial abhängig waren einen steigenden Wohlstand. Die Meisten aber eben nicht und zwar rund um die Welt. Nein, ich mache es mir gerade nicht leicht. Ich suche auch keineswegs irgendwelche Schuldigen. Es geht mir hier nicht um Schuld, ich möchte nur auf Verantwortlichkeiten hinweisen. Unser globales Wirtschaftssystem ist die immer noch die Folge des europ. Imperialismus. Der Westen ist hegemonial immer noch der Nabel der Welt auch wenn sich dieser nun langsam verschiebt. Wir befinden uns in einer Umbruchphase. Unser Wohlstand ist der Maßstab der Welt, reicht aber eben nicht für alle Bewohner dieses Planeten in allen Ländern. Daher werden vermehrte Migrationsströme eher der Regel- als Ausnahmefall werden. Tatsächlich sind sie es schon. DE ist bisher nur glimpflich davon gekommen. Die Flüchtlingskrise haben wir nicht erst seit 2015 sondern bereits seit 2011. DE hat das nur nicht so stark mitbekommen bzw. schön ignoriert. In den USA ist in den letzten 20 Jahren der Anteil der Latinos an der Gesamtbevölkerung von weniger als 5% auf mehr als 20% angestiegen. Die Latinos haben die Afroamerikaner als größte Minorität inzwischen hinter sich gelassen. In 10 Jahren werden die Latinos in den USA gut ein Drittel der Bevölkerung stellen, Trump hin oder her. Europa hat die gleiche Migrationsbewegung aus dem Nahen Osten und Nordafrika erfahren, wenn auch in weniger deutlichem Ausmaß. Die innerafrikanischen (Subsahara) Migrationsbewegungen werden aber auch noch zunehmen. Das sind unweigerliche Fakten. Jetzt können wir noch lange darüber diskutieren, ob Muslime nun dumm und rückständig sind oder ob unsere gottgewollte Arbeitsethik unsere Vormachtstellung sichern wird. Tatsache ist, solange das globale Wirtschaftssystem auf Konkurrenz uns Ausbeutung aufbaut (Folge der europ. Hegemonie) solange, werden wir mit den Folgen dieser Politik leben müssen. Ich behaupte hier auch gar nicht, dass andere das vielleicht besser gemacht hätten. Allerdings ist so eine Diskussion auch rein akademisch, da sie an den Tatsachen vorbei geht.
    PS: Natürlich hat der Westen radikal-muslimische Entwicklungen unterstützt. Einmal, um sie gegen das Vordringen der Kommunisten in Stellung zu bringen, aber auch um panarabische Bewegungen zu unterminieren, bzw. den Iran, nach der Entmachtung des Schah klein zu halten. Saudi-Arabien und die ganzen anderen Ölkleptokraten sind doch militärisch komplett abhängig vom Westen.

  10. ernst sagt:

    @Tei Fei

    1. Sie denken weder historisch, kulturell noch vom Menschen her. Für Sie war Deutschland immer ein „reiches“ Land. Punkt. Etwas anderes ist für Sie unvorstellbar. Für mich als Deutschen, der hier Wurzeln hat, ist es völlig evident, dass Armut für den größten Teil der Deutschen früher selbstverständlich war. So lange ist das nicht her. Für die Generation meines Großvaters war es völlig selbstverständlich aus der Schulbank zu kippen. Da haben die Lehrer manchmal blöd geschaut, wenn 14 Tage lang rein gar nichts zu essen da war. Unterernährte Kleinkinder oder Kinder waren während des Kaiserreichs und der Weimarer Republik etwas völlig Selbstverständliches. Das war millionefach der Brauch. Das hat die Mentalität der Deutschen grundlegend geprägt, sogar nach 1945. Punkt. Das ist der Blick von „unten“.

    2. Der Blick von „oben“ war nicht viel anders. Denn tatsächlich waren viele Länder Deutschlands objektiv arm: Württemberg, Ostpreußen, Schlesien, Brandenburg, Oberösterreich, Kärten, Bayern, Baden usw., wobei die Städte immer eine Sonderrole als Wirtschaftszentren einnahmen. Das heute ach so reiche Oberbayern galt noch vor 50 Jahren als rückständig.

    3. Da die breite Masse der Bevölkerung „arm“ war, die Territorien „klein“ waren und in der Relation zur Bevölkerungszahl oft auch nicht über große Rohstoffressourcen verfügten, mussten man die Menschen „ausbeuten“. Die alte Form der feudalen Ausbeutung, Frondienst usw. brachte nichts, also impfte man ihnen in den von den Landesherren kontrollierten Kirchen ein, dass sie „arbeiten“ müssten. die Arbeit sollte nicht als „Last“ oder als „Muss“ gelten, sondern als „Dienst an Gott“, als Wohlgefallen an der Welt, als Lebenssinn, als etwas, was man anbeten sollte. Genau das wirkt bis heute nach und gilt bis heute als typisch „deutsch“. Wer nicht arbeitete, galt als Schädling und wanderte in die Armee oder ins Arbeitshaus. =gesellschaftliche Ächtung usw. Punkt.

    4. Typisch „deutsch“ war es daher auch, Gruppen, die der „Arbeit“ fernzustehen schienen, also gewisse fahrende oder geldverleihende Gruppen als unnütze Fremdkörper, Schädlinge oder Blutsauger am arbeitenden Volk zu betrachten. Polizeiordnungen aus dem 17. Jahrhundert zeigen sehr deutlich, dass man mit derartigen Gruppen „verfuhr“. Dass da gewisse Traditionen vorhanden sind, wird heute gerne ignoriert.

    5. Dass der christliche Aspekt dabei verloren ging, ändert nichts daran, dass die europäische Art, die Menschen zu „polen“ nach Russland und Asien exportiert wurde. Auch der chinesische oder russische Bauer musste erst einmal an die europäische Art der Arbeit gewöhnt werden. In weiten Teilen Russlands begann die Indsustrialisierung erst in den 1920er Jahren, mit z.T. fatalen Folgen, in China in den 50er Jahren. Das Ziel lag darin, endlich an den Westen heranzukommen (Stichwort „nachholende Industrialisierung“). Das zu leugnen, wäre Geschichtsverfälschung. Wenn sich Mao vom Westen abgewandt hat, dann schon eher aus außenwirtschaftlich-nationalistischen Gründen.

    6. Ist gerade Deutschland das Beispiel dafür, dass Industrialisierung und Arbeitsethos nicht zwigend miteinander korrellieren müssen. Denn tatsächlich war Deutschland bis ca. 1850 wenig industrialisiert. Es war rückständig. rückständig war es aber nicht in wissenschaftlicher Hinsicht, da gerade nicht.

    7. Waren die Kernindustrien Deutschlands früher nicht der Automobilbau (erst nach 1945) oder der Maschinenbau (eher noch, aber auch erst nach 1945), sondern die weltweit dominante Chemieindustrie (IG Farben!, BASF, Bayer), die Stahlindustrie und die Elektroindustrie. Das flache Land war in Deutschland wenig industrialisiert (v.a. hier galt der Protektionismus). Hier wäre etwas historisches Vorwissen nützlich.

    8. Hat einer der Aldigründer, der immer bewusst bescheiden lebte, einmal einen untergebenen Chef angerufen. Er teilte ihm mit, dass der Bleistift stets präzis rechts bei seiner Arbeitsmappe liegen müsse. Das sei zweckdienlicher. Das ist „deutsch“. Kann mit nicht vorstellen, dass ein saudischer Millionär sich um so etwas kümmern würde. Bei Eichmann und Co. könnte ich mir eine solche Superpräzision schon eher vorstellen. Ist halt ein bisschen unsere Mentalität.

    9, War Deutschland schon immer „Exportnation“. So hat ganz Europa schon im Mittelalter Nürnberger beispielsweise „Draht“ oder gedruckte Bücher gekauft und vielerlei mehr, was es anderswo so nicht gab. Ganz ohne Tradition?

    10. Wäre der industrielle Aufschwung Deutschlands ohne vorhande Grundstrukturen (gut ausgebildete Handwerker, sozialdisziplierte Arme, Arbeitsethik, gebildetes und staatsorientiertes Bürgertum, leistungsfähige Wissenschaftsstrukturen) nicht denkbar gewesen, eben weil Deutschland keine Kolonien und damit keine Absatzmärkte hatte. Diese Absatzmärkte musste es sich durch gute Produkte („Made in Germany“) erobern. Anders war das nicht möglich.

    11. Ist es unübersehbar, dass gerade deutsche Juden (Buchreligion!) und Protestanten im Unternehmertum viel erfolgreicher sind als Katholiken. Das sah schon Max Weber, der diese Zeit ja noch direkt miterlebt hat. Listen der preußischen Verwaltung belegen eindeutig, dass zwischen Juden, Protestanten und Katholiken z.T. gewaltige Bildungsunterschiede herrschten. ganz ohne Religion kann man das nicht erklären.

    12. Hat der Aufstieg von Kolonialmächten wie England und Frankreich v o r der Gründung von Kolonien begonnen, eben weil eine relativ größere ökonomische Potenz vorhanden war. Die war aber da, weil die Menschen produktiv waren, weniger weil die Territorien im weltweiten Vergleich so groß und so mächtig waren.

    13. Hat der Protestantismus sehr wohl auf Großbritannien Einfluss gehabt, Man denke nur an die Puritaner („nomen est omen“). Wie in Frankreich bei den Hugenotten, waren gerade in Großbritannien Unternehmer erfolgreich, die entsprechende Wurzeln hatten. Die Bekenntnisgrundlage der Anglikanischen Kirche in Gestalt der 39 Artikel ist im Übrigen hauptsächlich von Ulrich Zwingli und Calvin beeinflusst.

    14. Hätte ja gerade Russland aufgrund unenedlicher materieller Möglichkeiten unendlich viel erfolgreicher sein müssen.

    15. Und wieso war Europa eigentlich so überbevölkert? Weil es so rückschrittlich war?

    16. Zeigt ein Vergleich mit der Kunst und der Literatur um 1900, dass das heutige Geistesleben in Deutschland ein Zwerg dagegen ist. Oder glauben Sie, dass es heutzutage Karikaturisten gibt, die mit dem Simplicissimus mithalten können? Glauben Sie, dass es heutzutage haufenweise Schriftsteller wie Brecht, Mann, Zweig, Fontane usw. gibt? Und wo sind hierzulande die Brauns, Plancks, Einsteins und Heisenbergs? Ganz klar: Statistisch gesehen war die Analphabetenquote damals niedriger.

    17. Ist der Niedriglohnsektor für den Wohlstand Deutschlands weitgehend bedeutungslos. Die Musik macht der Mittelstand, heute mehr denn je. Sorgfältig gefertigte Präzisionsprodukte ermöglichen unseren Wohlstand, nicht der Gemüsehandel!

    18. Sind „Nischenindustrien“ und Mittelstandsbetriebe gerade das, was ausländischen Ökonomen an Deutschland so auffällt.

    19. Besteht „Armut“ Deutschlands darin, dass man keine anderen Ressourcen hat als die eigenen Tugenden und die eigenen geistigen Fähigkeiten. Wir haben keine Riesenflächen wie China oder die USA, keine Milliarden an Menschen, kein Öl und kein Militär. Genau das wissen wir – seit Jahrhunderten. Darum ist der Mensch die wichtigste Ressource.

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