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Wochenrückblick

KW 2/11 – Sarrazin, Islam, Moschee, SPD, Kelek

Die Themen der 1. Kalenderwoche: 7mal „Spuren der Sarrazin-Diskussion“ (das Verhältnis von „Einheimischen“ und Zuwanderern; ein Vergleich mit Frankreich, Brandaschläge auf Moscheen, Statistik muslimfeindlicher Straftaten, SPD-Integrationsprogramm, Sarrazin-Ausschluss; Islam-Dossier). Als Zugabe: die Suche nach einem muslimischen Luther.

Von Montag, 17.01.2011, 8:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 17.01.2011, 0:22 Uhr Lesedauer: 6 Minuten  |  

Spuren der Sarrazin-Diskussion (1)
Wie hat sich die Einschätzung des Zusammenlebens von „Einheimischen“ und Zugewanderten durch die Sarrazin-Debatte verändert? In der SZ findet sich dazu eine interessante Statistik, die der Sachverständigenrat für Integration und Migration hat erarbeiten lassen.

Demnach glauben deutlich weniger Einheimische und Zuwanderer, dass die beiden Gruppen „ungestört miteinander leben“. In beiden Fällen hat sich der Anteil der Optimisten binnen eines Jahres mehr als halbiert, während die, die „gar nicht“ an ein harmonisches Miteinander glauben, bei den Migranten deutlich gewachsen ist. „Das Grundvertrauen ist beschädigt worden“, sagt der SVR-Vorsitzende Klaus Bade. Immerhin zeigte die Mehrheit der gut 2000 Befragten weiter eine gelassen-differenzierte Haltung, mehr Menschen antworteten 2010 mit „teils/teils“, betont Bade. Gut möglich, dass diese Gruppe im Lauf der Debatte beobachtet hat, dass das Leben mit Migranten nicht so düster ist, wie Sarrazins Zahlen es zeichnen.

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Hier der Link zur entsprechenden Seite des SVR selbst, mit einer weiteren Tabelle, die das Ergebnis regional beleuchtet.

Spuren der Sarrazin-Diskussion (2)
Jakob Augstein vergleicht auf Spiegel online Frankreich und Deutschland. Bei uns wird ein „Buch der Niedertracht“ zum Bestseller, in Frankreich hingegen ein Buch oder eher Heft, das zum Kampf gegen Unmenschlichkeit aufruft. Es stammt von dem 93jährigen Stéphane Hessel: „Für eine Gesellschaft, auf die wir stolz sein können“

Es hätte ein großes Erschrecken durch dieses Land gehen müssen, als klar wurde, dass Sarrazins Buch das bestverkaufte seiner Art sein würde. Ein Innehalten. Ein Schämen. Es ist da ein tiefsitzender Rassismus deutlich geworden, der sich nach oben arbeitet, der durchbricht, der sich was traut. Man kann offenbar solche Sachen wieder sagen:

„Ich muss niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert.“

Es macht keinen Spaß, diese Feststellung zu treffen: In Frankreich wurde ein Buch der Hoffnung zum Bestseller. In Deutschland ein Buch der Niedertracht. Wie kommt es, dass die deutsche Empörung etwas Böses hat und die französische etwas Befreiendes? Wie kommt es, dass die Franzosen Stéphane Hessel haben und wir Thilo Sarrazin?

Spuren der Sarrazin-Diskussion? (3)
Ob die inzwischen sieben Brandanschläge auf Berliner Moscheen auch mit der gestiegenen emotionalen Hitze zu tun haben?

Die taz berichtet über den aktuellen Stand – der Rätsel aufgebe.

Handelt es sich um Rechtsextreme? Durch die Sarrazin-Debatte und das islamfeindliche Klima Aufgestachelte? Das vermuten Politiker von Grünen und der Linken, doch auch ein ganz anderer Hintergrund ist denkbar. So könnten die Zündler Verwirrte oder Trittbrettfahrer sein – oder gar innerislamische Gegner der betroffenen Gemeinden.

Dagegen spricht, dass die angegriffenen Moscheen einen völlig unterschiedlichen Hintergrund haben.

Spuren der Sarrazin-Diskussion? (4)
Attacken auf Muslime und ihre Einrichtungen gab es auch schon vor dieser Debatte. Werden sie jetzt häufiger? Die Polizei führt darüber keine spezielle Statistik. Die Linke würde das gerne ändern.

Die junge Welt: Wie die Bundestagsfraktion Die Linke mittels einer parlamentarischen Anfrage an die Bundesregierung aktuell in Erfahrung gebracht hat, kann über das ganze Ausmaß an Straftaten mit islamfeindlichem Hintergrund nur spekuliert werden. Tatsächlich würden derlei Delikte durch die Sicherheitsbehörden nicht eigens statistisch erfaßt, heißt es in der Antwort der Bundesregierung. Deshalb bestünden auch keine Erkenntnisse darüber, wie viele islamfeindliche Straftaten im Jahr 2010 verübt worden seien. Auf den Hinweis der Linksfraktion, wonach die Meldungen über eine Zunahme von Haß-E-Mails, Bedrohungen, Beschimpfungen und gewalttätigen Übergriffen eine gesonderte Ausweisung muslimfeindlicher Straftaten geboten erschienen ließen, erwidert die Regierung lapidar: »Die Erfassungskriterien für politisch motivierte Kriminalität werden fortlaufend auf die Erforderlichkeit etwaiger Anpassungen geprüft.«

Hier können Sie den ganzen Antrag und die Antwort der Bundesregierung lesen.

Spuren der Sarrazin-Diskussion? (5)
Die SPD hat Forderungen zur Integrationspolitik. Die WELT fasst zusammen und betont einen Aspekt:

Auf ihrer Klausur in Magdeburg beschloss die SPD-Bundestagsfraktion am Freitag ein 16-seitiges Konzept, das einen neuen Anlauf für die doppelte Staatsbürgerschaft vorsieht.

„Der Grundsatz, doppelte Staatsbürgerschaft zu vermeiden, ist historisch überholt“, steht darin. In 53 Prozent aller Fälle werde sie aufgrund vieler Ausnahmeregelungen schon heute hingenommen. Das jetzige Optionsmodell, wonach sich Kinder ausländischer Eltern mit der Volljährigkeit für eine Nationalität entscheiden müssen, belaste die Betroffenen ebenso wie die Behörden.

Hier das Positionspapier der SPD in Kurzfassung.

Spuren der Sarrazin-Diskussion (6)
Warum wirft die SPD den Sarrazin nicht aus der Partei? – Weil seine Thesen bei zu vielen SPD-Anhängern und -Wählern Zuspruch finden. Über den aktuellen Stand des Ausschluss-Verfahrens berichtet Hans Peter Schütz im STERN.

Die SPD wird mit Thilo Sarrazin nicht fertig

Was macht eigentlich der Rauswurf von Bestsellerautor Thilo Sarrazin aus der SPD? Nun ja, sagen die einen. Ähem, die anderen. Erkundungen in einer verzagten Partei.

Spuren der Sarrazin-Diskussion (7)
Die Frankfurter Rundschau empfiehlt ein 40seitiges Islam-Dossier, in dem alle aktuellen Fragen zugleich sehr lesbar und doch auf hohem Niveau von Fachleuten angesprochen werden. Es nennt sich Islam. Kultur. Politik.

„Wir wollen in diesem Dossier die üblichen Fahrrinnen, die sich gerade in den letzten Monaten in den Medien und der Politik durch die ,Sarrazin-Hysterie’ noch tiefer eingegraben haben, so oft wie möglich verlassen und ein möglichst weites und differenziertes Bild über den Islam, seine Kultur und Politik anbieten.“ Differenzieren heißt dabei nicht, wie sich nach der Lektüre des Dossiers erweist, Schönreden oder Verharmlosen. Es ist ein erstaunlich vielstimmiges Dokument, das nicht nur im Bundestag ausliegen wird, in den öffentlichen Bibliotheken, in evangelischen und katholischen Akademien, sondern auch in den Moscheen.

Hier ist das Dossier selbst.

Deutschland sucht für den Islam einen Luther
und denkt dabei vorwiegend an Personen, die gegen den Islam Stellung beziehen; zum Beispiel Necla Kelek. Die WELT wundert sich:

Nur: Ist es für eine „Reformatorin“ des Islams nicht arg unvorteilhaft, lange Jahre als Ex-Muslima und Atheistin gegolten zu haben? Bis 2007 wirkte Kelek noch im Beirat der atheistischen Giordano-Bruno-Stiftung mit, die den Zentralrat der Ex-Muslime mitgründete. …

Wie viel Überzeugungskraft besitzt wohl solch eine „Reformatorin“ unter Gläubigen, denen sie kollektiv Sodomie unterstellt?

Wie sollen „Islamkritiker“ auch nur einen einzigen Muslim für eine milde, westkompatible Islam-Variante gewinnen?

Als mitreißende Reformatoren oder – eine Nummer kleiner – Reformer sind sie eine Fehlbesetzung. Warum, so fragen organisierte wie unorganisierte Muslime, entgeht das so vielen?

Auf der anderen Seite gibt es gläubige Muslime, die eine liberale Version des Islam leben und vertreten.

Sie treten sogar den Gegenbeweis zum radikalen Nein an, wie es Kelek und ihre Kollegen vertreten: Den Koran lesen sie konsequent als Offenbarung in Raum und Zeit, deren große Absichten zeitlos seien, deren Wortlaut im Detail dagegen als zeitgebunden verstanden wird. Und in diesen koranischen Absichten entdecken sie ausnahmslos jedes Menschenrecht samt Minderheitenschutz, Rechtsstaat und Gewaltenteilung.

Aber diese Personen lehnen es ab, sich als „Reformer“ instrumentalisieren zu lassen. Wochenschau

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  1. Pragmatikerin sagt:

    @ loewe

    Sie schreiben: „Ich glaube vielmehr, Pragmatikerin, dass wir beide nicht zusammenpassen.“

    Was dieser Satz soll, ist mir nicht erklärlich; Sie und ich diskutieren und versuchen einen Konsenz in unserer Meinungsverschiedenheit zu finden, muss man da zusammenpassen? ;-)

  2. arabeska sagt:

    @Hallo Pragmatikerin, Sie schreiben:
    „Was Sarrazin aber zu Recht schreibt, ist, dass so verschiedene Kulturen wie Okzident und Orient nicht zusammenpassen und vor allem dass im Zusammenleben keine fruchtbaren Ergebnisse herauskommen. Das würde ich in jedem Fall ausch schreiben, wenn ich mal ein “Buch” veröffentlichen würde“

    Mich interessiert sehr was für Sie „fruchtbare Ergebnisse“ sind?
    Ich kann Ihnen unzählige „fruchtbare Ergebnisse“ präsentieren, würde ich allein die binationalen Ehen und Partnerschaften in meinem Umfeld aufzählen und der daraus resultierende Nachwuchs.
    Es ist bedauerlich, dass Sie offensichtlich überwiegend schlechte Erfahrungen mit orientalischen Nachbarn, Kollegen, Geschäftspartnern gemacht haben. Meine ausländischen Freunde, Kollegen (auch aus orientalischen Ländern) empfinde ich eher als Bereicherung, was für mich deutlich zeigt, dass selbst wir Deutsche in Parallelgesellschaften leben.
    Während ich die interkulturelle Vielfalt im beruflichen und privaten Umfeld genieße, sehen sie solche Verbindungen als wenig „fruchtbar“ an.

    Außerdem genieße ich es, auch in anderen Sprachen zu kommunizieren, denn genau das bildet eine zentrale Grundlage für das Leben in einer stetig weiter zusammenwachsenden Welt. »Kennst du viele Sprachen – hast du viele Schlüssel für ein Schloss.« schrieb Voltaire (1694–1778).
    Sozial- und Sprachwissenschaftler haben das schon länger erkannt, z.B.
    bietet fast jedes Gymnasium in Frankfurt mittlerweile bilingualen Unterricht an.
    Für mich sind Sprachen, aber auch Literatur, Musik und Kunst Brückenbauer zwischen den Kulturen. Als Musikerin und Jazzchorsängerin bedeutet für mich Musik immer auch Weltmusik. Wie könnte ich die Lieder von Ella Fitzgerald oder Astrud Gilberto musikalisch zum Ausdruck bringen ohne mich in deren Seele einzufühlen?

  3. Pragmatikerin sagt:

    Erkan schrieb:
    „Alle meine Erfahrung die ich so gehabt habe, bestätigt hin und wieder,
    dass du als Türkischstämmiger hier in Deutschland immer diese Probleme haben wirst.
    Das Traurige ist, dass meine Kinder auch diese Schwierigkeiten haben werden und das es in der Zukunft sich nichts ändern wird.
    Ich könnte stundenlang schreiben und würde nicht zu Punkt kommen.
    Als eine Person mit Türkischem hintergrund ist es dreifach so schwierig wie eine andere Person mit einer anderen Identifikation.“

    Thread ….er sollte mal lieber auf die Realschule gehen…)

    Liebe Arabeska,

    den obigen Satz habe ich eben gelesen. Er beschreibt genau das, was ich mit „im Zusammenleben keine fruchtbaren Ergebnisse….)“ meinte.

    Es ist – ich weiss natürlich nicht wann – etwas passiert, was wohl nicht mehr zu reparieren ist; es gibt einfach zuviele Vorurteile von beiden Seiten.
    Un solange es das Wort „Deutsch-Türken“ gibt, wird sich meiner Meinung an den heutigen Verhältnissen im Miteinander von Migranten – speziell Türken/Muslime und Geburtsdeutschen auch nichts ändern.

    Auch für mich sind Sprachen (ich spreche Englisch, Französisch und etwas Spanisch – selbstverständlich auch Deutsch) ;-), Literatur, Musik (ich mag übrigens keinen Jazz) ;-) und Kunst auch Brückenbauer. Aber wohin führt diese Brücke, wenn keine Pfeiler vorhanden sind, welche die Brücke stützen?

    Ich habe in den 60igern einige Migranten (hauptsächlich Italiener und Spanier, aber auch sehr liebenswerte TürkenInnen kennengelernt), wo sind sie geblieben?

    Heute schaue ich aus der „Ferne“ zu, wie sich Deutschland zu seinen ungunsten verändert (noch nicht abschafft). und ich empfinde meine Heimat immer mehr als „Ausland“.

    Wie kann ich selbst dann ein Brückenkopf sein für Zugewanderte, die m i r das „Verlorene“ auch nicht mehr zurückgeben können/wollen
    fragt Pragmatikerin

  4. arabeska sagt:

    @Pragmatikerin
    „Heute schaue ich aus der “Ferne” zu, wie sich Deutschland zu seinen ungunsten verändert (noch nicht abschafft). und ich empfinde meine Heimat immer mehr als “Ausland”.

    Warum aus der „Ferne“ zuschauen und nicht selbst „Brückenpfeiler“ sein?
    In den 60igern gab es Ihrer Meinung nach viele nette Italiener, Spanier und sogar Türken, die heutigen Migranten sind Ihnen aber fremd.
    Auf fremdes kann ich ablehnend reagieren, vielleicht weil dieses Fremde meine Überzeugungen in einem ungünstigen Licht erscheinen lässt, was mich verunsichert. Verunsicherung führt also zu dieser Ablehnung.
    Aber Fremdes kann mich auch neugierig machen: Wie geht dieser Mensch mit dem Abenteuer Leben um ? Und kann ich vielleicht sein Brückenpfeiler sein?

  5. Pragmatikerin sagt:

    Hallo Arabeska :-)

    Sie schreiben sehr vernünftig und manche Ihrer Worte sind bestimmt nachdenkenswert aber sorry, ich bin müde……..

    Ich war früher sehr neugierig, jedoch jetzt habe ich aufgegeben in Deutschland noch etwas positives zu sehen.

    Schönen Abend
    Pragmatikerin