Integrationsbericht
Migrant – eine diskriminierende Etikettierung!?
Die Enquete-Kommission „Integration und Migration in Rheinland-Pfalz“ empfiehlt, nicht mehr über „den“ Migranten zu sprechen. Diese Bezeichnung sei eine pauschalisierende, stigmatisierende und oft auch diskriminierende Etikettierung.
Dienstag, 04.01.2011, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 16.01.2011, 21:27 Uhr Lesedauer: 22 Minuten |
Die Enquete-Kommission „Integration und Migration in Rheinland-Pfalz“ hat im Dezember 2010 ihre Arbeit nach über zwei Jahren abgeschlossen. Der Abschlussbericht enthält Informationen und Analysen über die Lebenssituation von Migranten in Rheinland-Pfalz. „Gemeinsam mit unseren Sachverständigen haben wir zukunftsweisende Handlungsempfehlungen entwickelt, um die gleichberechtigte Teilhabe von Migrantinnen und Migranten in allen Bereichen des täglichen Lebens zu erreichen“, so der integrationspolitische Sprecher, Dieter Klöckner (SPD).
Die Bezeichnung "Migrant" ist ...vollkommen in Ordnung. (58%) diskriminierend. (33%) ... weiß nicht. (9%)Wird geladen ...
Eines dieser zukunftsweisenden Handlungsempfehlungen beziehe sich auf die Bezeichnung „Migrant“. Denn im Lauf der Debatten um Integration habe sich gezeigt, dass es irreführend sei von „den“ Migranten zu sprechen. „Diese Bezeichnung ist aus Sicht vieler Menschen mit Migrationshintergrund eine pauschalisierende, stigmatisierende und oft auch diskriminierende Etikettierung“, teilt die Enquete-Komission mit.
Zu den Zusammanfassungen der einzelnen Handlungs- empfehlungen:
Statistische Grundlagen
Bildung
Ausbildung
Arbeitsmarkt
Lebens- und Wohnumfeld
Gewalt und Kriminalität
Gesundheit und Pflege
Frauen, Familie, Kinder
Partizipation
Kunst und Kultur
Medien
Zuwanderung und Asyl
Der Begriff impliziere ebenfalls, dass es sich um eine homogene Gruppe mit prinzipiell ähnlichen Werten und Lebensstilen handelt. Man lebe aber in einer heterogenen Gesellschaft, in der auch Zugewanderte keine homogene Gruppe seien. Die Pluralisierung und Differenzierung der Lebenslagen, die Existenz und Veränderung gesellschaftlicher Milieus betreffe alle Menschen in Rheinland-Pfalz – mit und ohne Migrationshintergrund. Das Bild von Menschen mit Migrationshintergrund müsse der Differenziertheit der Gruppen entsprechend in die öffentliche Wahrnehmung gerückt werden. (hs) Politik
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Irgendwie erheiternd zu sehen, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis eine durch politisch korrekte Sprachwächter neu erfundende Alternativbezeichnung für eine als problematisch empfundene Gruppe wiederum nicht mehr Verwendung finden darf. Und so rotiert das politsch korrekte Sprachkarusell munter weiter …
Dass der Begriff „Migrant“ unsinnig ist, da er etwas ganz anderes impliziert, haben ja schon einige Mitkommentatoren dargelegt. Dass es außerdem oft zu ungerechtfertigten Pauschalisierungen kommt, wird meiner Meinung nach durch das implizite Denk- und Aussprechverbot hervorgerufen, offen zu unterscheiden und Realitäten ehrlich beim Namen nennen zu dürfen. Eine totalitäre Verbotskultur kann niemals auf lange Sicht zukunftsbeständig sein.
Ob Migrant oder Zuwanderer, Völkerwanderungen und Völkermischung hat es schon immer gegeben. Gegen den Rassenwahn bei den Nationalsozialisten läßt Carl Zuckmayer in seinem Drama „Des Teufels General“ seine Hauptperson Harras zum Ausdruck bringen, wie gut es den Deutschen getan hat, dass Fremde hinzugekommen sind.
Nachfolgend „Die große Völkermühle“ von Zuckmayer:
„Denken Sie doch – was kann da nicht alles vorgekommen sein in einer alten Familie. Vom Rhein – noch dazu. Von der großen Völkermühle. Und jetzt stellen Sie sich doch mal Ihre Ahnenreihe vor – seit Christi Geburt.
Da war ein römischer Feldhauptmann, ein schwarzer Kerl, braun wie ne reife Olive, der hat einem blonden Mädchen Latein beigebracht. Und dann kam ein jüdischer Gewürzhändler in die Familie, das war ein ernster Mensch, der ist noch vor der Heirat Christ geworden und hat die katholische Haustradition begründet. – Und dann kann ein griechischer Arzt dazu, oder ein keltischer Legionär, ein Graubündner Landsknecht, ein schwedischer Reiter, ein Soldat Napoleons, ein desertierter Kosak, ein Schwarzwälder Flözer, ein wandernder Müllerbursch vom Elsass, ein dicker Schiffer aus Holland, ein Magyar, ein Pandur, ein Offizier aus Wien, ein französischer Schauspieler, ein böhmischer Musikant – das alles hat am Rhein gelebt, geraubt, gesoffen und gesungen und Kinder gezeugt – und – und der Goethe, der kam aus dem selben Topf, und der Beethoven und der Gutenberg, und ach was- schau im Lexikon nach. Es waren die Besten mein Lieber! Die Besten der Welt! Und warum? Weil sich die Völker vermischt haben, Vermischt – wie die Wasser aus Quellen und Bächen und Flüsen, damit sie zu einem großen, lebendigen Strom zusammenrinnen. Das ist natürlicher Adel. Das ist Rasse !“
@ arabeske
In diesem sehr löblichen Text aus Zuckmayer’s TEUFELS GENERAL kommt WER nicht vor?
Und doch hätte, hat, und sollte er seinen Platz darin haben , soweit er vernunftbegabt ist ! Und sein Leben nicht so etwas irrationalem wie einer Religion unterordnet ! Im 21. Jahrhundert !
@ Mobo
Du schreibst:
Das Migazin ist übrigens nicht muslimisch. Dass hier mehr türkischstämmige Journalisten als zB Chinesen schreiben liegt wohl an dem Anteil in der Bevölkerung. Außerdem werden Mitbürger muslimischer Herkunft (ob gläubig oder nicht) auch mit mehr Problemen (Diskriminierung, Hetze in Medien) auseinandergesetzt als zB Franzosen.
Defakto ist das Migazin ein Onlinemagazin für Menschen mit muslimischem Migrationshintergrund. Und zwar zu 99 Prozent. Ich finde das auch voll okay und habe keine Probleme damit.
Zum Stammtischbegriff „Gutmensch“ – als Begriff für grenzdebile Idioten ist das Wort einfach zu schön, es ist sogar noch viel besser als „Kartoffelfresser“ …
;-)
@ Wallut
Bitte genau lesen, was Zuckmayer schreibt:
„Weil sich ALLE Völker vermischt haben“
Und wissen Sie auch, wer die Sarrazenen waren ?
Es steht fest, dass der bekannte Demagoge Thilo S. von den Sabäern abstammt und seine Familie vermutlich mit den muslimischen Sarrazenen, die Teile von Spanien erobert hatten nach Frankreich gelangte. Urspünglich gehört er aber zu den Volksgruppen die heute im Jemen leben, also dem Vorderen Orient.
Ihr Islambashing wird langsam peinlich………
Zurück zum Thema;)
Kann mich Kai Diekelmann und Nathanael einfach nur noch anschließen.
Für mich ist „Migrant“ ein absolut klassischer Euphemismus. Es wird im allgemeinen Sprachgebrauch einfach so benutzt.
Ich glaube mich noch dunkel daran zu erinnern, dass Cem Özdemir in irgendeiner Talkshow auch mal
von Familien, Personen gesprochen hat, die sich besonders „migrantisch verhalten“.
Ich weiss nicht mehr welche, aber die aktraktive, charmante, gebildete „VorzeigemigrantIn“
dieser Sendung war -glaub ich- „Naika Foroutan“.
Bitte nicht falsch verstehen: Naika Forouton war wohl der Grund, warum ich meine grundsätzliche
Abneigung gegen Talkshows einmalig überwunden habe.
Auch das „Sprachkarussell“ von Nathanael trifft es auf den Punkt.
Einfach nach „Euphemismus-Tretmühle“ suchen und bei wikipedia steht sogar
speziell was zu „Migrant“ und „Migrationshintergrund“.
Hier ein Suchmaschinenlink zum Thema „Euphemismus“.
Ist übrigens eine total diskriminierte Minderheitensuchmaschine, die sich bestimmt selbst bald „abschafft“;)
http://de.altavista.com/web/results?fr=altavista&itag=ody&q=Euphemismus&kgs=1&kls=0
@ Ludwig.S
Ich denke, die „Sprache in Arbeitszeugnissen“ zeugt von dem gleichen „Problem“. Es werden „gute Arbeitsleistungen“ geschrieben, die in ihrer Wortwahl (Zeutnissprache) nur „schlechte Beurteilungen“ beinhalten.
Manch einer bildet sich ein, ein tolles Arbeitszeugnis zu haben und fällt „dann aus allen Wolken“ warum er keinen Vorstellungstermin geschweige denn einen neuen Arbeitsplatz erhällt. Denken wir nur an den Sat: „Er/Sie hat sich zunehmend bemüht“ (Beurteilung mangelhaft).
Wenn man also fur einen Arbeitnehmer, einen Zuwanderer usw. immer die gleiche Wortwahl bereit hält, kann nur ein „Unwissender“ sich nicht betroffen fühlen. (“Euphemismus-Tretmühle”)
Pragmatikerin
Ja klar, so von wegen er/sie stand „voll“ hinter uns“ und wir blöden Migranten merken nichts. Wissen natürlich auch nicht, was so ein Zeugnis für unsere Zukunft bedeutet und lassen es selbstverständlich nicht prüfen. Man sind wir bescheuert. Im Besonderen merken wir auch nicht das „Migrant“ ganz einfach ein Ausschluß,verfahren ist („wer kommt vor wem“) und das nach uns nur noch Ausländer kommen, (ne nicht mal die, die gehn ja wieder) Asylanten und Illegale, merken wir auch nicht.
Den Streit um „richtige“ oder „falsche“ Begriffe wie „Migrant“ oder „Migrationshintergrund“ können wir uns schenken. Das Ganze ist ein gruppendynamischer Prozess, bei dem die streitenden Parteien Etikettierungen verwenden um sich gegeneinander abzugrenzen. Man kann genauso gut darüber diskutieren, ob man statt „Afroamerikaner“ besser „Farbige“ sagen sollte oder statt Penis „Schwanz“ – Am Ende ist nur entscheidend, wer die Lufthoheit gewinnt: „Wir“ oder „Die“ …
Fest steht nur, das sowohl „Migranten“ wie auch „Kartoffelfresser“ letztlich vom Affen abstammen … ;)
Heute wollte ich mir nur einen kurzen Imbiss um die Mittagszeit in einem bekannten Kaufhaus-Restaurant in Frankfurt gönnen.
Mit meinem Tablett in der Hand suchte ich mit den Augen einen Sitzplatz… 4 junge Frauen erregten meine Aufmerksamkeit. Sie hatten wohl schon gegessen und jede hatte 1 Tasse Kaffee vor sich stehen. In der Nähe dieser Frauen war ein Tisch frei und ich liess mich im Abstand von ca. 1 m von dem Tisch der jungen Frauen nieder.
Sie waren dezent aber modisch angezogen, und alle vier hatten lange braune wunderschöne Haare. Ich wollte gerade meine Ohren spitzen und ihr Gespräch etwas belauschen, als ich bemerkte dass sie sich zweisprachig unterhielten – deutsch und türkisch (sie wollten wohl nicht, dass jemand anderes ihrer Unterhaltung folgen konnte) ;-)
Ich war fasziniert von diesen Frauen!!!!!!!! Mit einer Unbekümmertheit unterhielten sie sich, tranken ihren Kaffee und – so hatte ich den Eindruck – sie genossen die bewundernden Blicke der anwesenden anderen Gäste.
Und auf einmal fiel mir auf, dass ich kein einziges Mal an „Migranten“ dachte. Es waren einfach weibliche Wesen, die auf mich sehr anziehend wirkten.
Ich konnte es mir nicht verkneifen, bevor ich das Lokal verliess, den jungen Frauen zuzunicken und zu grüssen.
Erst viel später – auf der Rückfahrt nach Hause – wünschte ich mir, es wären nur Menschen in Frankfurt und keine „Migranten“.
Pragmatikerin